Kaiserslautern - Führungsspieler Mike Wunderlich im Interview: "Inneren Frieden wird man bei mir wohl nie finden"

Philipp Schmidt
20. April 202212:42
Wunderlich kämpft mit dem FCK um den Aufstieg in die 2. Liga.imago images
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Routinier Mike Wunderlich spielt mit dem 1. FC Kaiserslautern eine starke Saison in der 3. Liga und hat kurz vor Saisonende beste Chancen auf den Aufstieg. Vor gut zehn Jahren war der 36-Jährige einer der Top-Spieler der 2. Liga, ehe er aufgrund einer Burn-Out-Erkrankung zurück in die Heimat in die NRW-Liga wechselte.

Im Interview mit SPOX und GOAL blickt der Mittelfeldspieler auf die schwerste Phase in seiner Karriere zurück, erklärt, warum er wohl "nie seinen inneren Frieden finden" wird und wieso es für ihn in der Jugend von Bayer Leverkusen nicht weiterging.

Außerdem verrät er, wieso es ihn nach seiner Rückkehr zu Viktoria Köln ganze zehn Jahre dort hielt und warum er im Herbst seiner Karriere ausgerechnet beim FCK landete.

Herr Wunderlich, im Juni 2011 gaben Sie bekannt, seit Monaten an einem Burn-Out-Syndrom zu leiden. Im Alter von 25 Jahren wechselten Sie deshalb vom FSV Frankfurt aus der 2. Liga zurück zu ihrem Heimatverein Viktoria Köln in die NRW-Liga. Wie erinnern Sie sich zurück?

Wunderlich: Das war eine ganz schwierige Zeit. Irgendwann lernt man, damit umzugehen. Darum habe ich das zu diesem Zeitpunkt öffentlich kommuniziert, dass ich mich aktuell nicht in der Lage fühle, länger in Frankfurt zu bleiben und bin den Schritt nach Hause gegangen. Dass daraus zehn Jahre geworden sind, war so nicht geplant. (lacht)

Wie haben Sie die Krankheit wahrgenommen?

Wunderlich: Es ist ungewohnt, wenn man plötzlich die Lust verliert und antriebslos ist. Ich habe mich gefragt: Was ist mit mir los? Am Anfang war ich ein bisschen überfordert. Sicherlich war das die komplizierteste Phase in meiner Laufbahn. Auch das sollte wohl rückblickend so sein, war aber natürlich sehr ärgerlich.

Insbesondere wenn man auf Ihre damaligen sportlichen Leistungen blickt: In der kicker-Rangliste nach der Vorrunde 2010/11 wurden Sie im Mittelfeld in der Kategorie "Herausragend" eingestuft und zum besten Spieler auf Ihrer Position gewählt.

Wunderlich: Genau, es lief sehr gut. Ich musste dann zwei Schritte zurückgehen, obwohl ich auf einem guten Weg war, um noch weiter nach oben zu kommen.

Wie nah war damals für Sie der Sprung in die Bundesliga?

Wunderlich: Es gab im Winter dieser Saison einige Anfragen für den Sommer und auch schon für die Transferperiode nach der Vorrunde. Das hat letztlich nicht geklappt. Ich weiß nicht, ob ich mich nach der Winterpause zu sehr unter Druck gesetzt habe, weil ich das unbedingt schaffen wollte. Wer mich kennt, der weiß, dass ich ein Perfektionist bin. Ich war nie zufrieden, wollte immer mehr. Und dann bist du irgendwann leer. Ob das dann ein Burn-Out war, ist ein anderes Thema. Die Medien haben viel daraus gemacht. Fakt ist: Ich war leer im Kopf und wollte einfach nur zuhause entspannt Fußball spielen und meinen Spaß wiederfinden. Aber klar: Der Sprung in die Bundesliga war greifbar und ich schaue hin und wieder mit einem weinenden Auge zurück.

In Frankfurt entwickelte sich Wunderlich zu einem der besten Spieler der 2. Liga.imago images

Kaiserslauterns Mike Wunderlich: Bayer? "Hätte keinen Sinn ergeben zu bleiben"

Darauf deutete in Ihren jungen Jahren nicht so viel hin: Sie sind in Köln geboren, kickten anfangs für die Viktoria, ehe es von 1995 bis 2003 zu Bayer Leverkusen ging. Warum war dort mit 17 Schluss?

Wunderlich: Im Übergang zur U17 wurde mir mitgeteilt, dass es schwer wird, auf Einsätze zu kommen. Das wurde offen kommuniziert, ich sollte selbst entscheiden. Außerdem stieg die Viktoria zur kommenden Saison in die U17-Bundesliga auf. Mit meinem Vater habe ich den Entschluss gefasst, dass ein Wechsel sinnvoll ist, weil in diesem Alter regelmäßige Spielpraxis das Wichtigste ist. Es hätte keinen Sinn ergeben, in Leverkusen zu bleiben.

Hatten Sie in Ihrer Bayer-Zeit Teamkollegen, die dort den Durchbruch schafften?

Wunderlich: Gonzalo Castro war zwar jünger als ich, hat aber schon bei uns mitgespielt. Der hat nicht nur in Leverkusen eine Top-Karriere hingelegt. Ansonsten waren auch noch einige Spieler dabei, die es in die 2. Liga oder Bundesliga geschafft haben. Gonzo war aber schon in der Jugend mit der auffälligste Spieler und hat das auch im Seniorenbereich unter Beweis gestellt.

In der Folge sammelten sie beim 1. FC Köln und Rot-Weiss Essen erste Regionalliga-Erfahrung, ehe es nach Frankfurt ging. Nach Ihrer Erkrankung spielten Sie seit 2011 wieder in Köln. Sie führten die Viktoria von der 5. in die 3. Liga, erreichten in einigen Saisons unfassbare Statistiken. Wie lange stand die Gesundheit an erster Stelle?

Wunderlich: Um die Gesundheit ging es nur ein knappes Jahr. Dann hatten wir den Sprung in die Regionalliga geschafft. In den sieben Jahren bis zum Drittliga-Aufstieg gab es immer wieder Möglichkeiten, in die 2. Liga zu gehen, aber ich habe mich einfach wohlgefühlt. Der Verein hat mir in meiner schwierigen Zeit extrem geholfen, vor allem Herr Wernze, der Hauptsponsor des Vereins. Er hat meinen Wechsel aus Frankfurt ermöglicht. Sein Ziel war es immer, in die 3. Liga zu kommen - und das wurde dann auch zu meinem persönlichen Ziel. Es war also eine Mischung aus Dankbarkeit und persönlichem Ehrgeiz. 2019 hatten wir es nach vielen Anläufen endlich geschafft.

Mike Wunderlich: Die Statistiken bei seinen Stationen

VereinZeitSpieleToreVorlagenMinuten
1. FC Kaiserslauternseit 202135762.953
Viktoria Köln2011-20213231909228.404
FSV Frankfurt2010-201130552.700
Rot-Weiss Essen2009-20105015104.475
1. FC Köln II2005-2009942697.192

2015 gab es Gerüchte, dass Leverkusen an Ihnen interessiert war. Von der Regionalliga in die Bundesliga - wie konkret wurde das für Sie?

Wunderlich: Das kam über den damaligen Trainer Roger Schmidt zustande, der mich zuvor bereits nach Münster und Paderborn holen wollte. Das hatte zwar nicht geklappt, aber wir hielten regelmäßig Kontakt. Nach einem Freundschaftsspiel zu unserer Saisoneröffnung 2015 kam er auf mich zu und fragte mich, ob ich mir das vorstellen kann. Das wäre für mich natürlich ein Traum gewesen, ich hätte es sehr gerne gemacht. Wir führten konkrete Gespräche, aber leider kam es nicht dazu.

Woran ist der Wechsel gescheitert?

Wunderlich: Leverkusen war danach im Trainingslager und im Anschluss wurde mir von Vereinsseite mitgeteilt, dass ein Wechsel nicht zustande kommt. Ich glaube, dass es nicht die Entscheidung vom Trainer, sondern vom Verein war. Es war wohl schwierig zu verkaufen, dass ein Verein, der in der Champions League war, jemanden mit 29 aus der Regionalliga holt. Schade, dass es damals keine U23 in Leverkusen gab, dann wäre das vielleicht hinsichtlich der Außendarstellung eher möglich gewesen.

Wie kam es, dass Sie vor der laufenden Saison den Schritt weg aus Köln und nach Kaiserslautern gingen - weil Sie Trainer Marco Antwerpen schon von der Viktoria kannten?

Wunderlich: Ja. Er wollte wissen, ob ich es mir vorstellen kann, noch einmal anzugreifen. Der Verein sei für die 3. Liga mit dem Umfeld außergewöhnlich. Damit habe ich mich auseinandergesetzt und es war relativ schnell klar, dass ich das zum Abschluss meiner Karriere machen will - bei so einem Traditionsverein mit einem solchen Publikum.

Wie der FCK, der zunächst nur auf sechs Punkte nach acht Spielen kam, benötigten auch Sie ein wenig, um in der Spielzeit anzukommen. An den ersten neun Spieltagen kamen Sie nur auf einen Scorerpunkt. Spiegeln diese Zahlen auch Ihre Probleme in den ersten Wochen wider?

Wunderlich: Definitiv. Wir hatten als Verein Probleme, in die Saison zu kommen - jeder einzelne Spieler inklusive mir. Ich hatte zu kämpfen und habe nicht so gespielt, wie ich mir das gewünscht habe und von mir gewohnt bin. Nach und nach hat sich das eingependelt, wir haben uns als Team gefunden, auch wenn es etwas länger gedauert hat als geplant. Wenn ich sehe, wo wir jetzt stehen, haben wir eine starke Saison gespielt. Die möchten wir jetzt krönen.

Beim FCK kam Wunderlich nach schwachem Saisonstart immer besser in Fahrt.imago images

Kaiserslauterns Mike Wunderlich: "Inneren Frieden wird man bei mir wohl nie finden"

Antwerpen erklärte zuletzt, dass sich Ihr Vertrag nach einer gewissen Anzahl an Spielen automatisch verlängert hat. Können Sie das bestätigen - auch unabhängig von der Liga?

Wunderlich: Ja. Es gab eine Option im Vertrag.

Ihr bislang letztes Zweitligaspiel haben Sie vor ziemlich genau elf Jahren gegen Union Berlin bestritten. Wie gut sind Sie im Vergleich zu damals?

Wunderlich: Ich bin jetzt erfahrener, aber damals war ich auf dem Höhepunkt meiner Karriere. Mittlerweile bin ich gelassener, dafür dauert die Regeneration ein wenig länger. Ich fühle mich körperlich trotzdem noch gut und solange das der Fall ist, will ich auch weiterspielen. Ob das in der nächsten Saison in der 2. Liga sein wird, liegt an uns.

Als Sie Ihre Erkrankung 2011 bekannt machten, sagten Sie: "Mein Ziel ist es, in den Profifußball zurückzukehren. Das klingt momentan sehr schwer für mich, aber ich wollte immer in der Bundesliga spielen und daran glaube ich." Aus der Bundesliga wird nun sehr wahrscheinlich nichts mehr. Können Sie dennoch Ihren Frieden mit Ihrer Laufbahn finden?

Wunderlich: Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass ich deutlich mehr hätte erreichen können. Ich bin mir fast sicher, dass ich den Sprung in die Bundesliga geschafft hätte, wenn ich damals nicht erkrankt wäre. Deshalb wird immer ein fader Beigeschmack dabei sein. Ich trauere dem aber nicht nach und nehme die Dinge so, wie sie sind. Ich habe in Köln viele schöne Dinge erlebt und tue das beim FCK gerade auch. Zufrieden bin ich sowieso nie, einen inneren Frieden wird man bei mir wohl nie finden - vielleicht im Sommer, wenn wir die Sache zu Ende gebracht haben.

Mit einem Augenzwinkern gefragt: Am letzten Spieltag müssen Sie durch den Rückzug von Türkgücü zuschauen, wenn die Konkurrenz spielt. Somit ist die Partie eine Woche zuvor Ihr letztes Saisonspiel - ausgerechnet bei Viktoria Köln. Könnte Ihr enges Verhältnis zu den Vereinsverantwortlichen um Ihren Vater Franz, der dort Sportvorstand ist, ein Vorteil für den FCK sein?

Wunderlich: (lacht) Das glaube ich nicht. Stand jetzt brauchen Sie selbst noch Punkte für den sicheren Klassenerhalt. Es wäre schön, wenn ich dort ein gutes Wort einlegen kann, aber für diese 90 Minuten gibt es keine Freunde. Das wäre aber typisch Fußball, wenn es so kommen sollte, dass ich an meiner langjährigen Wirkungsstätte einen besonderen Erfolg feiern könnte. Die Hauptsache ist aber, dass es überhaupt passiert.

3. Liga: Die Top 6 der Tabelle vor dem 35. Spieltag mit Kaiserslautern

RangMannschaftSpieleToreDiff.Pkt.
11. FC Magdeburg3270:363469
21. FC Kaiserslautern3354:203463
3Eintracht Braunschweig3357:312661
4VfL Osnabrück3252:371555
5TSV 1860 München3252:43952
61. FC Saarbrücken3246:38851