Eine einzigartige Situation: Beim FC Schalke 04 konkurrieren mit Ralf Fährmann, Lars Unnerstall und Timo Hildebrand gleich drei Torhüter von Format um die Nummer eins. Es bahnt sich eine Millimeterentscheidung an. Der Verlierer setzt seine sportliche Perspektive aufs Spiel.
Ralf Fährmann: Der Neuer-Nachfolger muss sich beweisen
So lief die Vorsaison: Es waren riesige Fußstapfen, in die Ralf Fährmann in der vergangenen Saison zu treten hatte. Nach dem Abstieg der Eintracht verließ er Frankfurt und ergriff die Chance, zu seinem Heimatverein Schalke zurückzukehren, um den zum FC Bayern gewechselten Manuel Neuer zu ersetzen.
spoxObwohl Fährmann als ehemaliger Schalker Jugendspieler über großes Standing bei den Fans verfügte, wurde schnell klar, dass der damalige Trainer Ralf Rangnick kein bedingungsloses Vertrauen in den auch in Frankfurt nicht immer souveränen Fährmann hatte. Seine Position wurde außerdem durch Gerüchte geschwächt, dass Schalke sich weiterhin um Torhüter bemühen soll: Kevin Trapp, Ron-Robert Zieler, Emiliano Viviano und sogar Jens Lehmann wurden gehandelt.
Nach einer ordentlichen Vorbereitung zeigte Fährmann in der Bundesliga einige Schwächen. Insbesondere in den Partien gegen Mainz (3. Spieltag), Wolfsburg (5. Spieltag) und Hamburg (8. Spieltag) wirkte der Schlussmann nicht immer sicher. Durch ein ungestümes Herauslaufen provozierte er in der Partie gegen Kaiserslautern (9. Spieltag) nicht nur einen Platzverweis und Elfmeter, sondern zog sich dadurch auch noch einen Kreuzbandriss zu, der ihn für den Rest der Saison zum Zuschauen verdammte.
Das spricht für Fährmann: Trotz seiner häufigen Verletzungen und gelegentlicher Unsicherheiten weiß Fährmann ein Grundvertrauen der Verantwortlichen hinter sich. "Er ist ein sehr talentierter Schlussmann, dessen sportliche Entwicklung längst noch nicht abgeschlossen ist", sagte beispielsweise Heldt im Sommer 2011.
Daher besitzt Fährmann auch einen Vertrag bis 2015. Klar ist: Mit 23 Jahren steht der Schlussmann weiterhin am Anfang seiner Karriere und kann sich, sofern er verletzungsfrei bleibt, noch weiterentwickeln.
Das spricht gegen Fährmann: Als Neuer-Nachfolger stand er unter besonderem Druck, dem er nicht immer Stand halten konnte. Daher stärkt auch Heldt ihn nicht mehr über Gebühr den Rücken. Einstige Aussagen Heldts, dass Fährmann erneut Stammtorwart sein werde, wenn er wieder fit ist, sind längst Vergangenheit.
"Ich fange mit meiner Bewertung bei Null an und bin völlig unvoreingenommen", sagt auch der neue Torwart-Trainer Holger Gehrke zur aktuellen Debatte. Beim wichtigen Test gegen AC Milan (0:1) wirkte Fährmann in der zweiten Halbzeit weniger souverän als der in der ersten Hälfte eingesetzte Hildebrand und war beim einzigen Gegentreffer von Urby Emanuelson nicht unschuldig, als er zu halbherzig seinen Kasten verließ, sodass der Niederländer den Keeper locker umkurven konnte und zum 1:0 einschob.
Lars Unnerstall: Der Shootingstar mit Verletzungspech
Timo Hildebrand: Eine Frage des Alters
Lars Unnerstall: Der Shootingstar mit Verletzungspech
So lief die Vorsaison: Die Hierarchie war in der Vorsaison nach dem Supercup-Finale klar verteilt. Fährmann geht als Nummer eins in die Saison, Unnerstall und Schober müssen sich hinten anstellen. Trotz einiger Unsicherheiten Fährmanns blieb dieser Schalkes Stammkraft. Bis zum 15. Oktober 2011, als sich Fährmann das Kreuzband riss und somit Unnerstall zu seinem Bundesliga-Debüt kam.
Bei der 1:2-Niederlage gegen Kaiserslautern wirkt der Münsterländer sehr nervös, in den folgenden Partien entwickelte er sich jedoch zu einem Rückhalt. In Leverkusen, seinem ersten Spiel von Anfang an, sicherte er mit seinen Paraden einen wichtigen 1:0-Auswärtssieg. Beim 0:2 im Derby in Dortmund verhinderte Unnerstall eine noch höhere Niederlage.
Der Shootingstar musste jedoch zwei empfindliche Rückschläge hinnehmen - beide Male in Mönchengladbach: Beim Ausscheiden im DFB-Pokal-Achtelfinale gingen zwei Gegentore auf seine Kappe. Und zwei Monate später patzte er in der Bundesliga-Rückrunde erneut schwer. Es ging unglüchlich weiter: Eine Woche darauf zog sich Unnerstall gegen Wolfsburg eine Schultereckgelenksprengung zu, die ihn zu einer knapp sechswöchigen Pause zwang.
Gerade als sich Hildebrand im Europa-League-Spiel gegen Bilbao verletzte, wurde Unnerstall wieder fit und hütete trotz weniger Trainingseinheiten das Tor gegen Hoffenheim am 28. Spieltag. Etwas unbeholfen ging Unnerstall gegen TSG-Stürmer Sven Schipplock zu Werke, der das Geschenk annahm und mit einer Schwalbe den Elfmeter rausholte, der zur 1:0-Führung der Gastgeber führte. Bei 1:4 in Nürnberg reihte sich Unnerstall in die schwachen Leistungen seiner Vorderleute ein. In den abschließenden Partien zeigte sich der Schlussmann aber wieder formverbessert wie beim 1:1 in Augsburg.
Das spricht für Unnerstall: Unnerstall wurde letztes Jahr ins kalte Wasser geworfen, hat sich mit überwiegend guten Auftritten einen Namen gemacht und ist mittlerweile mehr als nur eine Alternative für den Posten des Stammtorwarts. Auch wenn er in einigen Spielen an Gegentoren eine Mitschuld trug, war der grundsätzliche Eindruck positiv. Daher auch die Vertragsverlängerung bis 2015. Entsprechend wenig Sinn würde es machen, den mit 22 Jahren jüngsten der drei Keeper gar auf die Tribüne zu verfrachten.
Das spricht gegen Unnerstall: Sich zu verletzen, ist nie günstig. Besonders ungünstig ist es aber dann, wenn man sich in einem Dreikampf um eine einzige Position befindet und man teilnahmslos zuschauen muss, wie sich die beiden Konkurrenten um diesen einen Platz duellieren.
Hartnäckige Achillessehnenprobleme führten dazu, dass Unnerstall das erste Trainingslager in Donaueschingen verlassen musste. In den ersten vier Testspielen kam der 22-Jährige wegen seiner Verletzung nicht auf eine einzige Einsatzminute, erst gegen Magdeburg (5:0) wurde er 90 Minuten getestet.
Auch wenn er dabei einen guten Eindruck hinterließ: Im Kampf um die Nummer eins war die Verletzungspause ein herber Rückschlag, zumal sich Hildebrand durch gute Leistungen in den Vordergrund spielt. Wichtig für Unnerstalls Entwicklung: Er muss an seiner Ausstrahlung arbeiten. Trotz seiner imposanten Statur wirkt der fast zwei Meter große Schlussmann "zu lieb" für die Bundesliga.
Ralf Fährmann: Der Neuer-Nachfolger muss sich beweisen
Timo Hildebrand: Eine Frage des Alters
Timo Hildebrand: Eine Frage des Alters
So lief die Vorsaison: Als sich Fährmann in der Partie gegen Kaiserslautern einen Kreuzbandriss zuzog, war S04 zum Handeln gezwungen. Da das Transferfenster bereits geschlossen war, kam nur ein vertragsloser Schlussmann in Frage. Letztlich entschloss man sich für Hildebrand, der seit seiner erfolgreichen Zeit in Stuttgart ein unglückliches Händchen bei seiner Klubwahl bewies. Bei Sporting in Portugal absolvierte er gerade einmal eine Liga-Partie, in Hoffenheim wiederum wurde er auch wegen menschlicher Differenzen aussortiert.
Beim für Schalke bedeutungslosen letzten Gruppenmatch in der Europa League bei Maccabi Haifa ließ Hildebrand mit einem gehaltenen Elfmeter erstmals wieder aufhorchen. Der Stammplatz gehörte jedoch weiter Unnerstall. Erst als dieser sich am 22. Spieltag gegen Wolfsburg eine Schultereckgelenksprengung zuzog, rückte Hildebrand ins erste Glied.
Eine Woche später reisten die Königsblauen zum FC Bayern. Mehrfach verhinderte er spektakulär einen Gegentreffer und avancierte zum besten Schalker Spieler, obwohl er bei einem Ribery-Treffer zu spät das Gehäuse verließ und das 0:1 verschuldete. Auch in den folgenden Partien erwies sich Hildebrand als solider Rückhalt. Einen Tag zum Vergessen erlebte er allerdings am 29. März: Im Europa-League-Achtelfinale gegen Bilbao ließ er einen relativ harmlosen Schuss von Ander fallen, Fernando Llorente staubte ab. Noch bitterer: In dieser Szene zog sich der Torwart eine Bänder- und Kapselverletzung im rechten Ellenbogen zu - das Saisonaus.
Das spricht für Hildebrand: Siebenmaliger deutscher Nationalspieler, 267 Bundesligaspiele, Deutscher Meister 2007 - Hildebrand weiß, wie man gewinnt. Und, wie man Souveränität ausstrahlt.
Im "Kicker" sagte er unlängst, dass er optimistisch sei, "weil ich die meiste Erfahrung habe". Aufgrund der fehlenden Routine in der Schalker Innenverteidigung (Matip und Papadopoulos sind beide 20) womöglich der Trumpf gegenüber Fährmann (23) und Unnerstall (22). Nicht umsonst wurde sein Vertrag bis 2014 verlängert.
Und: In der Vorbereitung hinterlässt Hildebrand den besten Eindruck. Er musste im Gegensatz zu Fährmann (drei Gegentore) bei gleicher Spielzeit noch nicht einmal hinter sich greifen. Im ersten Härtetest gegen Milan gewann er das Fernduell gegen Fährmann, als er sich selbst stark präsentierte und Fährmann beim Gegentreffer zumindest unglücklich aussah. Auf die Frage, ob er glaube, sich auf der Tribüne wiederzufinden, sagt er: "Das habe ich für mich ausgeschlossen."
Das spricht gegen Hildebrand: Sollte Stevens eine langfristige Lösung bevorzugen, könnte das Alter gegen Hildebrand sprechen. Zumal Hildebrand genau wie seine Konkurrenten in der letzten Saison nicht frei von Fehlern war.