Löw: "Die Form der Kritik ermüdet mich"

SPOX
13. August 201215:03
Joachim Löw spricht erstmals nach dem EM-Aus auf einer PressekonferenzGetty
Werbung

Bei der ersten Pressekonferenz nach dem EM-Aus gegen Italien schießt der Bundestrainer teilweise scharf gegen die Art und Weise der Kritik an ihm und seiner Mannschaft. Löw verteidigt die Taktik aus dem Italien-Spiel, räumt aber auch Fehler ein.

46 Tage nach dem enttäuschenden EM-Aus gegen Italien hat Joachim Löw gnadenlos mit den Kritikern der deutschen Fußball-Nationalmannschaft abgerechnet und betont, dass er den in den vergangenen Jahren eingeschlagenen Weg kompromisslos fortsetzen werde. "Teilweise habe ich die Kritik als nicht zielführend und ermüdend empfunden", echauffierte sich der Bundestrainer in einem rund 20-minütigen Monolog am Montag in Frankfurt/Main.

Löw wirkte aufgebracht, erhob immer wieder die Stimme und versuchte seinen Worten stellenweise mit entschlossenen Gesten Nachdruck zu verleihen. Besonders drei Vorwürfe hatten den 52-Jährigen nach dem 1:2 im Halbfinale gegen Italien verstimmt: Seiner Mannschaft fehle es an Leitwölfen; der Verzicht einiger Spieler auf das Mitsingen der Hymne lasse auf eine mangelnde Identifikation mit dem DFB-Team schließen; und sein Team sei insgesamt zu verwöhnt.

SPOXspox

"Diese Diskussion will ich nicht mehr führen. Wir haben keine flachen Hierarchien, sondern klare Strukturen", konterte Löw den ersten Kritikpunkt. Kapitän Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Miroslav Klose bezeichnete er explizit als Spieler, "die gezeigt haben, dass sie in der Lage sind, eine Mannschaft zu führen."

Mitsingen kein "Beleg für Qualität und Willen"

Einmal in Rage nahm sich Löw zwei Tage vor dem Testspiel gegen Argentinien (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) dann Diskussionen um eine "Singpflicht" bei der Hymne vor - eine Debatte, die vor allem von DFB-Ehrenpräsident Gerhard Mayer-Vorfelder entfacht worden war.

Der Bundestrainer betonte, dass er es "akzeptiere und respektiere", wenn Spieler mit Migrationshintergrund auf ein Mitsingen verzichteten. "Beim DFB gibt es keine Hymnenpflicht", sagte Löw: "Ich finde es fatal, wenn man den Spielern unterschwellig gar den Vorwurf macht, dass sie keine guten Deutschen seien. Die Hymne zu singen, ist wunderschön. Aber das ist kein Beleg für Qualität und Willen der Mannschaft."

Bei allem Zorn über die aus Löws Sicht polemischen Vorwürfe, blieb der Bundestrainer bei der Kritik am bitteren sportlichen Ende der EM vergleichsweise nüchtern und gelassen. "Ich hatte einen klaren strategischen Plan, von dem ich zu 100 Prozent überzeugt war", sagte der Coach im Rückblick auf das Spiel gegen Italien, vor dem er seine Startformation auf drei Positionen verändert und defensiver als zuvor ausgerichtet hatte: "Ich stehe zu dieser Entscheidung und übernehme die Verantwortung dafür, dass es nicht geklappt hat."

Nachdem die ersten Aspekte der EM aufgearbeitet worden sind, will das DFB-Trainerteam die Analyse in den kommenden Wochen und Monaten fortsetzen. Neben der Erkenntnis, dass die Vorbereitungszeit für das gesamte Team zu kurz gewesen sei, blieb bisher vor allem eines haften: "Wir befinden uns in der Weltklasse, aber es ist noch ein kleiner Schritt bis in die Weltspitze", so Löw: "Bei Spanien greifen die Automatismen bis zur Perfektion. Das ist bei uns noch nicht so." Zudem habe es bei der EM an Chancenverwertung und der Umsetzung des Pressings gehapert.

Löw: "Unser Weg stimmt"

An diesen Defiziten gelte es von nun an bis zur WM 2014 in Brasilien zu arbeiten; die Voraussetzung für eine erfolgreiche Fortführung der Arbeit sei gegeben. "Unser Weg stimmt. Es gibt keinen Grund von unserem Konzept abzuweichen", sagte Löw: "Wir werden unseren roten Faden beibehalten - mit aller Flexibilität und kleinen Veränderungen."

Eine erste Neuerung gibt es schon am Mittwoch im Tor zu beobachten. Tim Wiese war von Löw nicht mehr berücksichtigt worden. Nach dem Ausfall von Manuel Neuer ließ der Bundestrainer offen, ob er Ron-Robert Zieler oder dem nachnominierten Marc-Andre ter Stegen gegen Argentinien das Vertrauen schenken werde.

Das Rennen um den Platz hinter Neuer scheint offen. Auch Bernd Leno und Oliver Baumann könnten in den kommenden Monaten ihre Chance bekommen. Während im Tor also eine Verjüngung ansteht, bleibt im Sturm alles beim alten - im doppelten Sinne. Löw will bis 2014 am 34-jährigen Miroslav Klose festhalten. "Bei ihm sehe ich die Altersgrenze nicht", sagte Löw und war am Ende doch wieder ganz ruhig. Er hatte sich genug Luft verschafft.

Seite 2: Der PK-Ticker zum Nachlesen

13.13 Uhr: Das war's. Der Bundestrainer hat sich einiges von der Seele gesprochen. Zum Teil auch mit deutlichen Worten.

13.12 Uhr: Und nochmal die Memmen-Problematik und Marco Reus: "Ich habe mit den Spielern über sportliche Dinge gesprochen und nicht darüber. Die Spieler wissen, wie vorher über sie berichtet wurde. Sie haben ihre eigene Meinung darüber. Wenn ein Spieler wie Thomas Müller heult, ist das Zeichen genug für dessen Ehrgeiz. Marco Reus hat sich bei der EM mit seiner Spielweise in den Vordergrund gespielt. Rein fußballerisch gesehen kann er die nächsten zwei Jahre einen großen Sprung machen. Die jungen Spieler wie er oder Mario Götze werden in Zukunft mehr in den Fokus rücken."

13.09 Uhr: Und nochmal Hymnensingen: "Ich habe mit einzelnen Spielern in den letzten Jahren gesprochen und kenne ihre tiefsten Beweggründe und die Art, wie sie sich auf eine Spiel vorbereiten. Die werde ich akzeptieren. Beim DFB gibt es keine Hymnenpflicht. Ich muss der Mannschaft in dieser Richtung nichts sagen."

13.07 Uhr: Hat die Kritik Auswirkungen auf WM-Quali? "Den Wunsch nach einem Titel konnte man greifen in den Monaten davor. Wir haben in den letzten zwei, drei Jahren in vielen Bereichen große Schritte nach vorne gemacht. Davon bin ich überzeugt. Wir sind spielerisch auf einem sehr hohen Level. Ich erkenne auch absolut, dass wir noch kleine Fehler machen. Daran müssen wir arbeiten. Wir sind noch nicht an der Perfektion wie z.B. Spanien. Die Sehnsucht nach einem Titel ist doch logisch."

13.06 Uhr: Nochmal zur Taktik gegen Italien: "Wir wollten mit Özil und Kroos in der Mitte Übergewicht schaffen, und Pirlo und De Rossi dort schneller und früher attackieren. Vielleicht wäre im Nachhinein eine andere Lösung besser gewesen. Das kann man danach immer sagen. Aber nach meinen Erkenntnissen aus dem Training habe ich diese Entscheidung getroffen."

13.04 Uhr: Wer steht gegen Argentinien im Tor? "Das lassen wir noch offen. Die jüngeren Torhüter wollen wir enger an uns ranziehen. Wir wollen sie in den Trainingseinheiten dabei haben. Es kann sein, dass im September auch der eine oder andere junge Torhüter dabei sein wird. Und wir wollen die Frage beantworten: Wer rückt hinter Manuel Neuer an die zweite Stelle?"

13.01 Uhr: Das Festhalten an Schweinsteiger bei der EM: "Ich habe mit ihm öfter gesprochen während des Turniers. Basti war, auch wenn er nicht in der Fiorm von 2010 war, ein wichtiger Führungsspieler in dieser Mannschaft. Ich habe immer gespürt, dass er wahnsinnig ehrgeizig war und ins Finale wollte. Nach Aussage der Ärzte war seine Verletzung nicht hinderlich. Er war in den einzelnen Spielen wichtig. Basti ist auch mit einer durchschnittlichen Leistung wichtig für unsere Mannschaft. Ich habe das Festhalten an ihm nicht bereut."

12.59 Uhr: Die Stürmernominierung: "Es hängt davon ab, wie z.B. Cacaus Leistungen sind. Ich schreibe ihn nicht grundsätzlich ab. Je nach Situation kann es sein, dass man auf ihn zurückgreifen wird. Bei Miro Klose sehe ich die Altersgrenze nicht. Wenn er einen Rhythmus hat, zählt er zu den weltbesten Stürmern. Ich werde auf ihn zählen."

12.57 Uhr: Die Erkenntnisse vom Argentinien-Spiel: "Die Vorfreude ist jetzt wieder groß zur neuen Saison. Ich freue mich auf die Aufgaben im September und Oktober mit den Quali-Spielen. Ich hoffe, dass einige junge Spieler sich gegen einen Gegner wie Messi und Co. beweisen. Das ist auch wichtig für den Werdegang junger Spieler."

12.55 Uhr: Kritik aus der Mannschaft an Italien-Taktik: "Ich habe mit Mats Hummels darüber noch nicht gesprochen. Wir wollten das Tempo nicht verschleppen. Wir mussten uns umstellen, weil der Gegner uns nicht mehr die Freiräume gibt. Das war bei der EM klar zu ersehen, auch bei spielstarken Mannschaften. Da wird das Spiel zwangsläufig kontrollierter. Es musste angepasst werden, ganz klar. Wir wollen keine Zeit vergeuden im Spiel, um zum Abschluss zu kommen."

12.54 Uhr: Betroffen wegen der Kritik? "Was mich gestört hat und was ich leid bin: Wenn man das, was vorher alles gut war, als Beleg nimmt, warum es nicht klappt. Das trifft mich. Sportliche Kritik keineswegs. Die habe ich anzunehmen."

12.53 Uhr: Zur Memmen-Debatte: "Dazu habe ich schon genug gesagt. Ich werde die EM mit der Mannschaft aufarbeiten, das eine oder ander Thema ansprechen. Mit einigen habe ich auch schon telefoniert. Jetzt wird die EM noch nicht vollumfänglich aufgearbeitet. Eher im September."

12.52 Uhr: "Wir werden das Spiel am Mittwoch seriös angehen. Man muss schauen, wie der Zustand einiger Spieler ist. Wir werden versuchen, das Spiel zu dominieren, so, lange die Kräfte reichen. Wir werden das Wechselkontingent bei entsprechendem Spielverlauf auch ausnutzen."

12.50 Uhr: Zu Tim Wiese: "Zum einen ist Andi Köpke in allen sportlichen Fragen für die Torhüter der erste Ansprechpartner. Bei Tim Wiese hat niemand gesagt, dass es ein Ausschluss ist für alle Zeiten. Das ist es nicht! Wir haben uns für Manuel Neuer als Nummer eins entschieden. Für die Qualifikation wollen wir die jungen Torhüter nachziehen und beurteilen. Wir wissen, dass wir immer, wenn es notwendig ist, auf ihn zurückgreifen können. Wann und wo wir das machen, ist unsere Entscheidung. Niemand anders kann das bestimmen! Ich empfinde es als eine Respektlosiogkeit von Markus Babbel, wenn er solche Dinge von sich gibt."

12.48 Uhr: Zum Argentinien-Spiel: "Manuel Neuer musste gestern absagen, Marc ter Stegen wurde nachnominiert. Schweinsteiger und Gomez sind verletzt, mit Mertesacker und Podolski habe ich in Absprache mit dem Trainer vereinbart, dass sie in London bleiben können. Da beginnt am Wochenende die Saison, sie kämpfen um ihre Stammplätze. Das ist auch für uns wichtig, dass sie dort Stammspieler werden."

12.46 Uhr: Und weiter: "Dazu kommen individuelle Fehler, die uns immer begleitet haben in entscheidenden Spielen. Unsere rein physische Leistung war gut, wir sind mehr gelaufen als in Südafrika."

12.44 Uhr: "Der Grund waren zu wenige Trainingseinheiten und vielleicht auch eine grundsätzliche Trainingsarbeit: Wenn man den Ball nicht hat, kann man sich ausruhen, hieß es früher. Die Spanier ruhen sich mittlerweile eher aus, wenn sie den Ball haben. So gut und sicher sind die da schon. Da haben wir Nachholbedarf, da müssen wir in den kommenden Jahren arbeiten."

12.42 Uhr: Aber wir haben mehere gute Spieler und wir müssen auch in Zukunft situativ entschreiden, wer in welchem Spiel zum EInatz kommt. Einige Zahlen sprechen aber für uns: Wir hatten mehr Torchancen und -abschlüsse als in Südafrika, hatten viel mehr Ballbesitz und haben weniger Torchancen zugelassen. Wir waren aber nicht gut in der Chancenauswertung, die war schlecht. Wir haben neun Chancen für ein Tor gebraucht, in SÜdafrika waren es fünf. Wir waren nicht gut, den Ball früh und hoch zu attackieren. Das ist uns nicht gelungen.

12.39 Uhr: Zum Italien-Spiel: "Ich hatte einen klaren strategischen Plan, von dem ich 100 Prozent überzeugt war und den auch 100 Prozent durchgezogen habe. Ich übernehme deshalb die volle Verantwortung. Ich war mir der Gefahren bewusst. Der Vorwurf, wir hätten uns nur nach Italien gerichtet, stimmt schon mal gar nicht. Wir haben 15 oder 20 Prozent auf den Gegner verwendet. Wir haben selbstverständlich versucht, unser Spiel durchzubringen. Das muss man aber ganz klar sagen, das haben wir nicht geschafft. Aber, was wir nicht gemacht haben: Wir haben nicht mit unseren eigenen Waffen gekämpft und unseren Rhythmus durchgedrückt. Das sind die Dinge, die wir ansprechen und analysieren müssen."

12.37 Uhr: Die Spieler seien verwöhnt? "Wir erwarten Spitzenleistungen von unseren Spielern. Wir im Team drumherum müssen unsere Arbeit verrichten, damit unsere Spieler ihre Leistungen abrufen können. Auch die Spanier kochen mit einem eigenen Koch, fahren nicht immer mit dem Bus... Wir haben alles dafür getan, um erfolgreich zu sein."

12.35 Uhr: "Spieler, die die Hymne nicht singen, würden sich nicht identifizieren? Der Vorwurf, dass sie sich deshalb nicht als Deutschen fühlten, ist für mich nicht nachvollziehbar. Was ich fatal finde: Der unterschwellige Vorwurf, dass sie keine guten Deutschen sind. Das finde ich schlecht. Die Identifikation mit Deutschland ist trotzdem da. Das haben sie häufig genug bewiesen. Die Nationalhymne mitzusingen ist schön. Das ist aber noch lange kein Beleg für die Qualität und den Willen, für Deutschland zu spielen."

12.33 Uhr: "Die sportliche Kritik nehme ich an, auch mit Demut. Aber Teile dieser Kritik halte ich nicht für zielführend und sie ermüden mich. Die Leitwolfdiskussion zum Beispiel. Mit diesen Spielern und dieser Form haben wir in den letzten beiden Jahren fast alles gewonnen. Andere Mannschaften mit ihren klassischen Führungsspielern sind lange vor uns nach Hause gefahren. Wir haben eine klare Struktur und Führungsspieler, die ihre Meinung sagen. Sie glauben ja wohl auch nicht, dass Millionen von Leuten vor den Fernsehern sitzen oder zum Public Viewing gehen würden, wenn da keine Siegertypen auflaufen würden."

12.32 Uhr: "Es gibt keinen Grund für uns, von diesem Konzept abzuweichen. Wir werden den roten Faden beibehalten, trotzdem aber flexibel bleiben und einige kleinere Änderungen vornehmen."

12.30 Uhr: "Die Niederlage gegen Italien war schmerzhaft. Wir waren deshalb dazu verpflichtet, Fehler zu erkennen und Lösungen für die nächsten zwei Jahre zu finden. Fakt und grundsätzlich ist auf jeden Fall eines: Unser Weg, den wir vor einigen Jahren eingescghlagen haben, der stimmt. Wir werden absolut an unserem Konzept festhalten!"

12.29 Uhr: Löw beginnt: "Ich wollte mir die Wochen nehmen, um eine umfassende Analyse der EM zu bekommen. Unsere Vorbereitungszeit war zu knapp. Wir konnten einige Dinge nicht trainieren, weil uns schlicht die Zeit dafür gefehlt hat. Wir mussten zu Beginn feststellen, dass einige Dinge nicht vorbereitet werden konnten."

12.28 Uhr: Und los geht's!

Löw legt EM-Analyse vor: "Überzeugend!"