Nach vorne hin wird’s nebulös

Andreas Lehner
08. Juni 201715:13
Wo findet Thomas Müller seinen Platz im Team des FC Bayern München?getty
Werbung

Der FC Bayern München hat auch die fünfte Meisterschaft in Folge eingefahren, hundertprozentig zufrieden waren die Verantwortlichen an der Säbener Straße allerdings nicht. Vor allem Präsident Uli Hoeneß hat große Transfers für den Sommer angekündigt. Wo haben die Bayern Bedarf? Wer muss gehen? Wer kommt?

Tor

Personal: Manuel Neuer, Sven Ulreich, Christian Früchtl

Offene Positionen: keine

Kandidaten: Rene Adler

Situation: Mit Tom Starke hat die Nummer drei seine Karriere beendet und sich einen Job als Torwartkoordinator und Torwarttrainer im neuen Nachwuchsleistungszentrum verdient. Seine Position wird der erst 17-jährige Früchtl einnehmen.

Der gebürtige Niederbayer gilt als eines der größten Torwarttalente Deutschlands, arbeitet nach einem Syndesmosebandriss im April aber noch an seinem Comeback. Er wird den Trainingsauftakt am 1. Juli voraussichtlich ebenso verpassen wie Ulreich (Ellbogenverletzung) und Neuer (Fußbruch).

Alle drei sollten dennoch relativ früh in die Vorbereitung einsteigen können, auch wenn zuletzt Spekulationen aufkamen, dass die Bayern ohne einen ihrer drei etatmäßigen Torhüter auf Asien-Tour (16.-28. Juli) gehen könnten.

An Neuers Status als Nummer eins ist natürlich nicht zu rütteln. Dass Ulreich bleibt, kam nach Aussagen des Torhüters im Endspurt der Saison eher überraschend. Der Ex-Stuttgarter hatte laut kicker aber Probleme, einen angemessenen Verein zu finden, bei dem er wieder die Nummer eins hätte sein können. Als möglicher Nachfolger Ulreichs wurde zwischendurch Rene Adler gehandelt, der den HSV verlassen wird.

Abwehr

Personal: Jerome Boateng, Mats Hummels, Javi Martinez, Niklas Süle, David Alaba, Juan Bernat, Joshua Kimmich, Rafinha, Sebastian Rudy

Offene Positionen: keine

Kandidaten: Marvin Plattenhardt, Kyle Walker

Situation: 20 Millionen Euro haben sich die Bayern Süle aus Hoffenheim kosten lassen. Er wird sich erstmal mit der Rolle als Backup begnügen müssen und die Lücke füllen, die Holger Badstuber seit seinem Abgang hinterlassen hat. Dass die Bayern vier Innenverteidiger brauchen, haben sie in der Schlussphase der Saison vor Augen geführt bekommen.

Damit sind die Planungen im Zentrum aber abgeschlossen, zumal der junge Felix Götze als Perspektivspieler erst mit einem Profivertrag ausgestattet wurde.

Ebenso haben die Bayern keinen Bedarf auf den Außenverteidigerpositionen. Beide Seiten sind doppelt besetzt und kein Spieler wird den Verein verlassen.

Dass die Bayern die Nachfolge von Kapitän Philipp Lahm intern mit Kimmich regeln, ist nicht ohne Risiko. Der 22-Jährige sieht und fühlt sich eher als Mittelfeldspieler, hat aber als Rechtsverteidiger auch schon sehr gute Spiele abgeliefert. Es wird aber noch einige Zeit dauern, bis er sich endgültig auf diese Position eingelassen hat. Auch die Abstimmung mit Arjen Robben auf seiner Seite kann zu Beginn noch nicht so perfekt klappen wie mit Lahm.

Als Alternative steht der ablösefrei aus Hoffenheim verpflichtete Rudy bereit, der wie Kimmich im zentralen Mittelfeld und als Rechtsverteidiger eingesetzt werden kann und diese Position auch schon in der Nationalmannschaft bekleidet hat.

Mittelfeld

Personal: Thiago, Arturo Vidal, Renato Sanches, Sebastian Rudy, Joshua Kimmich, Javi Martinez

Offene Positionen: Sechser

Kandidaten: Marco Verratti, Leon Goretzka, Adrien Rabiot, Corentin Tolisso

Situation: Interne Lösung? Externe Lösung? Große Lösung? Kleine Lösung? Nirgends ist die Personalplanung des FC Bayern so nebulös wie im zentralen Mittelfeld. Durch das Karriereende von Xabi Alonso ist eine Vakanz im Zentrum des Münchner Spiels entstanden. Nur wie diese gefüllt wird, ist noch ziemlich unklar.

Klar ist jedoch: Einen Eins-zu-eins-Ersatz für den Taktgeber Alonso werden die Bayern nicht finden. Da Kimmich rechts vorgesehen ist und es unwahrscheinlich ist, dass Rudy als neuer Chef fürs Mittelfeld verpflichtet wurde, bleibt als interner Nachfolger nur Martinez.

Erlebe die Bundesliga-Highlights auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat!

Da Ancelotti eine Dreierkette kategorisch ausschließt und damit nur für zwei Innenverteidiger Platz hat, könnte eine Rückversetzung Martinez' ins Mittelfeld eine Option sein, um große Personaldiskussionen einzufangen. Zumal eine Doppelsechs Martinez/Thiago auch einen Platz auf der Zehn für Thomas Müller freiräumen würde.

Es wird eine der großen Aufgaben sein für Ancelotti, eine Formation zu finden, in der sowohl der beim Italiener unumstrittene Thiago als auch die Identifikationsfigur Müller einen Platz finden. In Ancelottis eigentlich präferiertem 4-3-3 dürfte das schwierig werden, das 4-2-3-1 scheint also weiterhin die erste Option bei Bayern.

Gleichzeitig wirft dieses Thema die Frage auf, wo Vidal seinen Platz finden könnte. Der Chilene ist nach wie vor etwas wankelmütig und agiert wenig durchdacht. Als defensiverer Part einer Doppelsechs mit Thiago taugt er eigentlich nicht.

Umso schwieriger wird es für Ancelotti, Sanches endlich an das Niveau bei Bayern heranzuführen und ihm mehr Spielzeit zu gewähren. Der Portugiese dürfte auch in seinem zweiten Jahr in München das Sorgenkind bleiben, sollte er nicht doch noch verliehen werden.

Wenn die Bayern nochmals auf dem Transfermarkt aktiv werden, ergäbe ein Leihgeschäft mit Sanches auf jeden Fall Sinn. Die große Lösung Verratti scheint sich nicht realisieren zu lassen. Er wäre auf Anhieb eine Verstärkung gewesen und hätte auch Ansprüche auf einen Stammplatz reklamieren können.

Für die ebenfalls gehandelten Goretzka, Rabiot und Tolisso gilt das nicht. Beide sind eher als Spieler mit Perspektive und Potenzial zu sehen. Eine Führungsfigur wie Alonso können sie nicht sofort ersetzen.

Angriff

Das Personal: Robert Lewandowski, Thomas Müller, Arjen Robben, Franck Ribery, Kingsley Coman, Douglas Costa

Offene Positionen: flexibel einsetzbarer Angreifer

Kandidaten: Alexis Sanchez, James Rodriguez

Die Situation: Aktuell haben die Bayern 19 Feldspieler (ohne Perspektivspieler wie Götze, Benko und Dorsch) im Kader. Zur selbst festgelegten optimalen Größe von 20 fehlt noch ein etablierter Profi. Dass dieser im Bereich Angriff verpflichtet werden wird, scheint sicher.

Die Münchner haben in dieser Saison schmerzlich feststellen müssen, dass sie einen Backup für Lewandowski brauchen, der nicht Thomas Müller heißt. Da sich aber ein Stürmer von internationaler Klasse nicht dauerhaft auf die Bank setzen will, suchen die Münchner nach einem Spieler, der offensiv flexibel einsetzbar ist, aber auch als Mittelstürmer funktioniert.

Im Zentrum der Bemühungen steht Alexis Sanchez von Arsenal. Der Chilene steht in London noch bis 2018 unter Vertrag und soll dem Wunsch von Teammanager Arsene Wenger nach sogar verlängern. Allerdings scheint Sanchez' Wunsch ein anderer, er will dem Vernehmen nach den Verein verlassen.

Ein Transfer könnte am Ende daher eine Frage des Preises sein. Womöglich ist das Gehalt der ausschlaggebende Faktor. Die Bayern dürften nicht bereit sein, ihr Gehaltsgefüge für Sanchez zu sprengen und ihn gleich zum alleinigen Top-Verdiener zu machen.

Offen ist zudem die Zukunft von Costa, der den Verein bei einem passenden Angebot verlassen darf. Sollte der Brasilianer einen Abnehmer finden, würde ein weiterer Platz im Personalpuzzle frei werden. Ob dann sofort ein weiterer Flügelstürmer verpflichtet wird, hängt auch vom Sanchez-Transfer ab bzw. wie die Backup-Lösung für Lewandowski aussieht.