Ex-Ajax-Juwel Dani Koks: "Kühlschrank"-Vertrag, De-Jong-Schicksal und eine zweite Leidenschaft

Stanislav Schupp
03. November 202116:30
Dani Koks spielte in der Jugend für Ajax Amsterdam.imago images
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Koks zählte zu den begehrtesten Talenten des Landes, spielte mit heutigen Superstars. Mit gerade einmal 23 ist der Profitraum aber wieder Geschichte.

Dani Koks hat ein breites Grinsen auf dem Gesicht, wenn er seine Zeit bei Ajax Amsterdam Revue passieren lässt. "Das war eine ganz andere Welt", erzählt er im Gespräch mit SPOX und Goal.

Koks kam im Alter von 14 Jahren in die prestigeträchtige Talentschmiede des niederländischen Meisters. Der zentrale Mittelfeldspieler galt als eines der größten Juwele des Landes, dem alle Türen offen standen. Der Traum vom Profi war präsenter denn je.

Anno 2021 ist dieser für den gerade einmal 23-Jährigen allerdings bereits Geschichte. Während seine einstigen Akademie-Kollegen Frenkie de Jong oder Matthijs de Ligt heute auf höchstem Level spielen, widmet sich Koks einer anderen Leidenschaft: Er gründete ein Unternehmen für Videoproduktionen, kreiert unter dem Pseudonym Dani Digitals beispielsweise Werbe- oder Hochzeitsaufnahmen.

Mit dem Fußball hat Koks nach einigen Enttäuschungen bereits früh abgeschlossen - freiwillig. Dabei hatte die Reise äußerst vielversprechend begonnen.

Ex-Ajax-Talent Koks: Telefonterror und ein "Kühlschrank"-Vertrag mit Frenkie de Jong

Bereits im Alter von sieben Jahren stieß Koks zur ersten großen Nachwuchsakademie. Seinerzeit war es die von Willem II, national wie international ebenfalls angesehen, brachte der Klub doch Größen wie Frenkie de Jong oder Virgil van Dijk hervor. Ersteren kennt er seither.

"Mit 14 hatte ich mein bestes Jahr", erinnert sich Koks: "Man kann sagen, dass es im Team nur um mich ging. Ich war Kapitän und habe als Mittelfeldspieler 30 Tore geschossen." Dies blieb auch den anderen Größen des Landes nicht verborgen. Und dann ging die Jagd los.

"Ich war gerade in der Schule, als mein Vater mich anrief und sagte: 'Dani, du wirst es nicht glauben, aber Feyenoord hat angerufen. Sie wollen, dass du kommst.' Ich fand das absolut verrückt." Als sei dies nicht genug gewesen, klingelte sein Handy nur wenige Minuten später erneut, diesmal war es PSV Eindhoven, das Interesse bekundet hatte. Eine Woche verging, ehe Koks senior die Bombe platzen ließ - Ajax war ebenfalls interessiert. "Ich dachte, er macht Witze", blickt Koks zurück: "Innerhalb von nur einer Woche hatte sich meine komplette Karriere verändert. Das war das stressigste Jahr überhaupt."

Koks hatte die vielzitierte Qual der Wahl. Aus dem Ausland gab es zudem ein Angebot von Aston Villa. Auch Willem II wollte sich nicht kampflos geschlagen geben und ließ sich etwas ganz Besonderes einfallen. "Da ich erst 14 war, war es nicht legal, mir einen Vertrag anzubieten", verrät Koks. Also bot man ihm einen "Kühlschrank"-Vertrag an. "Den hätten sie nach meiner Unterschrift bis zu meinem 16. Lebensjahr im "Kühlschrank" behalten, also aufbewahrt, ehe er sich in einen Profivertrag verwandelt hätte", erklärt der frühere Juniorennationalspieler. Den gleichen habe man auch De Jong angeboten, den der heutige Barca-Star auch unterschrieb.

Koks hingegen lehnte all dies ab, entschied sich 2012 für Ajax. Er sei sich sicher gewesen, dass Ajax die "beste Nachwuchsakademie Europas, wenn nicht sogar weltweit" habe.

Mit seiner Spielweise hätte Koks nach eigener Aussage eher woanders hin gepasst, doch er hatte andere Ansprüche an sich selbst. "Ich war ein Box-to-Box-Spieler, einer, der perfekt zu PSV oder Feyenoord gepasst hätte", erklärt Koks, der in Amsterdam größeres Entwicklungspotenzial sah: "Ajax legte hingegen viel mehr Wert auf Passspiel und Kreativität, auf Tiki taka sozusagen. Ich konnte dort also an etwas arbeiten und schneller verbessern, was nicht gerade zu meinem Spezialgebiet gehörte."

Koks schloss sich 2012 der Ajax-Nachwuchsakademie an.imago images

Legende als Gegenspieler und purer Teenager-Luxus: "Das ist einfach Ajax"

Da war er nun, in einer der renommiertesten Talentschmieden der Welt, Seite an Seite mit den besten Talenten des Landes. Vor allem zwei stachen dabei heraus. "Matthijs de Ligt und de Jong waren unvergleichlich. Frenkie war ein unglaubliches Naturtalent und Matthijs war bereits mit 14 genauso groß und stark, wie er es jetzt ist", sagt Koks schmunzelnd: "Sein Pass- und Abwehrspiel waren damals schon beeindruckend."

Den Moment, als er die Akademie betrat, bezeichnet er noch heute als "prägendstes Erlebnis" seiner Karriere. Sogar mit Legende Dennis Bergkamp durfte er einst trainieren. "Er hat mit den Profis trainiert und unser U15-Trainer fragte ihn, ob er nicht bei uns mitmachen wolle. In den Trainingsspielen war er einfach mein direkter Gegenspieler", erinnert sich Koks begeistert.

Trotz des Prestige und der zahlreichen Top-Talente herrschte bei Ajax keine Ellbogen-Kultur. Natürlich habe ein gewisser Konkurrenzgedanke geherrscht, "aber untereinander hat man das nie gespürt", betont Koks: "Als ich dorthin kam, hielt ich Ajax für einen arroganten Klub. Jede Mannschaft, gegen die wir gespielt haben, sei es Anderlecht oder Manchester United, hat zu uns aufgeschaut. Der Sozialgedanke war aber sehr präsent." Im Endeffekt sei Ajax "ein wärmerer Verein als Willem II" gewesen.

Es hat etwas gedauert, bis Koks realisierte, dass er tatsächlich Teil von Ajax war, auf Turniere ins Ausland reisen und bereits in jungen Jahren den ganzen Luxus des Vereins genießen würde.

"Zunächst wohnte ich noch bei meinen Eltern in Tilburg und hatte einen privaten Fahrer, der mich fünfmal die Woche anderthalb Stunden zu Trainings und Spielen nach Amsterdam und wieder zurück fuhr. Später trainierten wir zweimal am Tag, also stellte mir Ajax ein Zimmer im Hilton Hotel unweit des Stadions zur Verfügung." All das, gesteht Koks, habe ihn "etwas arrogant werden lassen. Es war für alles gesorgt, sodass ich mich vollkommen auf Fußball konzentrieren konnte. Das ist einfach Ajax."

Volle Konzentration also für den großen Traum. "Mit jedem Jahr kam ich näher an die Profis. Jedes Jahr habe ich mich gefragt, ob ich derjenige bin, der es ganz nach oben schafft", sagt Koks.

Doch die Einsatzzeiten in der Jugend schwanden, genauso wie die Perspektive. Koks schaffte es nicht. "Nach drei Jahren war ich unsicher, ob ich den Sprung zu den Profis vielleicht nicht doch lieber woanders schaffen würde", erinnert sich Koks. Mit Donny van de Beek oder Abdelhak Nouri hatte er große Konkurrenz auf seiner Position. "Zum damaligen Zeitpunkt dachte ich, dass es die beste Entscheidung sei, zu Willem zurückzukehren", begründet Koks seinen Entschluss. Es sollte einer werden, den er später als "größten Fehler seiner Karriere" bezeichnet.

Koks' Rückkehr zu Willem: Torwarttrainer-Feedback, "De-Jong-Verjager" und leere Versprechen

Bei Willem versprach man Koks einen Vertrag, der ihm zusicherte, mit den Profis zu trainieren und zu spielen. Diesen sollte der damals 17-Jährige jedoch erst im zweiten Jahr erhalten. "Sie haben mich damit gelockt, boten mir das aber doch nicht an. Stattdessen spielte ich in der U19 und U23. Ich trainierte nur hin und wieder bei den Profis", sagt er.

Jürgen Streppel, seinerzeit Cheftrainer der ersten Mannschaft, schien für ihn und andere Talente keine Verwendung zu finden. "Er mochte keine jungen Spieler. Er ließ auch De Jong nicht spielen", sagt Koks über den heute 36-maligen Nationalspieler, der unter Streppels Leitung gerade einmal zwei Ligaspiele absolvierte. "Das sagt einiges über ihn und seinen Umgang mit vielversprechenden Talenten aus", ergänzt Koks. "Ich sage nicht, dass ich genauso gut wie Frenkie war, aber ich hatte das gleiche Problem." Streppel habe Koks für "abgehoben" gehalten: "Er dachte, ich würde mich für etwas Besseres halten, was nicht der Fall war."

Also ging Koks ins Ausland, spielte zwei Monate bei Newcastle United vor. Auch dort musste er jedoch feststellen, dass man ihn auf die falsche Fährte gelockt hatte. "Ich hatte bei einem Freundschaftsturnier mit der U23 überzeugt, zahlreiche Zeitungen schrieben über mich", lässt Koks seine Zeit bei den Magpies Revue passieren: "Der Verein hatte im Vorfeld mit meinem Berater über einen Profivertrag gesprochen, doch als wir zurückkamen, boten sie mir nur noch einen Jugendvertrag an. Sie wollten sehen, wie ich mich entwickle."

Zurück bei Willem gab es zwar schließlich besagten Vertrag, auf einen Einsatz bei den Profis wartete Koks auch unter Neu-Coach Erwin van de Looi jedoch vergeblich. Genauso wie auf eine Begründung. "Der Chefcoach sprach nicht mit den Nachwuchsspielern", verrät Koks: "Ich musste mir beim Torwarttrainer mein Feedback einholen." Gerade bei Willem seien die Profis und der Nachwuchs "sehr weit voneinander entfernt. Die Jugend wird nicht genug unterstützt."

Ein "Fußballurlaub" und entscheidende sechs Monate in Belgien

Nach insgesamt drei Jahren ohne Profieinsatz verlängerte Willem II 2018 seinen Vertrag nicht. Koks zog es auf der Suche nach dem richtigen Ort in die USA und später nach Belgien - alles ohne Erfolg.

"In den USA habe ich mich über Kontakte in der Sommerpause bei den Houston Dutch Lions in der dritten Liga fit gehalten und versucht, einen MLS-Klub zu finden", erklärt Koks: "Am Ende war es nicht mehr als ein dreimonatiger Fußballurlaub."

In Belgien wurde es noch schlimmer, dort probierte sich Koks beim viertklassigen KVV Vosselaar. "In den ersten sechs Monaten wurde es immer schlimmer. Die Plätze waren katastrophal und die Spielweise passte nicht zu mir", erinnert er sich: "Mit jedem Training und jedem Spiel verlor ich immer mehr meinen Fokus und die Freude."

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Koks die Frage gestellt, "ob ich unglücklich weiterspiele und schaue, wohin es mich führt, oder ob ich etwas komplett anderes mache, aber darin dafür meine Freude wiederfinde."

Der Entschluss mündete im Karriereende - mit gerade einmal 20 Jahren.

Koks: "Das war ein Versagen ihrerseits"

In der Folge studierte Koks Internationales Marketing, arbeitete als Restaurantleiter und gründete schließlich sein Unternehmen. "Ich habe es schon immer geliebt, Videos zu drehen und zu gestalten, beispielsweise kleine Aftermovies nach Urlauben. So entstand die Agentur, die auf Fotografie, Videografie und Werbung spezialisiert ist", sagt er.

Reue verspürt Koks keine. Schließlich entschied er sich aus freien Stücken für diesen Weg. "Im Fußball braucht man Talent und Glück. Und genau dieses Quäntchen Glück hat mir gefehlt", sagt Koks, der keinen Hehl daraus macht, dass er heute gerne mit seinen ehemaligen Mitstreitern auf dem Platz stehen würde. "Ich hatte einfach Pech, dass ich mit Leuten arbeiten musste, die mein Potenzial nicht sahen und vor allem keinen Plan hatten, wie sie mir helfen konnten, das Niveau zu erreichen, auf dem sie mich haben wollten. Das war ein großes Versagen ihrerseits."

Dennoch war es ein Weg, der mit Blick auf seine Persönlichkeitsentwicklung durchaus lehrreich war. "Ich hatte bereits in jungen Jahren die nötige Reife", erklärt Koks: "Ich wollte damals Profi werden und habe dem alles untergeordnet." Während alle anderen auf Partys gingen, bevorzugte es Koks früh ins Bett zu gehen, um fit für das anstehende Spiel zu sein. "Ich hatte nie das Gefühl, etwas zu verpassen. Auch nicht, als ich älter wurde. Meinen ersten Bacardi Cola habe ich mit 20 getrunken", sagt er.

All das gab ihm jedoch eine gewisse Unabhängigkeit und Disziplin, "die ich heute auf meinen neuen Berufsweg projizieren kann".

Koks und der erneute Traum im Fußball: "Ich kenne einen ..."

Einen Groll gegen das Geschäft, das er auf dem Weg zu seinem großen Traum als "ekelhaft" kennenlernte, hegt Koks ungeachtet seiner persönlichen Erlebnisse nicht - im Gegenteil.

Beim fünftklassigen RKSV Sarto hat er seine Leidenschaft für den Sport wiedergefunden. "Das ist eine Art Fußball, bei der es um nichts geht. Du spielst mit deinen Freunden und trinkst anschließend ein Bier zusammen", sagt Koks grinsend.

Und auch beruflich soll es zeitnah wieder Richtung Fußball gehen. "Ich versuche immer noch, den Kontakt zu meinen ehemaligen Mitspielern aufrecht zu erhalten. Hoffentlich kann ich eines Tages meine Arbeit mit Fußball verbinden", sagt er. Eine erste Möglichkeit dazu soll sich bereits bald bieten: "Ich kenne einen Spieler, der einen Wechsel anstrebt. Ich habe ihm bereits angeboten, professionelle Videos rund um die Verkündung des Transfers zu erstellen."

Dass Koks nochmal selbst aktiv ins Profigeschäft einsteigt, hält er für unwahrscheinlich. Ein Umstand könnte ihn allerdings locken: "Wenn ich die Möglichkeit hätte, ein paar Jahre irgendwo für gutes Geld zu spielen, würde ich es tun", erklärt er: "Nur, um mir für die Zeit nach der Karriere eine finanzielle Basis zu schaffen."