Hertha BSC sehnt nach zwei turbulenten Jahren Ruhe und Stabilität herbei. Der verpatzte Saisonstart trübt nach der guten Vorbereitung die Stimmung. Olympiasieger Matheus Cunha bleibt ein Verkaufskandidat.
Beim Gedanken an die Standpauke für Matheus Cunha verfinsterte sich Pal Dardais Miene. "Ich habe mit ihm geredet. Ich glaube, das war nicht nett, sondern ehrlich", sagte der Trainer von Hertha BSC. Seit jeher pendelt der brasilianische Offensivkünstler in Berlin zwischen Genialität und Lustlosigkeit - und überschritt bei der Niederlage zum Saisonauftakt in Köln eine Grenze seines Coaches.
Cunhas "Spaziergangmodus" in der Rückwärtsbewegung passte dem einstigen Mittelfeld-Arbeiter Dardai ganz und gar nicht. Den Startelfeinsatz Cunhas im "ICE-Derby" gegen den VfL Wolfsburg am Samstag (15.30 Uhr) ließ der Ungar offen. So oder so - die Debatte über die Zukunft des 22 Jahre alten Olympiasiegers ist längst in vollem Gange. Ein Abschied vor dem Ende der Transferperiode zeichnet sich ab.
Cunha sei ein Spieler, der "natürlich Begehrlichkeiten weckt. Im Fußball geht es manchmal schnell. Manchmal kommt ein Stein ins Rollen, dann muss man reagieren und entscheiden, was wir machen", sagte Sportdirektor Arne Friedrich am Donnerstag.
Atletico offenbar an Cunha interessiert
Atletico Madrid gilt als Interessent. Medienberichten zufolge bereitet der spanische Meister ein 30-Millionen-Euro-Angebot vor. "Es gibt viele Gerüchte, es wird viel geschrieben. Fakt ist, dass Matheus Cunha ein Spieler ist, der bei uns vier Jahre unter Vertrag steht", sagte Friedrich. Man habe nichts vorliegen, "wo wir sagen, dass wir Entscheidungen treffen müssen."
Erleichtern dürften eine Einigung die zu erwartenden stattlichen Einnahmen. Es geht um viel Geld, das Hertha BSC gut gebrauchen kann - trotz der jüngsten Finanzspritze von Investor Lars Windhorst. Am Dienstag hatte der Klub den Eingang der letzten vereinbarten Tranche in Höhe von 30 Millionen durch Windhorsts Tennor Holding bestätigt.
Zu einem Großangriff auf dem Transfermarkt soll es deshalb aber nicht kommen. "Wir werden das Geld klug im Verein einsetzen, aber von diesem Geld wird kaum etwas in Neuzugänge fließen", sagte Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic der Sport Bild. Belastend wirkten sich zudem die Folgen der Coronakrise aus, die Verluste "liegen im mittleren zweistelligen Millionenbereich", so Bobic: "Die Zeiten für Risiko sind erst mal vorbei."
Ruhe, Stabilität und kontinuierliches Wachstum - so lautet das kurz- und mittelfristige Ziel der Hertha nach zwei turbulenten Jahren zwischen Klinsmann-Posse und Abstiegskampf. Die Aufbruchstimmung erhielt nach der gelungenen Vorbereitung in Köln zwar einen Dämpfer. Mit einem Sieg gegen Champions-League-Starter Wolfsburg wäre Berlin aber wieder im Soll - mit oder ohne Matheus Cunha.