Erik Durm vom 1. FC Kaiserslautern im Interview: "Ich bin Jürgen Klopp unendlich dankbar"

Philipp Schmidt
20. Juli 202208:46
Glasner berücksichtige Durm in den letzten acht Monaten der Saison 21/22 gar nicht mehr.imago images
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FCK-Neuzugang Erik Durm hat in seiner bisherigen Laufbahn einiges erlebt. Neue Position unter Jürgen Klopp, Weltmeister mit 22, DFB-Pokalsieger, Premier-League-Erfahrung und Europa-League-Sieger mit Frankfurt. Im Interview mit SPOX und GOAL blickt er darauf zurück.

Durm erklärt, warum vor allem Klopp einen ganz besonderen Stellenwert in seiner Karriere einnimmt und erzählt eine lustige Anekdote. Außerdem blickt er auf ein verrücktes Spiel zwischen Dortmund und Bayern zurück, in dem sich Thomas Tuchel und Pep Guardiola gegenseitig übertrumpfen wollten.

Weiterhin berichtet der gebürtige Pfälzer von seiner Station in England, die "vielleicht ein Fehler" war und zeigt wenig Verständnis dafür, dass er bei Eintracht Frankfurt acht Monate ohne eine einzige Spielminute blieb.

Herr Durm, zum Zeitpunkt des letzten SPOX-Interviews im September 2013 hatten Sie gerade in der Profimannschaft des BVB Fuß gefasst, nachdem Sie ein Jahr zuvor aus Mainz gekommen und zunächst im Drittligateam aufgelaufen waren. Der Durchbruch hing auch mit einer Positionsumschulung zusammen. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit zurück?

Erik Durm: Ich war vorher mein Leben lang Stürmer. Dann hatte ich mich in einem Training bei den Profis verletzt und bin vier Monate ausgefallen. Als ich von der Pause zurückkam, hat mich Jürgen Klopp gefragt, was ich von der Idee halte, zukünftig als Außenverteidiger aufzulaufen. Meine Sprintwerte seien für die Position wie gemacht. Ich habe natürlich zugesagt, mir war das egal, wo ich spiele. Hauptsache, ich kriege die Chance, vielleicht mal in der Bundesliga spielen zu dürfen. Wir sind diese Umschulung also zusammen angegangen und dann ging ja alles ziemlich schnell. Ich wurde direkt reingeschmissen und hatte nicht großartig Zeit, das alles zu verarbeiten. Und zum Glück hat das auch alles gut geklappt.

In der Tat. Gleich am 1. Spieltag der Saison 13/14 haben Sie gegen Augsburg debütiert, am Ende der Spielzeit waren es 31 Einsätze, viele davon über 90 Minuten - zumeist als Linksverteidiger.

Durm: Genau, Marcel Schmelzer fiel aus, Lukasz Piszczek war an der Hüfte verletzt und Kevin Großkreutz nahm dessen Position ein. So ist diese Idee entstanden.

Nimmt Klopp aufgrund dieser Chance auch im Rückblick noch einen besonderen Platz in Ihrer Karriere ein?

Durm: Definitiv. Ich habe ja immer wieder betont, dass er für mich wie eine Vaterfigur war. Erstens, weil er gemeinsam mit David Wagner (Trainer der zweiten Mannschaft, Anm. d. Red.) dieses Potenzial in mir gesehen hat. Und zweitens, weil er extrem hinter seinen Spielern und seiner Idee vom Fußball gestanden hat. Er ist ein Menschenfänger und weiß, wie er jeden Einzelnen zu behandeln hat. Und genau deshalb ist er auch so erfolgreich. Er hat das überragend gemacht, wusste genau, wie er mich nehmen muss. Ich bin ihm unendlich dankbar, das weiß er auch. Wir haben immer noch ein super Verhältnis.

Gibt es eine Anekdote, die Ihr Verhältnis zu ihm ganz gut beschreibt?

Durm: Ich hatte mich mal bei einem Training in der Zeit vertan, als ich gerade drei Monate Profi war. Als ich beim Bäcker stand und dabei war, mir ein Brötchen zu bestellen, klingelte plötzlich mein Handy. Ich freute mich über seinen Anruf, weil ich dachte, dass ich nichts falsch gemacht habe. Er fragte mich, wie es mir geht. Ich fragte ihn das Gleiche. Er fragte mich, was ich gerade mache. Als ich sagte, dass ich beim Bäcker bin, sagte er, dass er auf dem Trainingsplatz steht und ob ich vielleicht Lust hätte, auch noch vorbeizuschauen. Erst war er sauer, weil er nicht wusste, ob ich noch im Bett liege, aber als er merkte, dass ich mich wirklich nur im Plan geirrt habe, war er total entspannt. Ich wurde dann lachend auf dem Platz empfangen. Mittags schrieb er mir direkt, dass ich mir keinen Kopf machen soll und alles cool ist. Bei anderen Trainern hätte das vielleicht fast schon die Karriere gekostet. Ich habe direkt wieder gespielt und die volle Rückendeckung bekommen. Aufgrund solcher Aktionen ist es klar, dass jeder Spieler für ihn durchs Feuer geht.

Erik Durm schaffte unter Jürgen Klopp auf neuer Position den Durchbruch.getty

Durms ersten Kontakt mit Löw: "Kloppo hatte mich vorgewarnt"

Bereits ein knappes Jahr später folgte mit der WM ein großes Highlight, kurz zuvor standen Sie gegen Kamerun erstmals für den DFB auf dem Platz. Wie überraschend kam die Nominierung damals für Sie und wissen Sie noch, wie Sie davon erfahren haben?

Durm: Es wäre schlimm, wenn ich das nicht mehr wissen würde (lacht). Joachim Löw rief mich an, als ich gerade auf dem Heimweg vom Training war. Kloppo hatte mich aber bereits vorgewarnt, dass es kein Fake-Anruf ist und ich nicht direkt auflegen soll, weil ich denke, jemand will mich verarschen. Es war ja meine erste richtige Saison als Profi und nicht unbedingt abzusehen. Ich war natürlich überglücklich und habe direkt meine Eltern angerufen.

Sie kamen während des Turniers, das mit dem WM-Titel gekrönt wurde, nicht zum Einsatz. Wie war der Austausch mit dem Trainerteam? War klar, dass es in der Regel schwierig für Sie werden würde, auf Spielzeit zu kommen, wenn es keine Ausfälle gibt?

Durm: Der Kontakt war - wie bei allen - super. Joachim Löw war ein sehr lockerer Trainer, der auch neben dem Platz immer mal ein Späßchen gemacht hat. Harmonie stand über allem, das war deutlich zu spüren und war auch der Grund für den tollen Teamgeist. Einige junge Spieler waren zum ersten Mal dabei und kamen nicht zum Einsatz. Das war uns aber völlig egal, das war alles sowieso schon wie in einem Traum. Einmal hätte ich aber dann doch fast gespielt ...

Erzählen Sie.

Durm: Im Viertelfinale gegen Frankreich hätte ich in der Halbzeit für Benedikt Höwedes eingewechselt werden sollen. Ich war sehr nervös und habe mich aufgewärmt. Benni meinte zu mir: 'Mir reißt gleich der Schlauch. Mach' dich fit.' Das Spiel war ja sehr eng und da geht dann schon der Puls hoch. Er hat sich dann aber doch durchgebissen. Nach dem Algerien-Spiel rückte Philipp Lahm auf die rechte Seite und dann war relativ klar, dass ich höchstens mal als Einwechselspieler zum Einsatz komme.

Unabhängig vom Sportlichen war doch sicherlich das gesamte Turnier inklusive Vorbereitung ein Riesen-Erlebnis, oder?

Durm: Auf jeden Fall. Ich kannte die meisten Spieler nicht, hatte höchstens mal ein bis zwei Spiele gegen sie gemacht. Einen Schweinsteiger, Klose oder Özil hatte ich zuvor noch nie getroffen. Ich habe mich wie ein kleiner Junge gefühlt. Im Campo Bahia war ich bei Lahm, Müller, Hummels und Kramer in einem Haus. Ich habe auch nach der WM noch lange gebraucht, das alles zu verarbeiten. Ein Jahr zuvor hatte ich noch in der 3. Liga gekickt. Wer das nicht besonders findet, bei dem läuft etwas falsch.

Kommen wir zurück zum BVB: Nach den Meisterjahren zeigte die sportliche Kurve nach unten. Im April 2015 erklärte mit Klopp Ihr großer Förderer seinen Rücktritt. Wie erlebten Sie die Zeit?

Durm: Es war für uns alle ein Schock und wir waren am Boden zerstört. Ich habe - beim Friseur sitzend - zum ersten Mal im Internet vom Rücktritt erfahren. Wir wussten natürlich, dass der Saisonstart mies war, im Winter standen wir auf einem Abstiegsplatz. Wir spielten oft ordentlich, aber die Ergebnisse stimmten einfach nicht. Klopp war das Gesicht des Vereins, man fühlte sich als Spieler verantwortlich dafür, obwohl wir in der Rückrunde gezeigt haben, was wir können und wie sehr wir ihn als Trainer schätzen.

Kleinere und größere Verletzungen prägen Ihre Karriere. Eine Knie-OP kostete Sie die erste Hälfte der Saison 15/16, ein Jahr später mussten Sie sich erneut einem Eingriff am Knie unterziehen und waren erst Ende 2016 wieder einsatzfähig. Nachdem Sie im Saisonendspurt wieder meist fit waren und beim Pokalsieg gegen Frankfurt zum Einsatz kamen, fielen Sie in der kommenden Saison komplett aus. Wie schwierig war diese Zeit auch mental?

Durm: Verletzungen waren leider immer wieder ein Thema bei mir. In den letzten drei Jahren beim BVB war ich zwei Jahre verletzt. In der Saison 17/18 wurde ich zuerst an der Hüfte operiert. Ich kämpfte mich zurück, war fünf Tage im Training und habe mir dann die Bänder gerissen, weil ich auf einem Hütchen ausgerutscht bin. Die Verletzung wurde falsch behandelt, aus drei Wochen wurden fünf Monate. Da kam wirklich alles zusammen.

Weltmeister ohne Einsatz. imago images

Tuchel: "Wir haben gefühlt jedes System gespielt"

Vor diesem Seuchenjahr baute Klopp-Nachfolger Thomas Tuchel eigentlich immer auf Sie, wenn Sie fit waren. Fühlten Sie sich besonders in dieser Phase so richtig in der Mannschaft angekommen? Tuchel schwärmte oft von Ihrer Vielseitigkeit.

Durm: Ich haben auf jeden Fall die Wertschätzung des Trainers gespürt, war aber nie so vermessen, dass ich gedacht habe, dass ich DER Spieler auf irgendeiner Position bin. In Dortmund kann man sich sowieso nie sicher sein. Durch die Verletzungen war es zudem schwierig, das Level immer zu halten. Im Nachhinein denkt man natürlich ab und zu daran, was ansonsten hätte sein können, aber das bringt nichts. Ich bin froh, wie alles gekommen ist, habe in dieser Zeit meine Frau kennengelernt und tolle Stationen hinter mir.

Wie stark war der Kontrast von Tuchel zu Klopp, was Ansprache und Trainingsmethodik angeht?

Durm: Taktisch war das unglaublich professionell, wir haben gefühlt jedes System gespielt, das es auf der Welt gibt. Als wir gegen Bayern und Pep Guardiola gespielt haben, haben sich die beiden alle zehn Minuten dabei übertroffen, andere taktische Anordnungen zu wählen. Er war sehr akribisch, hat einen sehr hohen Wert auf das Passspiel gelegt. Er hat versucht, neue Reize reinzubringen, erinnern kann ich mich an die Meditation mit der kompletten Mannschaft.

2018 haben Sie ein Jahr Erfahrung im Ausland gesammelt. Beim FC Huddersfield trafen Sie auf ihren Ex-Trainer Wagner. War er der Hauptgrund für den Wechsel?

Durm: Huddersfield kam definitiv nur wegen ihm infrage. Er war in meiner Anfangszeit in Dortmund wie ein Ziehpapa für mich. Nach all den Ausfällen beim BVB wollte ich einfach mal weg aus dem Umfeld, Wagner wollte mich unbedingt haben, ich habe blind zugesagt. Im Nachhinein war das Jahr vielleicht ein Fehler.

Obwohl Sie 28 Spiele gemacht haben?

Durm: Ich habe viel gespielt, das stimmt. Sportlich war es völlig in Ordnung, ein Jahr nach der Hüft-OP regelmäßig Spielpraxis zu bekommen. Aber der Abstieg war natürlich nicht schön, und das viele Alleinsein in einem fremden Land, gepaart mit dem schlechten Wetter, war schon sehr deprimierend. Durch diese Erfahrung wusste ich, dass ich die Nähe zur Heimat brauche, um in zwei oder drei Stunden jederzeit mal bei der Familie anklopfen zu können. Das hat mir extrem gefehlt. Auch im Falle des Klassenerhalts wäre ich wieder zurück nach Deutschland gegangen.

Diese Nähe zur Heimat war in den vergangenen drei Jahren in Frankfurt wieder gegeben. Vor allem in der zweiten Saison haben Sie viel gespielt, auch zu Beginn der abgelaufenen Spielzeit standen Sie in der Startelf. Was sind die Gründe dafür, dass Sie seit November 2021 kein Spiel mehr bestritten haben?

Durm: Das weiß ich leider auch nicht so ganz genau (lacht). Ich bin auch niemand, der nachtreten will. Ich hatte die ersten acht Spiele der vergangenen Saison absolviert und mir dann gegen Köln eine Kopfverletzung zugezogen. Eine Woche später sollte ich in München spielen, lag aber wegen der Gehirnerschütterung sechs Tage in einem dunklen Zimmer und habe mich nicht dazu in der Lage gefühlt zu spielen. Im November hätte ich in Piräus spielen sollen, war zusammen mit dem Trainer auf der Pressekonferenz, abends hatte ich dann Magen-Darm-Probleme und musste mich übergeben. Drei Tage danach habe ich gegen Fürth eine Halbzeit durchgehalten, nach 45 Minuten wurde ich ausgewechselt, da hatten wir als Mannschaft nicht gut performt. Danach war ich acht Monate komplett raus.

Es gab dann auch keinen regelmäßigen Austausch mehr mit Trainer Oliver Glasner?

Durm: Ich habe natürlich gefragt, was los ist. Mir wurde gesagt, dass andere Spieler aktuell besser trainieren. Ich sage es mal so: Für mich war es schon sehr ungewöhnlich, dass man acht Spiele in Folge absolviert hat und dann auf der Position nur noch die Nummer sieben war.

Auch beim spektakulären Saisonende mit dem Sieg in der Europa League standen Sie nicht im Kader. Verglichen mit den beiden anderen Titeln mit dem BVB und DFB: Welcher hat für Sie den höchsten Stellenwert?

Durm: Viele sagen: 'Ist er überhaupt Weltmeister, weil er nicht gespielt hat?' Das darf jeder für sich entscheiden. Man darf nicht vergessen, dass ich auch mit der Eintracht in der Europa League zwei Gruppenspiele bestritten habe und auch in der Vorsaison daran beteiligt war, dass wir uns überhaupt für den Wettbewerb qualifiziert haben. Deshalb fühlen sich die beiden Erfolge mit Dortmund und Frankfurt nach etwas mehr an, weil man Spielminuten bekommen hat. Dennoch bin ich auch stolz auf den WM-Sieg und lasse ihn mir nicht mehr nehmen - egal, was alle sagen. Ich war jung und durfte etwas Besonderes miterleben. Manchen ist dies gar nicht vergönnt.

Durm: FCK "mit der Grund, warum ich Fußballer geworden bin"

Im Juni haben Sie nun beim Zweitligaaufsteiger in Kaiserslautern unterschrieben. Wie kam es für Sie als gebürtigem Pfälzer zu dem Schritt?

Durm: Als die Anfrage kam, war relativ schnell klar, dass der Wechsel zustande kommt. So schnell hatte ich noch nie einen Vertrag unterschrieben. Es wurde nicht groß gefeilscht, beide Seiten wollten es. Knapp eine Woche vor der Unterschrift gab es den ersten Kontakt. Zu dem Zeitpunkt gab es noch ein paar andere Anfragen, aber als der FCK angeklopft hat, stand direkt fest: Ich will nach Hause. Ich will das Gefühl haben, das ich als Kind auf der Tribüne hatte.

Waren Sie in Ihrer Jugend eingefleischter Fan?

Durm: Natürlich. Ich hatte ein Trikot mit Sponsor Crunchips und Ciriaco Sforza auf dem Rücken und die Bälle mit Maskottchen Betzi drauf. Für die Westkurve war ich noch zu klein, aber für fast jeden in der Gegend ist es aufgrund der Strahlkraft der Verein schlechthin. Das merkt man auch im Moment wieder, welche Euphorie hier herrscht. Und der FCK war mit der Grund, warum ich Fußballer geworden bin.

In der Vorbereitung litten Sie auch wieder unter muskulären Problemen. Wie fit sind Sie zum Start der Saison?

Durm: Ich fühle mich gut, auch wenn ich nicht alle Trainingseinheiten komplett absolvieren konnte. Mein Laufprogramm konnte ich aber abspulen, muskulär musste ich etwas aufpassen nach einer solch langen Pause. Das hat sich ausgezahlt, der Muskel ist in Ordnung und ich kann wieder mit der Mannschaft trainieren. Ich hoffe, dass wir und natürlich auch ich verletzungsfrei durch die Runde kommen.

Erik Durm: Statistiken bei seinen Stationen

ZeitVereinSpieleToreVorlagenGelbe KartenMinuten
2012-2013BVB II322132.414
2013-2018BVB9721157.115
2018-2019Huddersfield29-1-2.127
2019-2022Frankfurt461332.958