Mitte Januar 2018 führte SPOX in München ein Interview mit Dirk Dufner, der 15 Jahre lang als Sportdirektor von 1860 München, dem SC Freiburg und Hannover 96 in der Bundesliga unterwegs war und seit 2017 als Spielerberater tätig ist. Erscheinen durfte es nicht - Redakteur Jochen Tittmar erzählt stattdessen von einer knapp zweijährigen Odyssee.
Es war Anfang Januar 2017, als zu lesen stand, dass Dirk Dufner in die Spielerberater-Branche wechseln würde. Das erschien ungewöhnlich, schließlich war Dufner bis dato knapp 20 Jahre lang für den VfB Stuttgart, 1860 München, SC Freiburg und Hannover 96 in der Beletage des deutschen Fußballs tätig, zumeist als Sportdirektor.
Wieso kam es zu diesem Wechsel? Wie startete er einst als Anwalt seine Karriere im Fußball? Wie reflektiert er seine Stationen in der Bundesliga? Das waren die Fragen, die uns interessierten und von denen wir uns ein interessantes Gespräch erhofften. Ich schrieb den Namen Dufner auf meine langfristige Liste möglicher Gesprächspartner. Ein paar Monate später fragten wir über Dufners neuen Arbeitgeber ein Interview mit ihm an.
Am 16. Januar 2018 fand es im Infinity Hotel & Conference Resort in Unterschleißheim schließlich statt. Unsere Hoffnung bestätigte sich: Dufner nahm sich rund 90 Minuten Zeit und ging bereitwillig sein Leben durch. Begonnen mit seiner Zeit als Jurist, als er noch als Referendar in Südafrika die Übernahme der Cape Town Spurs durch Ajax Amsterdam juristisch begleitete. Weiter über seine Eindrücke der beiden Klub-Patriarchen Gerhard Mayer-Vorfelder und Karlheinz Wildmoser, von wo aus es zur Rückkehr nach Freiburg und der Amtszeit in Hannover ging.
Dufner und ein Interview, das nicht veröffentlicht werden darf
Dufner erzählte eine mit amüsanten Anekdoten angereicherte, spannende Lebensgeschichte, die Gesprächsatmosphäre war durchweg positiv. Das freut einen als Journalist natürlich und ich dachte mir: Da wird ein tolles Interview herauskommen.
Was ich damals vor fast 23 Monaten noch nicht wusste: Dass auf mich stattdessen eine in meiner Karriere als Sportjournalist noch nie gesehene Odyssee zukommen würde, an deren Ende die Ansage stand, dass das Interview nicht veröffentlicht werden darf. Aber der Reihe nach.
Rund drei Wochen nachdem wir das Gespräch geführt hatten, schickte ich es meinem Kontaktmann aus Dufners Agentur, mit dem ich zuvor bereits den Termin koordiniert hatte, wie vorab besprochen zur Freigabe zu. Für Journalisten ist diese Phase besonders spannend, da man natürlich hofft, das Interview so unverändert wie möglich zurück zu bekommen.
Freigabeprozess in Deutschland kann wilde Blüten treiben
Zum allgemeinen Verständnis daher ein erster Exkurs: In Deutschland ist den allermeisten Fällen nach vorheriger Absprache eine Autorisierung des Gesprächs durch den Interviewten, einen Pressesprecher oder Berater vonnöten. Im angloamerikanischen Journalismus dagegen ist eine Autorisierung unüblich, gar verpönt. In Polen beispielsweise ist sie wiederum gesetzlich vorgeschrieben.
Der Freigabeprozess in Deutschland kann daher wilde Blüten treiben. Denn während presserechtlich gesehen die gestellten Fragen nicht verändert werden dürfen, sind beim Gesagten keine Grenzen gesetzt.
Vereine oder Agenturen können die Antworten von Interviewten glätten, beschönigen, ja radikal verändern - für Sportjournalisten eine alltägliche Begleiterscheinung. Nicht selten wird man heutzutage vorab auch um ausformulierte Fragenkataloge gebeten oder darauf hingewiesen, dass bestimmte Themen nicht angesprochen werden dürfen.
spoxBitte noch einmal schicken!
Bis auf verschwindend geringe Ausnahmen werden Interviews, mal mit wenigen, mal mit mehreren Änderungen, jedoch freigegeben. Es kann aber auch vorkommen, dass sich Medienhäuser gegen eine Veröffentlichung entscheiden, wenn der Inhalt eines Interviews nach der Autorisierung stark verändert wurde.
Die Freigabe kann, beispielsweise aus zeitlich-strategischen Gründen, auch einmal etwas länger auf sich warten lassen. So wie bei Dufner: Da ich auf meine Email zunächst keine Antwort erhielt, fragte ich sechs Tage später noch einmal nach. Als auch dann nichts geschah, griff ich zum Hörer.
Mein Kontaktmann sagte: Bitte noch einmal schicken! Ich tat es umgehend. Die Fassung des Gesprächs war 17.300 Zeichen lang. Freilich viel Holz, wer jedoch die Interviews auf SPOX kennt, der weiß, dass diese Länge und Tiefe nicht unüblich bei uns ist - und sie vor allem von den Lesern auch angenommen wird.
Die undurchsichtigste Phase: Niemand zu erreichen
Leider passierte erneut nichts. Ich ließ einige Zeit vergehen, ehe ich abermals nachhakte - ohne Reaktion. Zwei Monate und ein weiteres Nachhaken später wurde mir von der Gegenseite telefonisch mitgeteilt, dass das Interview zu lang sei und ich eine neue, gekürzte Fassung schicken solle. Auch das tat ich umgehend, Version zwei war schließlich 12.600 Zeichen lang.
Nun, sechs Monate nach dem Gespräch in Unterschleißheim, begann die undurchsichtigste Phase: Nachdem es zuvor telefonisch immer mal wieder hieß, man wolle die aktuelle Transferphase abwarten, da Dufner währenddessen viel beschäftigt sei, war plötzlich niemand mehr zu erreichen. Weder die Agentur noch Dufner selbst, den ich entgegen der üblichen Gepflogenheiten versuchte zu erreichen.
Nächste Idee: Zwei uns gut bekannte Mitarbeiter der Agentur anzuhauen, um ihnen diese Geschichte näherzubringen und sie um Vermittlung zu bitten. Sehr unangenehm sei das, auch unsere Irritation sei nachvollziehbar, hieß es unisono.
Der Durchbruch: Das Interview soll nicht veröffentlicht werden
Die angebotene Hilfe nahmen wir gerne an. Zunächst wurde uns mitgeteilt, dass Dufner meinte, er sei mit uns bereits im Dialog. Wir sollten das daher untereinander klären. Ein Dialog kam jedoch seit geraumer Zeit nicht zustande, da niemand der beiden in Frage kommenden Personen für uns erreichbar war.
Der "Durchbruch" folgte dann augenscheinlich dank des Einschreitens einer der von uns kontaktierten Mitarbeiter: Mein Kontaktmann antwortete mir im Herbst 2019 auf meine Email von Juli 2018. Nach Rücksprache mit Dufner möchte man mir mitteilen, dass das Interview nicht veröffentlicht werden soll. Ein Grund dafür wurde nicht genannt.
Welche journalistischen Möglichkeiten bleiben in Deutschland also in einem solchen Fall? Nach einem absichernden Anruf beim Rechtsanwalt, den der Verband Deutscher Sportjournalisten seinen Mitgliedern kostenlos zur Verfügung stellt, wird klar: Sie sind arg begrenzt.
Interviewte haben kein gesetzliches Recht auf Autorisierung
Würde man sich der Vorgabe widersetzen und das Interview einfach veröffentlichen, kann die Gegenseite eine Unterlassung fordern, Gegendarstellung und Richtigstellung verlangen sowie eine Geldentschädigung verhandeln - notfalls auch vor Gericht.
Grundsätzlich betrachtet haben Interviewte kein gesetzliches Recht auf Autorisierung. Wenn sie vor dem Interview - wie bei Dufner geschehen - oder am Anfang des Gesprächs vereinbart wurde, dann allerdings schon.
In rechtlicher Hinsicht kann eine vorab getroffene Vereinbarung über eine Autorisierung nämlich als vertragliche Vereinbarung angesehen werden. Würden Zitate dann unrichtig, verfälscht oder entstellt widergegeben, greift dies in das Persönlichkeitsrecht des Interviewten ein. Ergo hat der Interviewte in diesen Fällen immer einen Anspruch darauf, korrekt zitiert zu werden.
gettyNiemand spricht druckreif
Dieser Anspruch verfliegt, würde der Autorisierungswunsch erst nach dem Gespräch erwähnt - dann müsste man jedoch den originalen Wortlaut publizieren. Das wiederum erscheint reichlich unrealistisch, da so gut wie niemand druckreif spricht. Über allem steht letztlich der Schutz des Interviewpartners, auch wenn keine Autorisierung vereinbart wurde.
Letztes Szenario: Wird vor einem Interview keine solche Vereinbarung getroffen, ist rechtlich davon auszugehen, dass der Interviewte stillschweigend in die Veröffentlichung eingewilligt hat, zumindest dann, wenn er wusste, dass es zu einer Veröffentlichung kommt und das Interview unverändert veröffentlicht wird.
Um den Grund für die Absage persönlich von Dufner zu erfahren, rief ich ihn an. Erstmals nach über einem Jahr hob er ab, ein fünfminütiges Gespräch folgte. Schon vor Ewigkeiten habe er angeordnet, dass das Interview nicht erscheinen soll, sagte er.
Ihm sei es zu lang gewesen, dazu würde sich auch niemand für den Inhalt interessieren, fuhr er fort - ehe er nach ein paar journalistischen Gegenargumenten meinerseits umschwenkte und sagte, ihm sei zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht klar gewesen, dass er nicht mehr mit Interviews in der Öffentlichkeit auftauchen möchte.
Dirk Dufner: Die Stationen seiner Karriere als Funktionär
Verein | Funktion | Amtszeit |
VfB Stuttgart | Assistent der Geschäftsführung | 1997-2000 |
TSV 1860 München | Sportdirektor | 2000-2004 |
SC Freiburg | Sportdirektor | 2007-2013 |
Hannover 96 | Sportdirektor | 2013-2015 |