Eintracht Frankfurt: Warum Oliver Glasner einer der besten Trainer der Bundesliga ist

Stefan Rommel
05. September 202213:37
Oliver Glasner trainiert Eintracht Frankfurt seit 2021.getty
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Eintracht Frankfurt vollzieht in rasanter Geschwindigkeit einen veritablen Kurswechsel und ist damit erfolgreich. Im Mittelpunkt steht dabei Oliver Glasner, der seine überragenden Fähigkeiten als Fußballlehrer erneut eindrucksvoll demonstriert.

In München, Leipzig, Dortmund, Leverkusen, Gladbach, Frankfurt und am Ende auch in Wolfsburg wurden im vergangenen Sommer neue Trainer gesucht. Bei der großen Trainer-Rochade war Oliver Glasner eines der letzten Dominosteinchen, die fielen - und für einige Experten auch der für am leichtesten befundene Trainer des damaligen Ringtauschs.

Besonders pikant war die Kettenreaktion, die Marco Rose mit seinem Abgang aus Mönchengladbach in Gang gesetzt hatte. Auf ihn folgte Adi Hütter in Gladbach, der wiederum Platz in Frankfurt schaffte. Mit dem VfL Wolfsburg war Glasner gerade in die Königsklasse eingezogen, man durfte die zweite Spielzeit des Österreichers ohne Übertreibung als komplett gelungen bezeichnen.

Weil es aber in Wolfsburg im Binnenverhältnis zu Sportchef Jörg Schmadtke knirschte, entschied sich Glasner für den Wechsel nach Frankfurt - und landete bei einigen Buchmachern auf der Liste der ersten Trainerrauswürfe auf den vorderen Plätzen. Der Rest ist Geschichte. Und während die Trainer in Dortmund, Gladbach und Wolfsburg schon längst wieder Geschichte sind, macht Glasner in Frankfurt einfach mit dem weiter, was er am besten kann: Er macht seine Mannschaft und einzelne Spieler immer besser.

Oliver Glasner: Mit der Beste der Liga

Das war beim LASK schon so, wo Glasner fast als Alleinentscheider die starke Person im Klub war. Und in Wolfsburg unter ganz anderen Voraussetzungen unter dem eher eigenwilligen Schmadtke. Bei beiden Stationen deutete sich an, was Glasners Arbeit ausmacht: Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit stellen sich relativ rasch teilweise enorme Qualitätssprünge ein. Glasner kann auch bei unterschiedlichen Voraussetzungen in kurzer Zeit seinen Mannschaften die viel zitierte Handschrift verpassen.

Als der 48-Jährige nach Frankfurt kam, hatte der Klub gerade nicht nur seinen Trainer verloren, sondern auch den Sportvorstand und seinen besten Torschützen. Es war ein Neuanfang nötig bei der Eintracht, den Glasner nach einem zunächst holprigen Start dann auch einläutete und moderierte - mit dem ersten internationalen Titel nach 42 Jahren als Krönung.

Vor wenigen Wochen nun verließen Abwehrchef Martin Hinteregger und mit Filip Kostic einer der wichtigsten Spieler des Eintracht-Fußballs der letzten Jahre den Klub. Wieder war der Start alles andere als optimal, aber die Fortschritte der Frankfurter Mannschaft nach nun sechs Pflichtspielen sind enorm. Was die Vermutung nahelegt, dass Glasners Basisarbeit, seine Akribie und Detailversessenheit mit zum Besten gehören, das es in der Bundesliga gibt.

Oliver Glasner trainiert Eintracht Frankfurt seit 2021.getty

Eintracht Frankfurt: Paradigmenwechsel bei Glasner

Schon im letzten Herbst, als es noch nicht so rund lief für die Frankfurter, lobten die Beobachter den enormen Fleiß und die Beharrlichkeit, mit der Glasner in den Trainingseinheiten seiner Mannschaft die Versatzstücke "seines" Fußballs beibrachte. Glasner ist dabei zwar unglaublich konsequent - aber eben nicht stur oder borniert, sondern flexibel und der Situation angemessen variabel und pragmatisch.

Er hat den Kostic-Abgang nicht als Malus begriffen, sondern als Chance, der Mannschaft neue Impulse zu vermitteln. Das hat zu einem Paradigmenwechsel geführt, der sich nun offenbar schon früh auszahlt. Glasner hat sich von der Dreier- oder Fünferkette verabschiedet, er hat seine flinken Schienenspieler aus der alten Grundordnung mit drei Innenverteidigern dahinter außer Dienst gesetzt und vertraut nun einem 4-2-3-1, das nicht nur als Zahlenreihe für Frankfurt ungewohnt daherkommt, sondern auch in der personellen Besetzung.

Im Mittelfeldzentrum baut der Trainer auf der Doppel-Sechs auf Sebastian Rode und Djibril Sow. Zwei Achter eigentlich, die gerne die Halbräume besetzen und von dort aus auch in der Offensive auffällig werden. Das Spielerprofil der beiden Abräumer, die eigentlich gar keine sind, passt eigentlich gar nicht so richtig auf das, was im Zentrum vor der Abwehr gefordert ist. Glasner weiß das und trotzdem fügen sich Rode und Sow passgenau ein. Weil es dem Trainer gelingt, die Aufgaben so auf die Spieler zuzuschneiden, dass sie sich in ihren Rollen wohlfühlen.

Oder Kristijan Jakic: Der wäre ein gelernter defensiver Mittelfeldspieler. Vor dem Spiel bei Werder Bremen hatte Glasner aber plötzlich die Idee, den Kroaten rechts in der Viererkette spielen zu lassen. Jakic überzeugte und durfte am Wochenende gegen RB Leipzig und Nationalspieler David Raum verteidigen - und machte seine Sache erneut tadellos.

Eintracht Frankfurt: Kreativität und Kurzpässe statt Flanken und Wucht

Die größten Veränderungen machen sich aber in der Spielausrichtung mit dem Ball bemerkbar. Frankfurts Fußball beginnt derzeit, deutlich filigraner zu werden. Aus deutlich über elf Flanken pro Spiel sind aktuell acht geworden, Tendenz weiter fallend. Nur Köln, Hoffenheim und Union nutzten in er letzten Saison das Stilmittel der seitlichen Hereingabe exzessiver als die Eintracht. Daraus ist nun ein Platz im letzten Drittel der Flanken-Tabelle geworden. Das ist die sehr greif- und auch sichtbare Konsequenz der neuen Spielidee.

Komplexer gestalten sich die Abläufe in den Halbräumen und im Zentrum. Glasner hat zuletzt Zugang Kolo Muani als alleinige Spitze aufgeboten: Einen schnellen, wendigen und gleichwohl auch dribbelstarken Spieler mit sehr viel Direktheit in seinem Spiel. Die beiden eher klassischen Strafraumstürmer Rafael Borre und Lucas Alario passen aktuell nicht zum ersten Plan.

Denn der sieht schnelle, direkte Kombinationen im Zentrum des Spiels vor. Dreieckbildung, Überzahl in Ballnähe, Stafetten auch in engsten Räumen. Dafür hat sich die Eintracht nach und nach das entsprechende Personal zusammengesucht und setzt das nun gewinnbringend ein. Wie flink und intelligent Mario Götze und Daichi Kamada selbst größten Raum- und Gegnerdruck manchmal mit nur einen kleinen Bewegung auflösen und aus einer vermeintlichen Gefahrenlage eine aussichtsreiche Spielsituation damit schaffen, ist bemerkenswert.

Jesper Lindström als Dritter der offensiven Mittelfeldspieler bringt das nötige Tempo mit, ergänzt sich mit seiner Direktheit sehr gut zu den anderen beiden, die sich eher kreativ ausleben dürfen. Und die in Muani eine Linie weiter vorne einen mitspielenden Mittelstürmer vorfinden, der uneigennützig genug ist und schon jetzt in einigen Sequenzen das perfekte Timing mitbringt für einen entsprechenden Lauf.

Denn darum geht es am Ende doch immer: Aus unterschiedlichen Versatzstücken, aus den vielen Stärken einzelner Spieler gruppendynamische Prozesse zu generieren und fließende, aufeinander abgestimmte Bewegungsmuster in allen Spielphasen zu erzeugen. Das ist erste Trainerarbeit und darin ist Oliver Glasner offenbar ein Meister.

Eintracht Frankfurt: Guter Mittelweg aus Anpassung und Identität

Noch ist das nicht gefestigt, noch gibt es auch genug Abstimmungsschwierigkeiten in der Defensive und die mentale Doppelbelastung mit den ersten Spielen in der Champions League in Frankfurts Klubgeschichte steht auch erst an. Aber wie geschmeidig Glasner aktuell schon wieder einen Mittelweg findet aus Anpassungen an die Gegner und dem Wahren der eigenen Identität - die ja erst noch im Wachsen begriffen ist - ist formidabel. Die letzten beiden Spiele jedenfalls waren in der Beziehung grandios.

In Bremen brachen Glasners Ideen jene von Werder-Coach Ole Werner auf, dessen Mannschaft mit ihrer mannorientierten Spielweise am Frankfurter Kombinationsfußball zerbrach. Am Wochenende gegen Leipzig war es die Eintracht, die jenen Fußball spielte, den man eigentlich dem Gegner zutrauen durfte. Frankfurt erdrückte den Gegner mit seinem Pressing und überzog ihn mit kurzen Ballstafetten im Mittelfeld, um dann über die Außen und Halbräume Tempo zu erzeugen.

"Eine tolle Offensivleistung, Spielfreude, Kreativität, super Tiefe im Spiel. Großartige Disziplin von allen Spielern auf dem Platz und eine außergewöhnlich gute Defensivleistung", hatte Glasner gesehen und niemand konnte ihm widersprechen. Die Eintracht war das bessere Leipzig, nun geht es aber auch darum, diese bärenstarken Ansätze zu konservieren. Dann wird Glasner als Motivator und Mentor gefragt sein und manchmal wohl auch als Mahner.

"Wir sind eine Mannschaft, in der jeder seine Aufgabe zu erfüllen hat. Dann können wir erfolgreich sein. Wenn wir denken, es geht mit ein bisschen weniger oder mit mehr Ego, haben wir Probleme!" Diese gar nicht erst entstehen zu lassen, wäre nun die nächste Aufgabe. Oliver Glasner wird sich ihrer annehmen.

Eintracht Frankfurt: Die kommenden Spiele

DatumUhrzeitGegnerOrtWettbewerb
7. September18.45 UhrSportingHChampions League
10. September15.30 UhrVfL WolfsburgHBundesliga
13. September21 UhrOlympique MarseilleAChampions League
17. September15.30 UhrVfB StuttgartABundesliga
1. Oktober15. UhrUnion BerlinHBundesliga
4. Oktober21 UhrTottenham HotspurHChampions League