Ex-HSV-Spieler Matti Steinmann im Interview: "Mir war klar: Wir schaffen das nicht mehr, komme was wolle"

Thomas Weber
08. Januar 202112:00
Matti Steinmann stieg 2018 mit dem HSV ab.getty
Werbung

Matti Steinmann stand gleich mehrmals beim HSV unter Vertrag und erlebte in der Hansestadt unter anderem den ersten Abstieg der Vereinsgeschichte mit. Wie es nach dem 34. Spieltag der Saison 2017/18 in der Kabine zuging, erzählt Steinmann im Interview mit SPOX und Goal.

Außerdem berichtet Steinmann, der am heutigen 8. Januar seinen 26. Geburtstag feiert, von seinem Bundesliga-Debüt gegen den FC Bayern und warum es ihn mittlerweile nach Indien verschlagen hat.

Dort schnürte der Mittelfeldspieler zuletzt für seinen Klub SC East Bengal einen Doppelpack. Für SPOX und Goalwar er einige Tage zuvor via Skype erreichbar.

Herr Steinmann, wo treffe ich Sie gerade an?

Matti Steinmann: Ich bin seit Mitte Oktober in Indien und werde auch die Feiertage hier verbringen. Alle elf Mannschaften der Liga sind in verschiedenen Hotels der Stadt einquartiert und wir dürfen das Hotel auch nicht verlassen, außer zum Training.

Sie kennen bisher also nur den Flughafen, das Hotel und das Stadion?

Steinmann: Ja genau, Indien kenne ich nur aus dem Busfenster von der Fahrt zum Training. (lacht) Aber ich bin ja auch zum Fußball spielen hier, nicht zum Urlaub machen.

Haben Sie das so erwartet, als Sie in Indien unterschrieben haben?

Steinmann: Ich wusste nicht, dass ich das Hotel nicht verlassen darf. Das ist ein bisschen schade, aber im Moment dürfen ja viele Menschen nicht das Leben führen, das sie gern führen würden. Im Team spielen wir zusammen Karten, essen zusammen und gammeln zusammen rum. Das Ganze ist ein wenig wie eine Klassenfahrt.

Etwas zu alt für eine Klassenfahrt, mit 19 aber dennoch sehr jung waren Sie am 14. September 2014. Damals gaben Sie beim 0:0 gegen den FC Bayern Ihr Bundesliga-Debüt für den HSV. Wie erinnern Sie sich an den Tag?

Steinmann: Ich weiß noch, wie ich vom Warmmachen zur Seitenlinie gelaufen bin und ganz nervös versucht habe, meine Schienbeinschoner irgendwo reinzuschieben. Es war super aufregend. Weil ich nur zwei Minuten gespielt habe, hatte ich dann glücklicherweise nicht so viel Zeit nachzudenken.

Matti Steinmann spielte 2015 bei der U20-WM in Neuseeland für das DFB-Team.imago images

Steinmann: "Habe mir damals sicherlich eine Karriere in der Bundesliga erträumt"

Damals waren Sie gerade aus der A-Jugend hochgekommen, waren U-Nationalspieler und hatten in Joe Zinnbauer einen Trainer, der Sie bereits aus der 2. Mannschaft kannte und Ihnen vertraute. Was war das für ein Gefühl?

Steinmann: Direkt eingesetzt zu werden und das Vertrauen vom Trainer zu spüren war natürlich super. Ich habe mir damals sicherlich eine große Karriere in der Bundesliga erträumt, wusste aber auch, dass das die Wenigsten schaffen. Darum war ich umso glücklicher, für den HSV mein Bundesliga-Debüt geben zu können. Letztlich hatte ich mir natürlich noch mehr Einsätze erhofft, habe mich aber leider kurz nach dem Bayern-Spiel am Knie verletzt und war so erstmal raus.

Auch wenn Sie rund einen Monat später nochmal gegen den FC Bayern im DFB-Pokal randurften, der Durchbruch blieb Ihnen 2014/15 verwehrt. Was hat Ihnen damals gefehlt?

Steinmann: Ich würde sagen, mir hat ein wenig die Geduld gefehlt. Als es mit meinem Knie nicht sofort wieder lief, habe ich mir nicht die Zeit gegeben, stärker wieder zurückzukommen, sondern wollte direkt wieder angreifen. So ein bisschen habe ich mir zu der Zeit natürlich auch erhofft, möglichst schnell Stammspieler in der Bundesliga zu sein, statt das Ganze als Prozess zu begreifen. Aus heutiger Sicht hätte ich da mehr dranbleiben sollen und sagen sollen 'ich setz mich jetzt hier durch'.

Im Sommer 2015 wollten Sie den HSV dann verlassen, der 1. FC Kaiserslautern, damals noch Zweitligist, bemühte sich um eine Verpflichtung. Wie war es, als Sie erfuhren, dass der HSV Sie nicht dauerhaft gehen lassen, sondern nur verleihen wollte?

Steinmann: Eigentlich wollte ich ja weg, weil ich die Jahre zuvor viel bei den Profis trainiert hatte und mir gesagt wurde 'wir bauen auf dich', es letztlich aber nicht so geklappt hat. Darauf hatte ich keine Lust mehr. Wie gesagt, ich war sehr ungeduldig damals. Als dann nach der U20-WM der Anruf kam und die HSV-Verantwortlichen mir mitteilten, dass sie mich doch nochmal testen wollen, war ich eher weniger begeistert, habe aber zugestimmt. So habe ich die Vorbereitung beim HSV mitgemacht, letztlich aber doch die Entscheidung getroffen, etwas Neues ausprobieren zu wollen. Ich wollte mehr spielen.

Steinmann: "Wollte in Mainz unter Super-Trainer Sandro Schwarz spielen"

Nach einer Leihe in die 3. Liga zum Chemnitzer FC lösten Sie Ihren Vertrag beim HSV 2016 auf und gingen zur zweiten Mannschaft von Mainz 05. Wieder 3. Liga, diesmal Abstiegskampf. Wieso der Rückschritt?

Steinmann: Um beim HSV für die Profis zu spielen, hätte ich in Chemnitz bessere Leistungen abrufen müssen. Ich hatte dort zwar einige gute Spiele, aber keine überragende Saison und so hat es nicht gereicht. Und da ich nicht wieder bei der zweiten Mannschaft des HSV versauern wollte, haben wir den Vertrag aufgelöst. Dauerhaft in Chemnitz zu bleiben war dann auch eine Option, als mich allerdings Sandro Schwarz anrief und mir sagte, er wolle mich in Mainz, war mir sofort klar, dass ich das machen will. Er hatte mich im Spiel mit Chemnitz gegen seine Mannschaft gesehen und wollte mich pushen und sagte mir, dass in ein, zwei Jahren vielleicht auch der Weg nach oben offen sein könnte. Klar war ich etwas skeptisch, weil es wieder eine zweite Mannschaft war, aber durch die Gespräche mit Sandro wollte ich unbedingt unter diesem Super-Trainer spielen. Im Nachhinein war das die richtige Entscheidung.

Der Plan, es eventuell zu den Profis in Mainz zu schaffen, ist bekanntlich nicht aufgegangen, stattdessen ging es nach einem Jahr wieder zum HSV in die Regionalliga.

Steinmann: Das stimmt, sportlich hat sich der Wechsel zu Mainz nicht so ausgezahlt, wie ich mir das erhofft hatte, aber ich hatte dort persönlich ein tolles Jahr. Ich hatte mir Sandro einen tollen Trainer und habe es keine Sekunde bereut, nach Mainz gegangen zu sein. Durch den Abstieg aus der 3. Liga ging es in Mainz für mich aber nicht weiter. Ich habe für mich anschließend beschlossen, nicht mehr so viel umziehen zu wollen und lieber wieder in Richtung Heimat zu gehen. Damals habe ich überlegt, ein ganz anderes Leben zu beginnen, zu studieren etwa und Fußball nur nebenbei zu spielen. Als dann das Angebot des HSV kam, passte das als Gesamtpaket genau dazu. Eigentlich war mir recht früh klar, dass ich nicht 15 Jahre Fußball spielen und nebenbei nichts machen werde.

Wie weit war die Bundesliga damals gedanklich weg?

Steinmann: Kilometerweit, weiter ging es eigentlich gar nicht. Zu dieser Zeit habe ich keine Sekunde daran gedacht, dass ich nochmal in der Bundesliga auflaufen könnte, ich hatte damit eigentlich schon abgeschlossen. Blöd war damals nur, dass ich aufgrund eines Fehlers bei meiner Uni-Bewerbung nicht wie geplant studieren konnte. Sportlich lief es beim HSV aber wieder super, vor allem wegen Christian Titz.

Titz übernahm im März 2018 von Bernd Hollerbach die Profis, die Bundesliga kam für Sie wieder näher. Haben Sie sich Chancen auf weitere Profi-Einsätze ausgerechnet, als Sie von Titz' Beförderung hörten?

Steinmann: Ich hatte schon im Laufe der Hinrunde wieder etwas Blut geleckt und als ich hörte, Titz geht hoch, habe ich schon gefühlt, dass was gehen könnte. Er bestellte mich auch noch am gleichen Tag in sein Büro und sagte mir: 'Wenn du diese Woche im Training keinen großen Mist machst, spielst du am Wochenende wieder Bundesliga.' Da habe ich mich die Woche über natürlich brutal reingehängt.

Sie kamen direkt im ersten Spiel unter Titz über 90 Minuten zum Einsatz, 1:2 hieß es am Ende im Heimspiel gegen Hertha BSC.

Steinmann: Ich erinnere mich noch daran, dass wir zur Halbzeit sogar führten und als der Halbzeitpfiff kam, ist das ganze Stadion ausgerastet. Das war so ein Moment, in dem ich gedacht habe 'Alter, wie krass ist das denn? Ich spiele wieder Bundesliga und spiele gut, Wahnsinn'. Das war ein surreales Gefühl.

Durch die Niederlage wurde der Druck auf die Mannschaft allerdings nicht kleiner. Wie war es, damit umzugehen?

Steinmann: Für mich war es ein Vorteil, das halbe Jahr zuvor in der zweiten Mannschaft gespielt zu haben und so gar nicht in den Negativstrudel der Profis mit reingezogen zu werden. Ich konnte unbelastet aufspielen, auch weil wir mit der zweiten Mannschaft fast jedes Spiel gewonnen hatten. Die Situation außenrum war mir eigentlich egal, mir ging es darum, mir zu beweisen, dass ich noch auf Bundesliga-Niveau spielen kann - und das habe ich dann ja auch gemacht. Obwohl der Druck für den Verein sehr groß war, habe ich den gar nicht gespürt, ich wollte einfach nur spielen.

War das wirklich so einfach, sich in einer für den Verein essentiellen Krise davon abzukapseln und sich auf die Spiele in der zweiten Mannschaft zu konzentrieren?

Steinmann: Wir haben schon was von den Profis mitbekommen, weil wir auch sehr nah an denen trainiert haben. Aber es war nie so, dass die Stimmung bei der ersten Mannschaft schlecht war und deswegen auch die Stimmung in der zweiten Mannschaft schlecht sein muss. Bei uns herrschte, auch durch die vielen Siege, eine eher positive Stimmung. Diese positive Energie habe ich dann auch versucht, mit hochzunehmen.

Christian Titz vertraute als HSV-Trainer auf Matti Steinmann.imago images

Steinmann: "Mir war klar: Wir schaffen das nicht mehr, komme was wolle"

Obwohl Sie als Stammspieler mit dem HSV vier Siege und ein Unentschieden aus den folgenden sieben Spielen holten, stand am Ende der erste Abstieg fest. Was für eine Stimmung herrschte in der Kabine nach dem 2:1-Erfolg am 34. Spieltag gegen Gladbach?

Steinmann: Dass wir trotz einer solchen Serie abgestiegen sind, zeigt ja erstmal, wie aussichtslos die Situation vor den letzten acht Spielen war. Wir wussten vor dem letzten Spiel, dass wir auf Schützenhilfe von Köln angewiesen waren und dass der Klassenerhalt sehr unwahrscheinlich war. Wir haben ein gutes Spiel gemacht, aber als ich nach meiner Auswechslung auf der Bank erfahren habe, dass Wolfsburg gegen Köln führt war mir klar: Wir schaffen das nicht mehr, komme was wolle. Nach Abpfiff war es dann auf dem Platz sehr emotional und in der Kabine herrschte erstmal Totenstille. Irgendwann setzte sich aber der Gedanke durch, dass wir alles getan hatten, zuletzt gut gespielt hatten und uns unter Titz nichts vorzuwerfen hatten. Wir wollten in der nächsten Saison wieder angreifen.

Wann haben Sie den Abstieg realisiert?

Steinmann: Dadurch, dass das ein schleichender Prozess über die Jahre war und der Abstieg demzufolge nicht aus dem Nichts kam, konnte man sich etwas vorbereiten. Es war natürlich an dem Tag emotional, aber dass wir abgestiegen sind, war uns schon bewusst. Es war nicht so, dass ich Wochen später schweißgebadet aufgewacht bin und dachte 'Shit, wir sind abgestiegen'.

So ging es wohl aber dem ein oder anderen Fan. Wie waren die Reaktionen im Klub, nachdem der erste Abstieg der Vereinsgeschichte feststand?

Steinmann: Als nach dem Gladbach-Spiel die Krawalle begannen und sogar Polizeipferde auf dem Spielfeld waren, war das Ganze natürlich sehr emotional. Ich hatte aber in der Folge trotz des Abstiegs das Gefühl, dass die Leistungen unter Titz von den Fans honoriert wurden und dass ein positiver Umschwung im Verein herrschte. Ich hatte das Gefühl, es herrschte eine Aufbruchsstimmung. Die Krawallmacher waren ja nur wenige, die Mehrheit hat applaudiert. Ich erinnere mich noch, wie wir nach dem Spiel gegen Gladbach eine Ehrenrunde gedreht und uns bei den Fans bedankt haben. Es klingt komisch, auch weil ich lange nicht mehr darüber nachgedacht habe, aber die Fans haben unsere Leistungen damals honoriert. Ich hatte keine Angst, nach dem Spiel aus der Kabine zu gehen und beleidigt zu werden. Ganz im Gegenteil: Ich hatte das Gefühl, die Fans sind positiv gestimmt - und das war ich ja auch.

"Die Erwartungshaltung war ja: 'Wir steigen mit 34 Siegen auf, alles andere ist eine Enttäuschung.'"

Nach der Sommerpause ging es in der 2. Liga weiter, ganz wie geplant lief die Saison 2018/19 aber nicht..

Steinmann: Die Erwartungshaltung war ja: 'Wir steigen mit 34 Siegen auf, alles andere ist eine Enttäuschung.' Aber so einfach war das natürlich nicht, das haben wir auch gemerkt. Für mich persönlich lief es ebenfalls enttäuschend, ich hatte mit Verletzungen zu kämpfen und habe vor allem bei meinem letzten Spiel, dem 0:5 gegen Regensburg, eine schlechte Leistung gezeigt. Danach war ich erstmal raus. Und als ich mich zurückgekämpft hatte, wurde Christian Titz entlassen. Unter Hannes Wolf habe ich dann keine wirkliche Chance mehr bekommen, was sehr schade war, weil ich mir das eigentlich zugetraut habe - ich habe ja nicht umsonst gut in der Bundesliga gespielt, ich kann schon Fußball spielen. Leider hatte ich im Verein aber nicht das nötige Standing, sondern war eher der Spieler, der aus der zweiten Mannschaft hochgekommen war und so wurde mir nicht das volle Vertrauen geschenkt.

Hätten Sie sich jemanden gewünscht, der Ihnen dabei hilft? Sie an der Hand nimmt und Ihnen sagt, das wird schon.

Steinmann: Gerade nach meinem desolaten Auftritt gegen Regensburg hätte ich mir mehr Vertrauen gewünscht, da hatte ich das Gefühl, keine echte Chance mehr zu bekommen. Manche sind so gut wie Götze, Haaland, Sancho, die machen einfach, andere brauchen aber etwas länger. Bei mir war es leider nicht der Fall, dass der Trainer auf mich baute und mir gesagt hat: 'Gerade sieht es nicht so gut aus, aber in zwei, drei Wochen bist du wieder am Start, wenn du Gas gibst.' Das ist, glaube ich, auch einer der Gründe, warum es bei mir nicht über einen längeren Zeitraum zum Bundesliga-Spieler gereicht hat.

Im Sommer 2019 folgte trotz Angeboten aus Deutschland der nächste Abschied vom HSV zu den Wellington Phoenix in Neuseeland. Wollten Sie nach drei Abstiegen mit den vergangenen drei Klubs endlich in eine Liga, aus der man nicht absteigen kann?

Steinmann: (lacht) Der Gedanke kam mir nach meinem Wechsel auch. Letztlich wollte ich aber noch ein paar Jahre auf gutem Niveau Fußball spielen und hatte keine Lust, in der 3. Liga rumzuspielen. So habe ich etwas Neues probiert.

Steinmann über Indien-Derby: "Da brennt's hier absolut"

Im Oktober diesen Jahres zogen Sie nach Indien zum SC East Bengal weiter. Wie kam es dazu?

Steinmann: Nach einem tollen Jahr in Neuseeland, wo ich eigentlich bleiben wollte, kam Corona dazwischen. Dadurch, dass Wellington in Neuseeland liegt, aber in der australischen A-League spielt, wurde es durch die Reisebeschränkungen immer schwieriger, zu den Spielen zu kommen und es herrschte Chaos. Als dann Robby Fowler, der zuvor in der A-League trainiert hatte und mich daher kannte, anrief und mir sagte, er wollte mich zum SC East Bengal holen, war ich zuerst skeptisch. Aber das Projekt klang spannend, also habe ich das einfach mal gemacht. Vor einem Jahr hätte ich jeden, der mir das vorausgesagt hätte, für verrückt gehalten, aber jetzt bin ich hier. (lacht)

Gab es denn sportlich reizvollere Angebote?

Steinmann: Mein erster Ansprechpartner waren die Wellington Phoenix, weil ich dort sehr gerne geblieben wäre. Letztlich wollte ich aber nicht fünf, sechs Monate rumsitzen und auf den Saisonbeginn warten. Dort war vieles unsicher, der Verein musste beispielsweise nach Australien umziehen und so war nicht mal klar, wo wir wohnen sollten. Deshalb habe ich meinen Vertrag dort aufgelöst, ich wollte spielen. Zig andere Optionen gab es nicht und so habe ich, als das Angebot von East Bengal kam, gesagt: 'Okay, los geht's.'

Deutschen Auffassungen nach ist Fußball in Indien neben Cricket nur eine Randsportart. Ist das wirklich so?

Steinmann: Ich hatte das auch gedacht, es hängt aber davon ab, wo in Indien man ist. Das habe ich durch die Gespräche hier gelernt. Der Süden und der Osten mit Kalkutta, wo mein Verein beheimatet ist, sind die Fußballregionen, hier ist Cricket eher die Nummer zwei. In Dehli und Mumbai ist das andersherum. Was ich ebenfalls vorher nicht wusste: Zum Derby vom SC East Bengal gegen Mohun Bagan kommen im Schnitt 80.000 Menschen, der Rekord liegt sogar bei 130.000 Zuschauern. Da brennt's hier absolut. Mir wurde gesagt, das sei Asiens größtes Fußballderby.

Wie ist das fußballerische Niveau in Indien im Vergleich mit Deutschland anzusiedeln?

Steinmann: Die Top zwei können sicherlich in der 2. Bundesliga mithalten, der Durchschnitt ist eher auf dem Niveau der 3. Liga.

Die dortige Super League ist Ihre mittlerweile neunte Liga im Herrenbereich, bei Wikipedia wird schon vom "Weltenbummler Steinmann" gesprochen. Wie fühlt es sich an, so wahrgenommen zu werden?

Steinmann: Ich plane meine Karriere nicht danach, in Fußballdeutschland möglichst präsent zu sein, sondern mache das, worauf ich Lust habe. Im Moment ist das Indien. Sowas lässt sich aber nicht planen, wie die Corona-Pandemie. Da muss man sich anpassen.

Unter welchen Voraussetzungen könnten Sie sich eine Rückkehr nach Deutschland vorstellen?

Steinmann: Ich denke gar nicht darüber nach, nach Deutschland zurückzukehren, um Fußball zu spielen. Dafür fehlt mir der Anreiz - es sei denn, es fragen der HSV oder St. Pauli an. Eine Rückkehr nach Hamburg wäre der einzige Anreiz. Und zu den Bayern würde ich auch nicht Nein sagen (lacht). Generell plane ich aber nicht, in naher Zukunft in Deutschland nochmal Profifußball zu spielen.

Abschlussfrage: Was würde der 26-Jährige Matti Steinmann seinem 18 Jahre alten Ich gerne sagen?

Steinmann: Ich würde sagen, er soll geduldiger sein, dranbleiben und nicht, wenn's nicht läuft, etwas Neues suchen.