Nachdem die brasilianische Nationalmannschaft nach dem Viertelfinal-Aus Trainer Carlos Dunga entlassen hat, gestaltet sich die Nachfolger-Suche schwierig.
Nach vier Jahren ist die Ära Dunga in Brasiliens Fußball vorbei. In einer dreizeiligen Mitteilung auf seiner Homepage hat der Fußballverband CBF gut zehn Stunden nach der Rückkehr der im WM-Viertelfinale von den Niederlanden besiegten Selecao (1:2) die Entlassung des ehemaligen Stuttgarter Bundesliga-Profis und Nationaltrainers bekannt gegeben.
Auch Dungas Trainerstab um Assistent Jorginho (Ex-Bundesliga-Profi von Bayer Leverkusen und Bayern München) muss mitgehen. Bis Ende Juli will der CBF seinen neuen Coach vorstellen. Insgesamt werden im Augenblick fünf Kandidaten für die Dunga-Nachfolge gehandelt: Ex-Weltmeister-Trainer Luiz Felipe Scolari (Palmeiras), Mano Menezes (Corinthians), Muricy Ramalho (Fluminense), Ricardo Gomes (FC Sao Paulo) und Leonardo (zuletzt AC Mailand).
"Es muss ein unabhängiger Mann sein, sehr erfahren, der Regen und Stürme aushalten kann. Er muss klar definierte Vorstellungen haben, denn an gut gemeinten Ratschlägen fehlt es in Brasilien nicht. Der Druck wird viel größer sein als jetzt, denn eine WM im Ausland zu gewinnen ist viel einfacher, als es zu Hause zu schaffen", sagte Carlos Alberto Parreira, brasilianischer Weltmeistercoach von 1994 und bei der WM in Südafrika für das Gastgeberland verantwortlich.
Scolari will bei Sao Paulo bleiben
Für Dunga dürfte die Trennung letztendlich keine Überraschung gewesen sein. Direkt nach dem Viertelfinal-Aus gegen die Niederlande war der 46-Jährige jedoch schon davon ausgegangen, dass seine Dienste nicht mehr gefragt seien. "Man wusste vom Beginn meiner Arbeit an, dass es vier Jahre sein werden", hatte der Weltmeister-Kapitän von 1994 erklärt.
Kurz zuvor hatte Dunga bei der Ankunft in Porto Alegre allerdings noch verkündet, dass es in ein, zwei Wochen Gespräche über seine Zukunft gebe. Die Zeichen standen jedoch seit dem Abpfiff der Holland-Begegnung am vergangenen Freitag in Port Elizabeth auf Abschied.
Die Suche nach einem Nachfolger wird jedoch nicht leicht werden. Luiz Felipe Scolari, Kandidat Nr. 1, hat bereits angekündigt, dass er bis Ende 2012 seinem neuen Arbeitgeber Palmeiras Sao Paulo treu bleiben will. Erst danach könne sich der Weltmeister-Coach von 2002 vorstellen, eine Mannschaft mit Blick auf die WM-Endrunde 2014 zu übernehmen.
Jogo Bonito wurde vermisst
Der ebenfalls gehandelte Mano Menezes von Pokalsieger Corinthians Sao Paulo bekam vorerst von seinem Vereinspräsidenten einen Riegel vorgeschoben. "Mano hat einen Vertrag bis 2011, und es gibt keine Gespräche mit dem CBF", erklärte Klub-Boss Andres Sanchez, der als Delegationsleiter der Selecao in Südafrika dabei war.
Dunga war in der brasilianischen Öffentlichkeit umstritten. Statt Ballzauber der brasilianischen Fußball-Künstler gab es Kicken der Marke safety first. Fußball wurde gearbeitet, das Jogo Bonito, das schöne Spiel, blieb auf der Strecke. Ein wenig erinnerte der Stil der Brasilianer an die Spielweise Dungas. Auch er war als Aktiver kein Fußball-Ästhet, sondern ein -Arbeiter.
Außerdem schottete er die Selecao im Vorfeld der WM bei der Vorbereitet total ab - sehr zum Leidwesen der Medien, die ihrer Ansicht nach zu wenig Zugriff auf Kaka und Co. hatten.
Dungas erfüllt Ziele nur zum Teil
Dunga hatte bei seinem Amtsantritt 2006 drei große Ziele: den WM-Titel 2010, das Ansehen der Selecao in der Öffentlichkeit wieder aufpolieren, und die Spieler wieder zu Patrioten machen, damit sie gerne in der Selecao spielen.
Den Titel musste er sich abschminken, entzaubert von Oranje in der zweiten Halbzeit des Viertelfinales, als seine Mannschaft einen 1:0-Vorsprung aus der Hand gab. Punkt zwei und drei erfüllten sich nur zum Teil.
Im Gegensatz zu den Medien begrüßte der Großteil der Bevölkerung Dungas Stil, da die hochbezahlten Stars wieder in der Selecao "arbeiten". Die Spieler hatten die Verhaltens-Vorgaben Dungas voll umgesetzt. Kein unnötiger Kontakt mit der Presse, keine Freunde und Familien im Mannschaftsquartier. In 43 Tagen Klausur gab es diesmal keine Skandale, Discobesuche oder Ähnliches.
42 Siege in 60 Spielen
Durch die Abschottung und da die meisten Asse in Europa spielen, identifiziert sich das brasilianische Volk nicht mehr so recht mit dem Team.
Da die Brasilianer keine WM-Quali spielen müssen, kann es gut sein, dass die nächste Selecao wieder mehr in der Heimat beschäftigte Spieler berücksichtigt.
In vier Jahren unter Dunga fuhr die Selecao 42 Siege bei nur sechs Niederlagen in 60 Spielen ein, gewann die Copa America 2007 sowie den Confed Cup 2009 und wurde Erster der südamerikanischen WM-Qualifikation. Mit der Olympia-Mannschaft holte Dunga Bronze in Peking. Die erhoffte Hexa blieb jedoch ein unerfüllter Traum.