Daniel Caligiuri ist trotz vieler großer Namen beim VfL Wolfsburg unumstrittener Stammspieler. Im Interview spricht er über seinen hart erarbeiteten Aufstieg, seinen persönlichen Traum im Old Trafford und ein klares Saisonziel der Wölfe. Außerdem lässt er sich nicht mit Aubameyang vergleichen, dafür bedauert er Bas Dosts schlaflose Nächte. Und: Wie sieht's denn nun in Sachen Nationalmannschaft aus?
SPOX: Herr Caligiuri, bis vor einigen Monaten teilten Sie sich bei Reisen und in Trainingslagern noch ein Zimmer mit Bas Dost. Dann haben Sie Ihn sozusagen rausgelabert?
Daniel Caligiuri: Ja, das stimmt schon. (lacht) Wenngleich die Geschichte in den Medien größer gemacht wurde, als sie eigentlich war. Dass ich im Schlaf gelegentlich ein bisschen erzähle, hat auch meine Freundin bereits bestätigt. Bas konnte dadurch wohl nicht so ruhig schlafen, sodass er sich ein Einzelzimmer genommen hat. Unser Verhältnis hat deshalb aber nicht gelitten.
SPOX: Hat er denn mal konkret erzählt, was Sie nachts so gesprochen haben?
Caligiuri: Er hat wohl versucht, es zu verstehen, was aber nicht so einfach war. Dafür habe ich zu viel genuschelt. Ich glaube nicht, dass er in den Geräuschen wirklich Worte ausmachen konnte - zumindest keine sinnvollen.
SPOX: Abseits des Platzes sind mit dem Rapper Gabaz befreundet. In einem seiner neuesten Titel, in dem Sie auch vorkommen, heißt es unter anderem: "Die Zeit rennt, Kleiner. Sie sagten: 'Dich kennt keiner.' Du wirst von einem Noname zum Headliner." Sehen Sie auch Ihre Karriere sich darin wiederspiegeln?
Caligiuri: Der Song gibt in jedem Fall viel her und gefällt mir gut. Inwiefern er auf mich abbildbar ist, vermag ich nicht zu sagen. Sicherlich macht man sich bei der einen oder anderen Strophe auch mal Gedanken, wenn man einen Bezug dazu hat. In meinem Fall kann man es aber wohl weniger auf die Jugend als auf die ersten Jahre bei den Profis beziehen.
SPOX: Inwiefern?
Caligiuri: Als Jugendspieler habe ich mir noch nicht sehr viele Gedanken darüber gemacht, wo ich gerade stand oder wie ich im Vergleich mit anderen bewertet wurde. Jetzt, da ich meinen Platz im Profi-Team einer Bundesliga-Mannschaft gefunden habe, denke ich eher mal darüber nach, wie ich es hierhin geschafft habe.
SPOX: An was genau denken Sie dann zurück?
Caligiuri: Natürlich gab es Phasen, in denen viel über andere gesprochen wurde. Und man selbst wurde vielleicht erst an dritter oder vierter Stelle genannt. Das ist vor allem dann schwer, wenn man immer alles versucht hat und vollen Einsatz zeigt.
SPOX: Welche Rolle hat Ihr älterer Bruder Marco, der selbst Profi ist, in dieser Thematik gespielt?
Caligiuri: Auf jeden Fall eine sehr große. Ich war so gut wie bei all seinen Spielen, als er Profi wurde. Ich wollte immer in Marcos Fußstapfen treten und den gleichen Weg gehen. Er hat mich immer wieder gepusht, wenn es bei mir nicht so gut lief, was mir natürlich sehr geholfen hat. Umso glücklicher bin ich, dass ich diesen Weg ein paar Jahre später tatsächlich einschlagen konnte und heute beim VfL spiele.
SPOX: Und dennoch müssen Sie sich weiterhin Tag für Tag beweisen.
Caligiuri: Genau so ist es, der Konkurrenzkampf in so einem Top-Klub ist riesig. Gerade deshalb bin ich glücklich, dass ich es so weit geschafft habe und heute selbst ein Wörtchen mitreden kann. Ich habe mich vor allem deshalb so gut entwickelt, weil die Qualität auf unseren Außenbahnen in den letzten Jahren immer sehr hoch war - und durch die Neuen wie Kevin de Bruyne oder jetzt Andre Schürrle und Julian Draxler immer höher wurde.
SPOX: Auf dem Papier standen Sie ein bisschen im Schatten dieser großen Namen. Auf dem Platz gehörten Sie statistisch aber oft zu den besten VfL-Spielern - und hatten entsprechend Einsatzzeiten. Haben Sie die Transfers noch mehr angetrieben?
Caligiuri: Jeder neue Nationalspieler, der zu uns stößt, ist für mich auch ein Reiz. Wenn Spieler mit großen Fähigkeiten kommen, ist das für mich ein Ansporn, mich weiter zu verbessern und an meinen Schwächen zu arbeiten. Wichtig war, dass ich bei mir geblieben bin und nicht auf die anderen geschaut habe. Ich habe immer versucht, bei aller Konkurrenz mit Spaß an die Sache heranzugehen. Dadurch konnte ich den Trainer überzeugen und er hat mir durch Einsätze viel Selbstvertrauen zurückgegeben.
SPOX: Gerade in dieser Saison ist es aber scheinbar nicht allen VfL-Spielern so einfach wie Ihnen gefallen, den Schalter wieder umzulegen. Nach der erfolgreichen letzten Spielzeit schaffen Sie es in dieser Saison nicht, die Bayern und den BVB unter Druck zu setzen. Woran liegt das?
Caligiuri: Es ist immer schwer, so ein Jahr wie das letzte zu bestätigen - für jeden Einzelnen. Das Problem war, dass gerade zu Beginn der Saison jeder vielleicht ein bisschen sein eigenes Ding gemacht hat und wir dadurch unsere Kompaktheit verloren haben. Das müssen wir in der Rückrunde dauerhaft abstellen.
SPOX: Wo sehen Sie das Team im Vergleich mit der Bundesliga-Konkurrenz?
Caligiuri: Wir haben eine überragende Qualität in unseren Reihen und wenn wir alles abrufen, was wir können, sehe ich uns auf jeden Fall unter den ersten drei. Wir hatten eine sehr gute Rückrunden-Vorbereitung und jeder weiß, was zu tun ist. Das Ziel ist klar: Wir wollen wieder in die Champions League und dafür werden wir alles tun.
SPOX: Nutzen Sie die Möglichkeit gerne für eine Kampfansage in Richtung BVB - vielleicht so, wie Pierre-Emerick Aubameyang, der zuletzt sicher war, dass die Bayern nicht Meister werden.
Caligiuri: (lacht) Nein, nein. So ein Typ bin ich nicht. Ich bleibe lieber auf dem Boden. Das steht unserem Team auch besser zu Gesicht.
SPOX: Vor dem Trainingslager in Lagos haben es einige Spieler dennoch versäumt, die individuellen Trainingspläne einzuhalten. Auch wenn es kein großes Problem darstellte: Ist das sinnbildlich für die zwei, drei Prozent, die im Vergleich zur letzten Saison aktuell vielleicht noch fehlen?
Caligiuri: Das kann man nicht auf das gesamte Team beziehen. Die Spieler, die diese Pläne nicht komplett erfüllt haben, wissen selbst Bescheid und haben im Trainingslager gezeigt, dass sie gewillt sind, die Arbeit nachzuholen. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass alle Vollgas gegeben haben, um sich für die Rückrunde anzubieten.
SPOX: War der Aufbruch ins Trainingslager für viele aber auch noch einmal mit einer besonderen Erinnerung an Junior Malanda verbunden? Sie selbst haben am Jahrestag seines Todes auch ein Gedenkbild auf Facebook gepostet.
Caligiuri: Das war auf jeden Fall ein sehr emotionaler Tag. Junior ist und bleibt für immer in unseren Herzen und das haben wir auch noch einmal zum Ausdruck bringen wollen. Zu Ehren von Junior haben wir eine Gedenkminute abgehalten, in der jeder für einen Moment in sich gehen konnte. In dem Augenblick spielen alle Gefühle des letzten Jahres noch einmal mit. Das ist auch gut, um so einen tragischen Fall zu verarbeiten. Trotzdem geht es auch für uns immer weiter. Uns stehen noch viele Aufgaben bevor.
SPOX: Sie sind 28, es ist Ihre erste Champions-League-Saison. Sind diese Spiele vom Gefühl und der Aufregung her noch einmal ganz anders oder sind Sie mittlerweile aus dem Alter raus, in dem man wegen einem Fußballspiel noch nervös wird?
Caligiuri: Kann man jemals aus diesem Alter raus sein? (lacht) Die Champions League ist die größte Bühne in Europa. Jeder Spieler hat den Traum, einmal dort spielen zu dürfen. Ich hatte im ersten Spiel auch schon Gänsehaut.
SPOX: Wie war es dann erst, als Sie Ihr erstes Champions-League-Tor ausgerechnet im Old Trafford erzielten?
Caligiuri: Das war unbeschreiblich. Aber es bleibt nun immer Teil meiner Geschichte.
SPOX: Im Achtelfinale treffen Sie mit dem VfL auf Gent. Sie sind klarer Favorit, oder?
Caligiuri: Ich muss zugeben, dass ich Gent bisher noch nicht wirklich habe spielen sehen. Sie sind aber nicht ohne Grund in die K.o.-Phase eingezogen, sodass es sicher zwei spannende Spiele werden. Trotzdem haben wir gute Chancen, eine Runde weiterzukommen.
SPOX: Und dann?
Caligiuri: Sollte uns das gelingen, muss man schauen, wie weit die Reise geht. Leverkusen hat beispielsweise auch gezeigt, dass man selbst gegen Barcelona etwas holen kann. Es kommt immer auf die Tagesform an. Wir wollen auf alle Fälle solange wie möglich dabei bleiben - und auch in den nächsten Jahren weiterhin gegen diese Top-Teams antreten.
SPOX: Das klingt, als planen Sie bereits über Ihren Vertrag hinaus. Der läuft aktuell bis 2017. Gibt es denn schon Gespräche in diese Richtung?
Caligiuri: Nein, bis jetzt noch nicht. Darüber mache ich mir aber keine großen Gedanken. Wenn ich meine Leistung weiter bringe, wird man sicher auf mich zukommen.
SPOX: Ihre persönliche Tendenz ist also klar?
Caligiuri: Ich fühle mich zusammen mit meiner Freundin pudelwohl in Wolfsburg. Es ist ein super Verein mit tollen Fans und auch das Umfeld passt perfekt.
SPOX: Dann können Sie ja jetzt das Thema Nationalmannschaft in Angriff nehmen. Immerhin haben Sie eine doppelte Chance.
Caligiuri: Wenn ich für eine Nationalmannschaft auflaufen könnte, wäre ich glücklich - egal, welche das ist.
SPOX: Aber fühlen Sie sich eher deutsch oder italienisch?
Caligiuri: Beides gleichermaßen. Wenn es soweit ist, mache ich mir noch einmal Gedanken.
SPOX: Sie standen schon einmal kurz davor, für Italien aufzulaufen. Antonio Conte hat Sie im vergangenen Mai ins Trainingslager eingeladen. Wieso reichte es nicht für den endgültigen Kader?
Caligiuri: Das kann ich Ihnen leider auch nicht beantworten, weil ich nach meiner Abreise nichts mehr vom Trainer oder Verband gehört habe. Es wurden nur die Spieler angerufen, die später auch bei den Länderspielen dabei waren. Einen Grund habe ich nicht erfahren.
SPOX: Wie groß war die Enttäuschung darüber, dass Sie nicht wenigstens eine persönliche Absage erhielten?
Caligiuri: Gerade nach so einem Jahr mit dem Pokalsieg und der Vizemeisterschaft, zu dem ich auch einen kleinen Teil beigetragen habe, war ich natürlich auch enttäuscht. Der Reiz, noch einmal eingeladen zu werden, ist jetzt aber umso größer.
SPOX: Theoretisch dürften Sie ja auch noch für den DFB spielen.
Caligiuri: Das stimmt, aber ich möchte nicht anfangen, zu spekulieren. Damit darf man sich nicht verrückt machen. Ich werde einfach weiter alles geben - vielleicht komme ich meinem Traum dadurch doch noch einmal näher.
SPOX: Machen Sie sich manchmal Gedanken, warum andere Spieler, die im Verein vielleicht sogar auf deutlich weniger Spielzeit kommen als Sie, regelmäßig beim DFB dabei sind, Sie selbst aber noch nie eingeladen wurden?
Caligiuri: Natürlich bemerkt man das. Es bleibt mir aber nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren. Das sind die Entscheidungen der Nationaltrainer. Ich gebe weiter alles, um vielleicht dann beim nächsten Mal dabei zu sein.
Daniel Caligiuri im Steckbrief