Christian Tiffert: "Ich werde nicht Taxifahrer"

Tim FrischePhilipp Dornhegge
26. November 201013:22
Christian Tiffert (l.) ist der Motor im FCK-Spiel. Dazu gelangen ihm ein Tor und vier VorlagenGetty
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Christian Tiffert ist die Schlüsselfigur bei Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern und einer der besten Spieler der laufenden Bundesligasaison. Im Interview mit SPOX spricht der 28-Jährige über seine Wiedergeburt im zentralen Mittelfeld, seine Wandlung zum seriösen Profi, den Betze-Mythos und die Sache mit der Sesamstraße.

SPOX: Herr Tiffert, wie finden Sie eigentlich Ihren Spitznamen "Tiffi"?

Christian Tiffert: Damit komme ich gut klar, ich hab den Namen ja schon lange und mich daran gewöhnt. In meiner Familie heißen schließlich alle so. Spitznamen sucht man sich in der Regel ja auch nicht aus...

SPOX: Sind Sie Fan der Sesamstraße?

Tiffert:(lacht) Nein, Fan davon bin ich nicht, auch wenn dort "Tiffy" mitspielt. Aber wenn meine Kinder das schauen wollen, dann werde ich gerne mitschauen.

SPOX: Sie haben eine zweijährige Tochter, vor kurzem ist noch ein Sohn dazu gekommen. Wie viel Schlaf bekommen Sie im Moment?

Tiffert: Wenig, aber es ist noch genug, um über die Runden zu kommen

SPOX: Bleibt neben Familie und Fußball noch Zeit für andere Dinge?

Tiffert: Ich will gar keine Zeit für andere Dinge. Der Fußball und die Familie füllen mich total aus.

SPOX: Sie sagen von sich selber, dass Sie abseits des Platzes sehr "gechilled" sind. Woher nehmen Sie dann die ganzen Emotionen und das Feuer, das man bei Ihnen in jedem Spiel auf dem Platz sieht?

Tiffert: Nun ja, wir spielen hier in einem Wettbewerb, da geht es Woche für Woche um Punkte. Die richtigen Emotionen können da sicherlich nicht schaden.

SPOX: Würden Sie sagen, dass Ihr Spiel von diesen Emotionen lebt?

Tiffert: Ich denke schon, ich brauche das. Wichtig ist aber, dass alles im Rahmen bleibt. Ich werde nie ausfällig, cholerisch oder so. Zudem hängt das natürlich immer auch vom Spielverlauf ab.

SPOX: Aus der NBA-Historie gibt es eine kleine Anekdote: Celtics-Legende Dave Cowens galt in den 70ern als einer der größten Kämpfer und war deshalb absoluter Publikumsliebling. Dann hat er geheiratet und Kinder gekriegt. Plötzlich war er viel zu entspannt für die NBA, hatte kein Feuer mehr und ließ sich beurlauben, um als Taxifahrer zu arbeiten. Was sagen Sie zu dieser Geschichte?

Tiffert: (lacht) Zunächst mal habe ich nicht vor, Taxifahrer zu werden. Ansonsten finde ich es gut, wenn Menschen die Dinge tun, nach denen ihnen ist und worauf sie wirklich Lust haben. Wenn er gemerkt hat, dass er kein Feuer mehr hat und lieber was anderes machen wollte, auch wenn dies sicherlich finanziell weniger einbringt, dann ziehe ich davor den Hut.

SPOX: Sie gehören in dieser Saison zu den notenbesten Bundesligaspielern. Was halten Sie von solchen Zahlen?

Tiffert: Damit beschäftige ich mich nicht. Das ist gar nicht böse gemeint gegen die Journalisten, die diese Noten erstellen. Aber ich bin lange genug im Geschäft und kann mich selbst einschätzen.

SPOX: Auf der zentralen Mittelfeldposition blühen Sie geradezu auf. Haben Sie Ihre ideale Position gefunden?

Tiffert: Ich würde sagen ja, auch wenn ich diese Position noch nicht so lange spiele. In der Bundesliga habe ich als Stürmer angefangen und dann meist Rechtsaußen gespielt. Aber ich weiß nicht, ob ich damals auch schon die Qualität für die zentrale Position hatte. Ich denke, auf dieser Position ist meine Erfahrung ein großer Vorteil.

SPOX: Ärgert es Sie, dass der VfB Stuttgart nicht erkannt hat, dass Sie auf dem Flügel weniger effektiv sind? Sie wurden von Armin Veh damals unter anderem aufgrund Ihrer Inkonstanz für verzichtbar erklärt.

Tiffert: Nein, das ärgert mich nicht. Jeder schätzt einen Spieler anders ein, und damals war ich auch noch nicht auf dem Stand von heute. Meistens läuft das doch so, dass man aus irgendeinem Grund auf einer Position eingesetzt wird und wenn man dann überzeugt, dann bleibt man dort. Damals kam keiner auf die Idee, mich zentral einzusetzen, auch weil wir auf dieser Position gute Leute hatten.

SPOX: Bastian Schweinsteiger ist in München selbst zum Trainer gegangen und hat gesagt: "Zentral bin ich besser." Hätten Sie das auch tun sollen?

Tiffert: Nein, damals wäre ich selbst nicht auf die Idee gekommen. Ich kann mich heute aber sehr gut selbst einschätzen.

SPOX: Empfinden Sie Ihren sportlichen Werdegang von Stuttgart über Salzburg und Duisburg nach Kaiserslautern als Rückschritt?

Tiffert: Ich empfinde das überhaupt nicht als Rückschritt, sonst würde ich jetzt ja nicht bei einem großen Verein in der Bundesliga spielen. Die Jahre in der zweiten Liga taten mir gut, ich habe zum Beispiel das Kämpfen gelernt und die Belohnung ist jetzt die Bundesliga mit dem FCK.

SPOX: Wie viel mehr wäre drin gewesen? Jugendnationalspieler waren Sie ja. Was hat gefehlt?

Tiffert: Ich trauere dieser Sache nicht nach. Man kann auch glücklich sein und eine gute Karriere machen ohne Länderspiele. Ich bin sehr zufrieden, wie es gelaufen ist.

SPOX: Als Sie nach Stuttgart kamen, galten Sie noch als "Luftikus". Wie viel hat Ihre Wandlung zum "seriösen Profi" mit Ihrem aktuellen Erfolg zu tun?

Tiffert: Ich bin sicher mehr Profi als früher. Ich habe im Laufe der Karriere, vor allem während meiner Zeit in Österreich, gelernt, ruhiger zu werden. Dies hat mir auch als Fußballer sicherlich nicht geschadet.

SPOX: Und wie viel haben Ihre Kinder mit Ihrer Wandlung zum seriösen Profi zu tun?

Tiffert: Das hat natürlich ganz gut gepasst und mich natürlich verändert. Durch die Kinder bin ich in eine andere Rolle gewechselt, die mir aber ebenso Spaß macht.

SPOX: Warum haben Sie sich im Sommer für den 1. FC Kaiserslautern entschieden?

Tiffert: Die Entscheidung ist mir leicht gefallen. Zum einen ist der 1. FC Kaiserslautern noch immer ein großer Name im deutschen Fußball. Ein Verein mit einer großen Tradition. Zum anderen habe ich geglaubt, dass dieses Umfeld, diese Fans, dieses Stadion, die Atmosphäre und Leidenschaft gut zu mir und meinem Spiel passt. Und ich stelle fest, dass ich recht hatte.

SPOX: Wie würden Sie den Mythos Betzenberg beschreiben?

Tiffert: Am besten hat man das jetzt wieder beim Spiel gegen Stuttgart gesehen, als wir ein 0:3 noch umgebogen haben. Es ist diese besondere Atmosphäre, dieses heißblütige Publikum, das empfänglich ist für kleine Gesten, das den Einsatz würdigt. Die Fans hier haben ein tolles Gespür, wie sie der Mannschaft helfen können. Der Funke springt von den Tribünen aufs Feld und wieder zurück.

SPOX: Obwohl Sie neu waren, haben Sie beim FCK von Anfang an Verantwortung übernommen. Warum haben Sie sich so schnell ins Team eingefügt?

Tiffert: Ich bin eher ein entspannter und selbständiger Typ, ich schaue mir erst mal alles in Ruhe an. Dazu mache ich es anderen leicht, mit mir zu Recht zu kommen, und umgekehrt hab ich es dann auch sehr leicht. Die Rolle innerhalb eines Teams ergibt sich automatisch.

SPOX: Sie haben bisher jedes Spiel gemacht, offenbar hat der Trainer großes Vertrauen in Sie. Wie würden Sie Marco Kurz beschreiben?

Tiffert: Ich komme sehr gut mit ihm klar. Ich hatte zu jedem Trainer ein gutes Verhältnis und bin auch keiner, der es braucht, dass der Trainer besonders mit ihm umgeht. Und da ich mich selbst schon nicht beschreibe, mache ich das auch nicht bei anderen.

SPOX: Die bisherige Saison des FCK gleicht einer Achterbahnfahrt: Super Start, tiefe Krise, jetzt geht's wieder bergauf. Würden Sie sagen, dass der Verein jetzt erst richtig in der Bundesliga angekommen ist?

Tiffert: Man darf nicht vergessen: Wir sind ein Aufsteiger. Und wir haben eine sehr junge Mannschaft, für viele waren das die ersten Spiele in der Bundesliga. Wir haben ja auch in vielen Spielen die wir verloren haben, schon eine gute Leistung gezeigt. Ich denke, in spielerischer Hinsicht und auch vom Einsatz her sind wir seit Beginn der Saison angekommen.

SPOX: Als Konsequenz Ihres Wechsels wohnen Sie jetzt zum ersten Mal auf dem Land. Wie ist das für Sie?

Tiffert: (lacht) Schön, ich habe zwei Kinder und die freuen sich. Ich habe bisher immer in der Stadt gelebt, ich brauch das jetzt nicht mehr. Ich fühle mich hier sehr wohl.

FCK weiter in finanzieller Schieflage