Nach bitteren Momenten beim FC Bayern München und einer gescheiterten Leihe zu Parma Calcio glänzt Joshua Zirkzee aktuell beim RSC Anderlecht. Die Hoffnung auf eine Zukunft in München hat der 20-jährige Stürmer aus den Niederlanden noch nicht aufgegeben.
Joshua Zirkzees bisher letzter Eindruck in München war kein guter. Bei einem Testspiel gegen Ajax Amsterdam Ende Juli vergab er eine Torchance, die in der bisherigen Geschichte des Sports Fußball wohl selten vergeben wurde. "Er hat das nicht mit Absicht gemacht", beteuerte Trainer Julian Nagelsmann danach zwar. Aber alleine schon dass er sich zu dieser Beteuerung genötigt sah, sagte einiges aus. "Ich hoffe, dass er in einem Pflichtspiel eine andere Seriosität in so einer Situation an den Tag legt."
Im Trikot des FC Bayern konnte Zirkzee Nagelsmanns Forderung seitdem nicht mehr umsetzen. Wenige Tage nach dem Aussetzer wechselte er leihweise zum belgischen Erstligisten RSC Anderlecht. Was nach bitteren Momenten in München und einer gescheiterten Leihe zu Parma Calcio zunächst wie der nächste Schritt Richtung Bedeutungslosigkeit wirkte, entpuppte sich als Erfolgsgeschichte.
Zirkzee ist laut Trainer Kompany zu gut für Belgien
Bei Anderlecht erarbeitete sich Zirkzee einen Stammplatz und machte in nur einem halben Jahr mehr Pflichtspiele als in seiner vorherigen Profikarriere zusammen. Sein Leistungsnachweis suggeriert allerhöchste Professionalität im gegnerischen Strafraum: In wettbewerbsübergreifend 25 Einsätzen gelangen dem 1,93 Meter großen Stürmer elf Tore und sieben Assists. Auch deshalb kehrte er in die niederländische U21-Nationalmannschaft zurück, wo er ebenfalls regelmäßig traf und mittlerweile sogar zum Kapitän ernannt wurde.
Nach dem Hohn in Folge der vergebenen Großchance gegen Ajax, die ihn sogar zur gänzlichen Leerung seines Instagram-Profils animierte, dürfte Zirkzee die aktuellen Erfolgserlebnisse und damit einhergehenden Lobpreisungen von allen Seiten besonders genießen. Laut der belgischen Zeitung Het Laatste Nieuws gehöre Zirkzee "am Ball zur europäischen Spitze". Laut Trainer Vincent Kompany ist er gar zu gut für die belgische Liga, in der er mit Anderlecht aktuell auf Platz drei deutlich hinter Aufsteiger und Sensations-Tabellenführer Royale Union Saint-Gilloise liegt.
"Wenn das aus seinem Mund kommt, ist das natürlich ein großes Kompliment", erwiderte Zirkzee bei Voetbal International. "Ich stimme ihm aber nicht zu, dass ich zu gut für den belgischen Fußball bin. Ich glaube, dass niemand hier zu gut für die belgische Liga ist." Unabhängig davon ist es Zirkzees Ziel, irgendwann gut genug für den FC Bayern zu werden. "Das Kapitel FC Bayern München ist noch nicht abgeschlossen", beteuerte er.
Joshua Zirkzees Weg zum FC Bayern: Mit fünf war er schon Trainer
gettyZirkzee beim FC Bayern: Erst furios, dann bitter
Aufgeschlagen hat Zirkzee dieses Kapitel 2017, als er aus der Nachwuchsabteilung von Feyenoord Rotterdam nach München wechselte. Das erste Highlight setzte Zirkzee bei seinem Profidebüt Ende Dezember 2019: Gegen den SC Freiburg kam er eine Minute vor Schluss ins Spiel und schoss direkt das Führungstor. Wenige Tage später wirkte er gegen den VfL Wolfsburg immerhin sieben Minuten lang mit, das Resultat war dasselbe.
Als Stammstürmer Robert Lewandowski in der Rückrunde verletzt ausfiel, schnellten Zirkzees Einsatzzeiten in die Höhe. Bei seinem Startelfdebüt gegen die TSG Hoffenheim traf er direkt, doch der damalige Trainer Hansi Flick mahnte: "Er macht seine Sache ganz ordentlich. Wenn er hier auf der Position mal immer spielen will, muss er aber noch zulegen." Flick wollte den Hype um den 18-Jährigen unbedingt bremsen, schon damals wurde schließlich über eine angeblich mangelhafte Einstellung und fehlenden Trainingseifer gemunkelt.
Statt zum langfristigen Lewandowski-Ersatz aufzusteigen, bekam Zirkzee im darauffolgenden Sommer mit Eric Maxim Choupo-Moting einen neuen Konkurrenten. Der deutlich erfahrenere Bundesliga-Veteran entpuppte sich als verlässlicher Joker. Zirkzee kam deshalb kaum mehr zum Zug, woraufhin ihn Flick in Hoffnung auf Spielpraxis zur Reserve versetzte. Bei einem Derby gegen den TSV 1860 München sah Zirkzee für ein brutales Foul die Rote Karte und wurde für drei Spiele gesperrt.
Zirkzee über Kompany: "Sofort eine Verbindung gespürt"
Anschließend flüchtete er per Leihe nach Parma, wo er auch verletzungsbedingt nur zu vier torlosen Einsätzen kam und aus der Serie A abstieg. Zurück in München leistete er sich beim Testspiel gegen Ajax dann die vergebene Riesenchance. Eineinhalb Jahre nach seinem furiosen Profidebüt war Zirkzee am Tiefpunkt angekommen.
Auf der Suche nach Vertrauen stieß er auf Anderlecht-Trainer Kompany, dem langjährigen Verteidiger von Manchester City und der belgischen Nationalmannschaft. "Nach einem Telefonat mit ihm habe ich sofort eine Verbindung gespürt", sagte Zirkzee. Er ließ sich also wieder verleihen - und sein Gefühl sollte ihn nicht täuschen.
Zirkzees Leihvertrag bei Anderlecht läuft noch bis Sommer. Eine Kaufoption ist nicht vereinbart. Nach eigener Aussage strebt er aber ohnehin eine Rückkehr an, um in seinem dann letzten Vertragsjahr beim FC Bayern durchzustarten. "Ich habe schon erlebt, dass solche Spieler Entwicklungen genommen haben, mit denen man so gar nicht gerechnet hat", sagte der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn kurz vor Zirkzees Wechsel nach Anderlecht.