Diadie Samassekou von der TSG Hoffenheim im Interview: "Als der Krieg ausbrach, hatte ich eine Woche lang Albträume"

Louis Loeser
24. März 202017:51
Diadie Samassekou wechselte 2019 von Red Bull Salzburg zur TSG 1899 Hoffenheim.imago images
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Im vergangenen Sommer kam Diadie Samassekou für zwölf Millionen Euro Ablöse aus Salzburg zur TSG 1899 Hoffenheim. Ausgebildet wurde der Mittelfeldspieler bis 2015 in der Fußballschule des ehemaligen französischen Nationalspielers Jean-Marc Guillou.

Im Interview mit SPOX und Goal gibt Samassekou Einblicke in seine Kindheit in Mali und seine Zeit in der Akademie. Zudem spricht der 24-Jährige über Rassismus und erklärt, welche Rolle der Fußball bei der Integration von Flüchtlingen spielen kann.

Herr Samassekou, aufgrund des Coronavirus hat die TSG 1899 Hoffenheim zunächst unter Ausschluss der Öffentlichkeit trainiert. Nun haben Sie und Ihre Kollegen individuelle Trainingspläne bekommen. Wie gehen Sie persönlich mit der Situation um?

Diadie Samassekou: Es ist eine neue Situation für uns alle, aber der Weg ist der richtige. Natürlich ist es nicht einfach, und wir würden lieber gemeinsam trainieren. Aber die Maßnahmen sind richtig, denn die Gesundheit ist wichtiger als alles andere.

Diadie Samassekou wechselte 2019 von Red Bull Salzburg zur TSG 1899 Hoffenheim.imago images

Aufgrund dieser Zwangspause entgehen den Bundesliga-Klubs Gelder in Millionenhöhe aus Zahlungen für TV-Rechte und Zuschauereinnahmen. Die Auswirkungen für die TSG werden trotz des durch Spielerverkäufe angelegten Polsters spürbar sein. Wären Sie bereit, auf Teile Ihres Gehalts zu verzichten, um Ihren Klub zu unterstützen?

Samassekou: Es geht nicht darum, was ich will oder was gut für mich ist, sondern was für diejenigen gut ist, die es wirklich brauchen. Daher bin ich froh, dass die Verantwortlichen bei der TSG Hoffenheim beschlossen haben, einen Hilfsfonds für konkrete Maßnahmen einzurichten. Ich bin bereit zu helfen und daran wird sich unsere ganze Mannschaft beteiligen.

Lukas Klostermann von RB Leipzig ging bereits mit gutem Beispiel voran und fragte seine Follower nach Organisationen, denen er helfen könnte. Würden Sie diesem Weg folgen?

Samassekou: Das ist sicher auch ein Weg, jede Hilfe ist gut. Man darf bei der Thematik aber auch nicht vergessen: Wir kommen nicht aus denselben Ländern und haben deshalb unterschiedlich dringende Probleme. Manche Länder wie Italien sind derzeit in großen Schwierigkeiten. Natürlich wollen die Spieler dort stärker helfen. In meinem Heimatland gibt es zum Beispiel derzeit noch keine Probleme mit Corona - dafür andere sehr drängende andere, mit denen ich mich auch beschäftige.

Diadie Samassekou: "Sollten uns bewusster sein, wie wir miteinander umgehen"

Sie sind in Faladie, einem Viertel der malischen Hauptstadt Bamako, aufgewachsen. Wie sah Ihre Kindheit dort aus?

Samassekou: Ich bin in Faladie geboren und aufgewachsen. Ich komme aus einer Familie mit drei Brüdern und einer Schwester. Wir waren also fünf Kinder und meine Eltern. Ich würde nicht sagen, dass wir ein einfaches Leben hatten, aber es war für die Verhältnisse in Mali ein normales Leben. Angefangen Fußball zu spielen habe ich - wie alle anderen auch - auf der Straße. Es war für mich ein Hobby. Erst mit 14 Jahren kam ich in die JMG Academy.

Aus der europäischen Perspektive sind die Lebensumstände in Mali schwer vorstellbar. Die alltäglichen Ängste, die wir hier haben, sind im Vergleich zu den existenziellen Nöten in Ihrer Heimat Luxusprobleme. Inwiefern hilft es Ihnen, dass Sie wissen, wie es ist, wenn man am Existenzminimum leben muss?

Samassekou: Es gibt große Unterschiede zwischen dem Leben hier und dort - beides hat seine guten und schlechten Seiten. Ich denke, wir haben viel von Europa zu lernen, aber Ihr könnt auch viel von uns lernen. Es ist völlig anders, in Afrika zu arbeiten. Du genießt nicht dieselben Privilegien wie etwa eine gewisse Absicherung. Man bemerkt aber gar nicht, dass die Lebensumstände nicht so gut sind, wenn man dort lebt. Erst wenn man nach Europa kommt, fallen die großen Unterschiede auf. Wir sollten uns insgesamt bewusster sein, wie wir uns verhalten und wie wir miteinander umgehen.

In Europa sieht man kaum noch echte Straßenkicker, weil die jungen Talente bereits früh in Vereinen spielen und in den Nachwuchsleistungszentren untergebracht werden. Wie macht sich dieser Unterschied bemerkbar?

Samassekou: Ich denke, es gibt bei uns im Team keinen großen Unterschied. Aber dadurch, dass wir das Spielen auf der Straße lernen, sind wir insgesamt wohl anpassungsfähiger. Dafür haben diejenigen, die schon in jungen Jahren in einem leistungsorientierten Verein spielen, zum Beispiel eine bessere Koordination. Wenn wir in Europa ankommen, ist das Erste, was wir bemerken, dass wir in einigen Aspekten auf anderen Leveln sind als die Europäer.

Diadie Samassekou: Mit elf Jahren von der Familie getrennt

Sie sagen, dass Sie sich als 14-Jähriger der Akademie anschlossen. Entdeckt wurden Sie jedoch bereits 2007, im Alter von elf Jahren. Danach waren Sie bereits für kurze Zeit Teil der JMG Academy, die vom französischen Nationalspielers Jean-Marc Guillou gegründet wurde. Wie war es für Sie, in diesen jungen Jahren von Ihrer Familie getrennt zu sein?

Samassekou: Es war am Anfang wirklich nicht leicht, weil ich zuvor immer bei meinen Eltern war, und elf Jahre gerade in Afrika noch ein sehr junges Alter ist. Ich habe dann mein Zuhause verlassen, was mir sehr schwer fiel, und blieb auch zunächst nur sechs Monate in der Akademie. Als 14-Jähriger kehrte ich zurück.

Nachdem Sie die Akademie vorerst verlassen hatten, lebten Sie wieder bei Ihren Eltern. Was gab Ihnen die Motivation und die Kraft, es nochmal zu versuchen, nachdem Sie der Akademie eigentlich bereits den Rücken gekehrt hatten?

Samassekou: Als ich die Akademie verließ, war ich noch sehr jung, und ich wusste nicht, was ich wirklich wollte. Mit der Zeit lernte ich, dass man kämpfen muss, wenn man etwas wirklich will. Ich war irgendwann noch einmal in der Akademie, weil ich ein Spiel gegen eines der Akademieteams hatte. Ich sah, wie sich die anderen entwickelten. Das war der Moment, in dem ich erkannte, dass ich mit ihnen spielen will und dass ich das nötige Potenzial habe. Ich bekam Unterstützung von meinen Eltern, und die Akademie wollte mich zurückhaben. Also kehrte ich zurück.

Bis 2013 haben Sie in der Akademie zusammen mit Jungs zwischen elf und 18 Jahren gelebt, die vor allem Fußball im Kopf hatten. Auch Ihren Freund Amadou Haidara (RB Leipzig), mit dem Sie später in Salzburg zusammenspielten, haben Sie dort kennengelernt. Welche Geschichte ist Ihnen aus dieser Zeit besonders im Kopf geblieben?

Samassekou: Amadou ist etwas jünger als ich, also spielten wir nicht in der gleichen Mannschaft. Aber wir hatten eine enge Beziehung. Wir verbrachten extrem viel Zeit zusammen, zumal ich der Jüngste in meinem Team war und er einer der Ältesten in seiner Mannschaft. Ich hatte dort eine unfassbar schöne Zeit, auch was den Fußball angeht. Wenn du spielst, denkst du an nichts, du willst einfach nur Spaß haben. Das ist etwas, was als Profi leider häufig untergeht. Das Wichtigste ist es, Spaß zu haben und es zu genießen.

Samassekou über Zeit in der JMG Academy: "Wir waren Brüder"

Auf der Akademie verfolgen alle das große Ziel, eines Tages Fußballprofi zu werden. Dabei ist allen bewusst, dass nur einige wenige diese Chance bekommen werden. Wie war Euer Verhältnis untereinander?

Samassekou: Wenn man in der Akademie ist, hat man Träume. Obwohl uns bewusst war, dass diese von einigen von uns platzen werden würden, hatten wir ein sehr enges Verhältnis zueinander. Wenn einer von uns Erfolg hat, wird er den anderen helfen. Es gab nie einen erbitterten Wettbewerb zwischen uns. Natürlich wollte jeder zeigen, dass er der Beste ist, aber das hat nie unsere Beziehung beeinflusst. Wir wetteiferten während der Spiele oder im Training, aber danach waren wir alle Brüder. Wir stehen immer noch in Kontakt und haben eine enge Beziehung. Ich denke, das beschreibt auch die Leute in Mali insgesamt sehr gut.

Als Profifußballer in einer der größten Ligen Europas sind Sie mittlerweile selbst ein Vorbild. Welchen Rat können Sie fußballbegeisterten Kindern mit auf den Weg geben?

Samassekou: Ich kann ihnen sagen, dass sie niemals aufgeben sollten. In den Akademien sind es nicht immer die besten oder die talentiertesten Spieler, die später Erfolg haben. Wenn du Ziele hast, solltest du immer auf dich gucken und alles geben, um deine Ziele zu erreichen. Wenn du um fünf oder sechs Uhr morgens aufstehen musst - mach' es, weil du es später bereuen wirst, wenn du es nicht tust. Das sage ich ihnen immer, wenn ich in Mali bin. Zumal ich weiß, wo ich herkomme. Ich war nicht der beste Spieler, aber ich wusste, wo ich unbedingt hin wollte. Ich denke, jeder kann seine Ziele erreichen, wenn er diese Mentalität hat.

Die meisten jungen afrikanische Fußballtalente sind für ihre Familien die große Hoffnung, der Armut zu entfliehen. Berater wissen das und versuchen oft, aus dieser Lage Profit zu schlagen. Haben Sie während Ihrer Zeit in der Akademie solche Erfahrungen gemacht?

Samassekou: Mit Beratern ist es überall das Gleiche. Du musst vorsichtig sein, manche von ihnen sind gut und manche schlecht. Natürlich kamen immer mal wieder welche, die mich mit großen Versprechungen versucht haben, von der Akademie wegzulocken, aber ich habe diese Angebote nie akzeptiert. Ich wusste immer, dass ich als Junge in die Akademie kam, sie mir alles beibrachten, und ich weiß, dass sie für mich nur das Beste wollen. Ich denke, es war das Richtige, nicht in der Mitte auszusteigen. Es gab einige Spieler, die früh gewissen Beratern folgten und damit Erfolg hatten, aber viele von ihnen sind auch in Schwierigkeiten geraten.

Sie haben einmal gesagt, dass der Fußball eine bösartige Welt ist. Was meinten Sie damit?

Samassekou: Wenn du gut bist, sind alle nett zu dir, aber wenn es gerade schwer ist, halten nur wenige zu dir. Bestimmte Berater flüstern dir ein, wie gut du schon bist, aber wenn du mal nicht ablieferst, wenden sie sich ab. Natürlich gibt es auch viele gute Berater, die dir wirklich helfen. Aber vor allem sollte man niemals diejenigen Leute vergessen, die einem von Beginn an unterstützt haben und die auch für dich da waren, als du mal nicht mehr weiter wusstest. Dessen sollte man sich immer bewusst sein, denn das Fußball-Geschäft kann auch bösartig sein. Häufig wird erstmal an sich selbst gedacht - egal, ob in Mannschaften, bei Spielern oder Beratern. Du solltest nie vergessen, wo du herkommst.

Diadie Samassekou über malischen Bürgerkrieg: "Hatte eine Woche lang Albträume"

Wer hatte den größten Einfluss auf Ihre Karriere?

Samassekou: In meinem Leben als Fußballer hatte ich viele Mentoren. Auf jeder Stufe meiner Karriere gab es jemanden, der mich wirklich gepusht hat. Eine sehr wichtige Person war mein Trainer bei AS Real Bamako, nachdem ich die Akademie verlassen hatte. Ich war sehr jung und wir wussten alle, wie schwer es ist, in der ersten Liga zu spielen, aber der Coach vertraute mir. Wir spielten gegen Gegner, die unsere Onkel hätten sein können, aber er hat uns immer angespornt und uns gesagt: 'Gebt euer Bestes, ihr seid gute Spieler und eure Physis ist nicht wichtig.' Das ist etwas, was ich mir heute immer noch vor Augen halte. Denn natürlich bin ich nicht der Größte oder der Kräftigste, aber ich weiß, dass ich das, was ich mache, mit voller Leidenschaft umsetze.

Sie haben bereits mit vielen talentierten Spielern zusammengespielt. In Salzburg standen Sie zum Beispiel mit Erling Haaland oder Munas Dabbur auf dem Platz. Wer war bisher Ihr bester Mitspieler?

Samassekou: Ich habe mit vielen guten Spielern gespielt, aber wir waren vor allem ein sehr gutes Team. Ich könnte Xaver Schlager, Erling Haaland, Amadou Haidara oder Munas Dabbur nennen. Sie sind alle Top-Spieler. Sie haben alle so abgeliefert, um für einen Top-Klub zu spielen. Viele sagen, Haaland sei am talentiertesten, aber man weiß nie, wie es sich im Fußball entwickelt. Ich kann nur sagen, dass sie alle gute Spieler sind, und ich bin stolz, mit ihnen gespielt zu haben.

Mit Salzburg haben Sie schon internationale Erfahrungen gesammelt und durften gegen mehrere Top-Teams spielen. Wer war Ihr härtester Gegenspieler?

Samassekou: Das war Fabian Ruiz von Napoli, auch wenn er vielleicht noch nicht so bekannt ist. Es war wahnsinnig schwer, gegen ihn zu verteidigen, weil er extrem beweglich ist und immer nur zwei Kontakte braucht. Ich versuche manchmal, meinen Freunden zu zeigen, warum er so schwer zu verteidigen ist. Ich habe schon gegen viele gute Mannschaften und Spieler gespielt, aber über Ruiz werden die Leute in den nächsten Jahren noch viel sprechen.

Ich möchte noch einmal zurück auf Ihre Heimat zurückkommen. In Mali herrscht seit 2012 ein schlimmer Bürgerkrieg, der hunderttausende Menschen zur Flucht zwang. Ihre Familie wohnt weiterhin dort. Inwiefern sind Ihre Freunde und Familie von diesen Geschehnissen betroffen?

Samassekou: Als der Krieg ausbrach, war ich in der Akademie. Ich hatte eine Woche lang Albträume, aber jetzt ist die Situation besser. Die großen Städte, in denen auch meine Eltern wohnen, spüren nicht so viel vom großen Leid, dem die anderen Regionen ausgesetzt sind. Es ist hart zu hören, dass täglich Leute in einem anderen Teil des Landes sterben, aber meine Familie ist nicht direkt betroffen.

Wie versuchen Sie aus der Ferne, in Ihrer Heimat zu helfen?

Samassekou: Wie ich sagte, als wir über das Coronavirus sprachen: Jedes Land hat seine eigenen Probleme. Ich helfe zum Beispiel einer Familie, die einen Vater im Krieg verloren hat und nun nicht genug Geld für Essen hat. Das ist die Realität in meiner Heimat. Die Soldaten lassen ihre Familien zurück und es gibt keine Absicherung dafür.

Hoffenheims Diadie Samassekou: "Fußball ist eine der größten Plattformen für Integration"

Seit 2015 hat Deutschland mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen. Bei der TSG Hoffenheim teilen Sie sich eine Kabine mit Spielern aus 16 Nationen mit unterschiedlichsten religiösen und kulturellen Hintergründen. Welche Rolle kann der Fußball bei der Integration von Flüchtlingen spielen?

Samassekou: Fußball ist eine der größten Plattformen für Integration. In den meisten Teams sind Spieler vieler verschiedener Kulturen, Religionen oder Nationen, aber sie spielen alle zusammen, als hätten sie die gleiche Mutter. So sollte es in der gesamten Gesellschaft sein. Ich habe gehört, wie sich Hoffenheim für Flüchtlinge engagiert. Auch als ich noch bei RB Salzburg unter Vertrag stand, sprach der Klub mit uns darüber und erzählte, dass Flüchtlinge kommen würden. Die Welt ist eine Gemeinschaft und es geht nicht um einzelne Länder. Wir sollten auf die Probleme anderer achten und versuchen, sie gemeinsam zu lösen.

Es sind jedoch nicht alle derart offen und bereit zu helfen. Rechtspopulistische Parteien erfuhren in Europa in den vergangenen Jahren einen Aufschwung und schüren Ressentiments gegenüber Flüchtlingen. Wie sehr beschäftigt Sie diese Entwicklung?

Samassekou: Jeder hat eigene Meinungen, aber als Menschen sollten wir immer bereit sein, unseren Nächsten zu helfen. Ich denke, es gibt keinen Grund, jemandem nicht zu helfen, wenn er in Schwierigkeiten ist. Auch völlig unabhängig von unterschiedlichen Ansichten oder Religionen. Als Moslem würde ich es zum Beispiel niemals akzeptieren, wenn ein Freund jemandem nicht helfen würde, nur weil er Christ ist. Wir sind alle Menschen und das Zusammenleben ist wichtiger als alles andere.

Sie sind, wie Sie erwähnt haben, gläubiger Moslem. Welche Rolle spielt die Religion in Ihrem Leben?

Samassekou: Religion ist sehr wichtig für mich. Ich bete fünfmal am Tag und ich folge den Regeln des Islams. Aber das habe ich für mich entschieden. Ich verurteile niemanden oder sage anderen, was sie zu tun haben. Die Religion hilft mir, weil sie mir sagt, was ich tun darf und was nicht. Ich bin sehr streng zu mir und die Religion gibt mir Orientierung.

Diadie Samassekou über Rassismus: "Instagram-Posts allein werden nichts ändern"

Durch die Anfeindungen gegen Hertha-Verteidiger Jordan Torunarigha und Würzburgs Leroy Kwadwo rückte zuletzt vor allem Rassismus in Fußballstadien in den Fokus. Macht Ihnen diese Entwicklung Angst?

Samassekou: Ich habe keine Angst, sondern bin einfach nur enttäuscht. Das ist ein Problem, das es nicht erst seit heute gibt. Es existiert bereits sehr lange und es geht nicht voran. Die Leute posten dagegen etwas auf Instagram oder Twitter, aber das allein wird nichts ändern. Die richtige Wertevermittlung in frühen Jahren ist der Schlüssel. Denn das meiste kommt aus dem persönlichen Umfeld - das, was solche Leute von ihren Eltern oder Freunden hören. Wir müssen die Wurzeln bekämpfen. Wir leben alle in derselben Welt. Es gibt eigentlich keine Grenzen, aber wir haben sie erschaffen und im Fußball ist es leider teilweise dasselbe. Ich verstehe manche Leute nicht, die denken, sie wären etwas Besseres, oder dass wir nicht verdient haben, hier zu sein. Meine Teamkollegen und Freunde kommen aus verschiedenen Ländern oder haben unterschiedliche Hautfarben. Für mich sind sie alle wie Brüder.

Sie sagen, Posts auf Twitter oder Instagram helfen nicht. Selbst setzen Sie aber trotzdem Ihre Reichweite in den Sozialen Medien dafür ein, um dem Kampf gegen Rassismus Aufmerksamkeit zu schenken. Zuletzt haben Sie zu den Anfeindungen gegen Porto-Stürmer Moussa Marega Stellung bezogen. Sollten mehr Fußballer Ihrem Beispiel folgen?

Samassekou: Natürlich haben viele Spieler etwas zu Moussa Marega gepostet, aber das sollte nicht das Einzige bleiben, das wir tun. Wir sollten bei derartigen Vorfällen reagieren und nicht warten, bis das Spiel vorbei ist. Jeder muss sich solidarisch zeigen. Nur so können wir das Problem bekämpfen, denn es ist ein gesellschaftliches Problem, das nicht nur den Fußball betrifft.

Den Platz zu verlassen, sieht auch das das Drei-Stufen-Protokoll der UEFA vor. Ist das der richtige Ansatz oder wünschen Sie sich sofortige Spielabbrüche?

Samassekou: Ich denke nicht, dass es etwas bringt, das Spiel sofort abzubrechen. Wenn etwas von einer Minderheit von fünf oder zehn Leuten kommt, müssen wir sie aus dem Stadion werfen und dann sollte das Spiel fortgeführt werden. Du kannst nicht alle für das Verhalten von fünf oder zehn Idioten bestrafen. Außerdem können die anderen Fans im Stadion helfen. Wenn du jemanden neben dir siehst, der so etwas macht, solltest du klar ausdrücken, dass das nicht geht, und die Security informieren. Wir sollten nicht alle bestrafen, aber wenn sich nichts bewegt, müssen die Spieler den Platz verlassen.