Jungs aus Frankfurt-Bonames, Göppingen und München prägen das US-Team. Das Duell mit Deutschland am letzten Gruppenspieltag bietet einige spannende Facetten. Darunter einen Torhüter mit Tourette-Syndrom, Mertesackers Antipode, den Nachfolger von Alexis Lallas und den amerikanischen Müller.
spoxTorhüter: Neuer vs. Howard
Mit Manuel Neuer hat Deutschland einen der weltbesten Torhüter im Kader. Gegen Ghana wirkte auch er in der Schlussphase etwas wild, als ihm ein Abwurf missglückte, er den Fauxpas aber noch reparieren konnte. Macht nach seiner Verletzungspause aber einen stabilen und sicheren Eindruck, auch wenn er sich beim zweiten Treffer der Ghanaer vielleicht ein bisschen anders positionieren hätte können.
Auch Tim Howard ist ein Keeper von internationalem Format und strahlt mit seinen 35 Jahren Ruhe und Erfahrung aus, auch wenn er seit seiner Kindheit am Tourette-Syndrom leidet. Zeigte gegen Ghana am Boden liegend eine überragende Parade, die aber nur notwendig war, weil er vorher einen Ball nicht gut abwehrte und der an den Pfosten ging. Insgesamt aber sehr solide bisher.
Unentschieden
Innenverteidiger: Mertesacker/Hummels vs. Cameron/Besler
Auch Mertesacker kam ziemlich unter die Räder, als sich gegen Ghana in der Schlussphase ein offener Schlagabtausch entwickelte. Zuvor wirkte der Lange recht souverän und brachte seine Stärken im Stellungsspiel und im Luftkampf gut ein.
Hummels ist bisher eine Bank, war auch gegen Ghana nach seiner Oberschenkelverletzung voll auf der Höhe und scheint auch mit den klimatischen Bedingungen sehr gut klarzukommen. Einer der stabilsten Deutschen bisher.
Ganz anders sieht das bei Geoff Cameron aus. Der steht in England bei Stoke City unter Vertrag, einem Team, dem Mertesackers Trainer Arsene Wenger oft das Prädikat Fußballmannschaft abspricht. Für den Franzosen ist Stoke eine Tretertruppe.
In dieser Hinsicht ist Cameron bisher nicht negativ aufgefallen, dafür hat er an allen drei Gegentoren der Amerikaner bisher Aktien. Hat außerdem in diesem Turnier laut Opta-Daten noch keinen Pass nach hinten gespielt und auch nur eine Passquote von 70,5 Prozent.
So schlecht lief es für Matt Besler bisher nicht. Er brachte 90 Prozent seiner Zuspiele zum Mann und gewann 72 Prozent seiner Zweikämpfe. Der Verteidiger von Sporting Kansas City ist aber auch kein international anerkannter Topmann.
Vorteil Deutschland
Außenverteidiger: Boateng/Höwedes vs. Johnson/Beasley
Bundestrainer Joachim Löw wird seiner Philosophie mit außenverteidigenden Innenverteidigern treu bleiben. Boateng war in diesem Turnier auffällig zurückhaltend in seinen Offensivaktionen. Hatte mit Cristiano Ronaldo und Andre Ayew aber auch immer den besten Individualisten als direkten Gegenspieler. Defensiv ganz stark und auch rechtzeitig wieder fit.
Auch Höwedes spielt bisher eine solide WM, auch wenn ihm manche Experten das Zulassen der Flanke vor dem 1:1 der Ghanaer ankreiden. Für seine Verhältnisse auch selbstbewusst im Vorwärtsgang, aber noch ohne Flanke.
In diesem Mannschaftsteil beginnt die Deutsch sprechende Fraktion im US-Team von Jürgen Klinsmann. Fabian Johnson ist in München geboren und hat von der U 17 an alle deutschen U-Mannschaften durchlaufen und wurde dann von Klinsmann abgeworben. Bisher mit einer überzeugenden WM und vielen Tempoläufen an der Linie entlang. Spielt mehr rechter Stürmer als rechter Verteidiger.
Auch DaMarcus Beasley ist nicht hinten festgenagelt und kommt eigentlich von einer offensiveren Position. Dürfte aus seiner kurzen Zeit bei Hannover 96 noch ein paar Brocken Deutsch draufhaben. Defensiv aber keine Bombe und nicht so stark im Zweikampf. Über die Räume im Rücken der Außen dürfte Deutschland Chancen haben.
Vorteil Deutschland
Seite 1: Torhüter, Innenverteidiger und Außenverteidiger
Seite 2: Mittelfeld und offensive Außen
Seite 3: Stürmer und Ersatzspieler
Vorteil Deutschland
Mittelfeld: Lahm/Schweinsteiger/Kroos vs. Beckerman/Jones/Bradley
Nach einer herausragenden Saison beim FC Bayern werden auf einmal Philipp Lahms Qualitäten im defensiven Mittelfeld in Frage gestellt. Der Kapitän leistete sich bisher einige ungewohnte Fehler, gibt dem Spiel aus der Zentrale aber eine klare Struktur, hat viele geschickte Ballgewinne und spielt gute Pässe.
Mit Bastian Schweinsteiger wird er gegen die USA einen passsichereren Kompagnon aus München an die Seite gestellt bekommen anstatt des bisher sehr eifrigen Sami Khedira, dem seine fehlende Praxis nach dem Kreuzbandriss noch deutlich anzumerken ist.
Komplettiert wird das Bayern-Dreieck von Toni Kroos, der ein brillantes Auftaktspiel ablieferte, aber den Run-and-Gun-Fußball gegen Ghana auch nicht kontrollieren konnte. Die drei Bayern müssen aus dem Zentrum das Spiel beherrschen, um die Amerikaner in den Griff zu bekommen.
Der in den US-Sportarten beliebte Trashtalk könnte im Mittelfeld auf jeden Fall auf Deutsch stattfinden. Kyle Beckerman, der dank seiner Rastazöpfe einen sehr lässigen Eindruck hinterlässt und auch als Surfer am Strand durchgehen würde, wird im Netz schon als Nachfolger von Alexis Lallas gefeiert und hat deutsche Vorfahren.
Auf dem Platz mit dem in Frankfurt-Bonames aufgewachsenen Jermaine Jones ist Beckerman im Maschinenraum der USA tätig. Beide stopfen Löcher, erobern Bälle und treiben das Spiel nach vorne.
Für die kreativen Momente aus dem Zentrum ist dann Michael Bradley zuständig. Der Sohn von Ex-Nationaltrainer Bob Bradley spielte von 2008 bis 2011 für Borussia Mönchengladbach und ist durch die Verletzung von Jozy Altidore eine Position nach vorne gerutscht. Ist enorm lauffreudig, spielt kluge Pässe und kommt auch selbst zum Abschluss.
Vorteil Deutschland
Offensive Außen: Götze/Özil vs. Zusi/Bedoya
Mario Götze erzielte gegen Ghana die Führung, Mesut Özil holte die Ecke vor dem 2:2 heraus. Prägende Figuren des Spiels waren aber beide nicht. Beide fühlen sich im Zentrum wohler und ziehen auch immer wieder in die Mitte, starten ihre Aktionen aber meist auf Außen, was ihnen nicht immer entgegenkommt.
Gegen die USA wären auch Andre Schürrle und Lukas Podolski Alternativen. Vor allem gegen den schnellen und extrem offensiven Rechtsverteidiger Johnson hätten beide gute Qualitäten. Allerdings spricht vieles für einen weiteren Einsatz von Götze und Özil, die mit einer Aktion Spiele auch prägen können. Dazu müssen sie aber mehr Entschlossenheit und Zug zum Tor in ihre Aktionen bringen.
Richtig bedrohlich wirken die beiden Mittelfeld-Außen der Amerikaner nicht. Graham Zusi und Alejandro sind keine großen Dribbler und strahlen auch nur wenig Torgefahr aus. Durch die offensiv ausgerichteten Außenverteidiger fällt ihnen oft die Aufgabe des Absicherns zu. Beide sind eher dazu, das Mittelfeld der Amerikaner zu stärken und das Zentrum zu verdichten.
Vorteil Deutschland
Seite 1: Torhüter, Innenverteidiger und Außenverteidiger
Seite 2: Mittelfeld und offensive Außen
Seite 3: Stürmer und Ersatzspieler
Vorteil Deutschland
Stürmer: Müller vs. Dempsey
Der eine spielt mit einem Cut am rechten Auge, der andere mit gebrochener Nase. Müller und Dempsey haben in diesem Turnier schon viel erlebt. Müller erzielte am ersten Spieltag einen historischen Dreierpack und Dempsey schoss am ersten Spieltag eines der schnellsten Tore der WM-Geschichte.
Wie Müller seine Rolle als Stürmer interpretiert, zeigte er auch vor dem 1:0 gegen Ghana, als er sich aus dem Zentrum fallen ließ und Götze mit einer Flanke bediente. Er ist so flexibel, dass er ihm auch die Versetzung auf die rechte Seite nichts ausmacht, wenn Miroslav Klose zum Einsatz kommt.
Auch Dempsey ist ein beweglicher Stürmer, der allerdings auch die nötige Wucht mitbringt. Mertesacker kennt ihn noch aus seiner Premier-League-Zeit bei Fulham und Tottenham. Machte am zweiten Spieltag ein klassisches Müller-Tor, als er den Ball mit dem Bauch über die Linie drückte. Das hätten Gerd oder Thomas auch nicht besser hinbekommen.
Unentschieden
Trainer: Löw/Klinsmann
Das Klischee sagt: der Taktiker Jogi gegen den Motivator Klinsi. Auch Klischees sind nicht völlig aus der Luft gegriffen und basieren auf der Wahrheit, aber seit dem Sommermärchen und dem dazugehörigen Film, der das Bild auf beide Trainer geprägt hat, ist viel Zeit vergangen.
Löw und Klinsmann haben sich weiterentwickelt. Beide haben an ihren Schwächen gearbeitet und sich mit Vertrauten umgeben.
Löw hat für sich eine neue Art des Wettkampfcoachings und Motivierens entdeckt, ob er damit schon auf Klinsmann-Niveau ist, bleibt abzuwarten.
Klinsmann hat auch durch seine Zeit beim FC Bayern gelernt, was ein Trainer neben Motivation und Projektmanagement noch für Qualitäten haben muss. Er hat sich taktisch weiterentwickelt. Ober er schon auf Löw-Niveau ist, bleibt abzuwarten.
Auf jeden Fall ist der in Göppingen geborene Schwabe Klinsmann dem American Way of life verfallen und hat viele Ideen der USA in Deutschland etabliert, die auch von Löw weitergeführt wurden.
Unentschieden
Seite 1: Torhüter, Innenverteidiger und Außenverteidiger