Nach dem eher schwachen Spiel gegen Algerien muss die deutsche Nationalmannschaft im Viertelfinale gegen Frankreich (Fr., 18 Uhr im LIVE-TICKER) eine bessere Leistung abrufen, um zum vierten Mal in Folge ins Halbfinale der WM einzuziehen. Die Franzosen waren das beste Team der Gruppenphase, zeigten zuletzt aber auch Schwächen. In vielen Details ähnelt die Equipe Tricolor sogar der DFB-Auswahl.
Spielweise und Personal:
Im Großen und Ganzen lassen sich einige Parallelen zwischen Frankreich und der deutschen Mannschaft erkennen. Die Franzosen vertrauen bei der WM wie die DFB-Auswahl einem 4-3-3-System.
Die Ausrichtung orientiert sich an den beiden grundlegenden Stärken der französischen Mannschaft: Der ungeheuren Körperlichkeit im defensiven Mittelfeld und in der Abwehr und der Geschwindigkeit im Offensivbereich mit zwei Flügelspielern und einem enorm stark mitspielenden zentralen Angreifer.
Dabei sind die Franzosen prinzipiell eine Mannschaft, die agiert und durchaus über viel Ballbesitz kommt. Allerdings haben Les Bleus auch kein Problem damit, dem Gegner den Ball zu überlassen, um dann aus einer engmaschigen Ordnung heraus den Ball schnell vor das gegnerische Tor zu bringen.
Die Defensivreihe ist - ganz anders als die der deutschen Mannschaft mit ihren vier gelernten Innenverteidigern - bestens austariert. Mathieu Debuchy über rechts und Patrice Evra über die linke Seite sind defensiv aufmerksam und machen in der Offensivbewegung jede Menge Dampf. Besonders Debuchy hat sich in den Spielen bisher als Antreiber auf seiner Seite hervorgetan.
In der Innenverteidigung werden wieder Raphael Varane und Mamadou Sakho erwartet. Beides großgewachsene Spieler, stark in der Luft und körperlich sehr robust. Wobei Varane in der Spieleröffnung einige Schwächen gezeigt hat und Sakho bisweilen zu einigen unkontrollierten Aktionen neigt.
Im Zusammenspiel haben die Vier bisher aber überzeugt, ebenso wie Torhüter Hugo Lloris. Der hatte bisher noch nicht zu viele Chancen, sein unbestrittenes Können zu zeigen. Dafür hatte Frankreich bisher zu wenige Drucksituationen zu bestehen. Lloris ist ein Baustein, dessen Form bei der WM immer noch schwer einzuschätzen ist.
Im defensiven Mittelfeld ist Yohan Cabaye der Taktgeber auf der zentralen Position. Der Mittelfeldspieler von Paris St.-Germain hat im internationalen Vergleich nicht den ganz großen Namen, er ordnet das Spiel seiner Mannschaft aber zuverlässig und pflichtbewusst. Cabaye ist kein Spieler für die Galerie, aber auf seine Art das Herzstück der Equipe Tricolor.
Flankiert wird er von Paul Pogba und Blaise Matuidi auf den Halbpositionen. Pogba ist ein freies Gelenk mit vielen Freiheiten und unkonventionellen Läufen in der Offensive. Der Juve-Star paart Eleganz mit Dynamik und stößt gerne bis in den gegnerischen Strafraum mit vor.
Matuidi ist das Laufwunder, körperlich unglaublich präsent und in der Lage, dem Gegner im wahrsten Sinne des Wortes auch mal weh zu tun.
In der Offensive ist Karim Benzema der Fixpunkt und der mit Abstand torgefährlichste Spieler der Franzosen (drei Tore). Benzema hat seine starke Form der angelaufenen Saison konserviert und ist mit der kompletteste Angreifer aller verbliebenen Teams. Über die Außen werden Mathieu Valbuena (rechts) und Antoine Griezmann erwartet. Beide starke Dribbler mit ordentlichem Zug zum Tor und hervorragenden Flanken.
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Die Stärken:
Frankreich hat in vier Spielen zehn Tore erzielt - damit liegt die Equipe hinter den Niederlanden (12) und Kolumbien (11) auf Platz drei. Zwar hat sich mit Benzema wenig überraschend der Stoßstürmer an die Spitze der internen Torjägerliste geschossen, trotzdem ist Frankreich für jeden Gegner schwer auszurechnen. Bis auf Griezmann haben alle Akteure der Offensivreihe bereits getroffen, auch die defensiven Mittelfeldspieler Pogba, Matuidi und Moussa Sissoko.
Sehr auffällig ist die Statistik, die bereits 77 Torschüsse der Franzosen ausweist. Nur Belgien nach seinem Wahnsinnsspiel gegen die USA hat öfter auf das gegnerische Tor geschossen. Benzema hat alleine schon 25 Mal den Torabschluss gesucht. Kein anderer Spieler im Turnier hat es öfter versucht. Zum Vergleich: Deutschlands fleißigster Schütze ist Thomas Müller mit 13 Versuchen.
Benzema ist der Schlüssel in der Offensive: Seine Ausweichbewegungen auf die Flügel und sein Geschick am Ball schaffen Räume für die nach- und einlaufenden Mitspieler, die mit ihrem Tempo für die gegnerische Viererkette nur schwer aufzunehmen sind. Nicht umsonst ist Benzema der einzige französische Feldspieler, der bisher in allen vier Partien die kompletten 90 Minuten gehen durfte. Benzema gönnt sich deshalb auch gerne längere Verschnaufpausen.
Die Dribbelstärke und Geschwindigkeit von Valbuena und Griezmann beziehungsweise Benzema, sollte Deschamps wieder auf Olivier Giroud im Sturmzentrum vertrauen, kann zu einem großen Problem für die deutschen Außenverteidiger Jerome Boateng und Benedikt Höwedes werden. Wenn dann auch noch die hochstehenden Debuchy und Evra mit anschieben, wird der Druck über die Flügel enorm.
Im defensiven Mittelfeld und mit leicht den einkippenden Flügelspielern steht Frankreich im Zentrum sehr kompakt und eng. Lediglich gegen die Schweiz kassierte Frankreich bisher seine einzigen beiden Gegentore - als beim Stand von 5:0 längst alles klar war und die Konzentration allmählich nachließ.
Trainer Didier Deschamps ist ein aufmerksamer Beobachter und ein Trainer, der sich selbst nicht zu wichtig nimmt. Der Welt- und Europameister ist sich nicht zu schade, unpopuläre Entscheidungen zu treffen und vor allen Dingen: seine selbst gewählte Taktik sofort und rigoros zu ändern, sofern sich die Probleme häufen und sich der Erfolg nicht einstellen mag.
Was die Franzosen bisher wie kaum eine andere Mannschaft hinbekommen haben: Die nötigen Rhythmus- und Intensitätswechsel innerhalb einer Partie. Frankreich setzt das um, was viele andere - auch die deutsche Mannschaft - auf Grund der besonderen Umstände auch versucht haben. Allerdings haben die Franzosen bis auf einige Phasen im wenig überzeugenden Nigeria-Spiel bisher immer die richtige Mischung gefunden und keine ihrer Partien auch nur ansatzweise auf der Hand geben müssen.
Als Alternative zum 4-3-3 haben die Franzosen auch schon in einem 4-1-4-1 gespielt. Das hat den Vorteil, dass die vier offensiv orientierten Mittelfeldspieler durch den kurzen Weg in die Angriffszone dynamisch in die Mitte und in oder an den gegnerischen Strafraum ziehen können und so selbst in Abschlusspositionen kommen. Die Qualitäten der Spieler lässt jede Menge Flexibilität zu, was die Franzosen ziemlich schwer auszurechnen macht.
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Die Schwächen:
Gegen Nigeria war ein Problem der Franzosen sehr auffällig: Wenn Matuidi und Pogba durch strenges Mittelfeldpressing und kluges Anlaufen Im Aufbauspiel nach hinten gedrängt werden, fehlt den Franzosen die Verbindung zwischen Mittelfeld und Angriffsreihe. Cabaye alleine bekommt das Problem bei aller Qualität nicht in den Griff.
Die Passwege sind dann zu lange (auf Benzema) oder für ein Zuspiel auf einen der Außenstürmer zu gefährlich. Es bleiben der Querpass auf die Außenverteidiger oder der Rückpass und das Tempo ist aus dem Angriff raus, noch ehe er hätte Fahrt aufnehmen können.
Überraschend ist Frankreich eine der lauffaulsten Mannschaften des Turniers. Lediglich 107 Kilometer legt die Mannschaft im Schnitt zurück. Da ist zwar das bedeutungslose Gruppenspiel gegen Ecuador eingerechnet, trotzdem sind das zehn Kilometer weniger als etwa die deutsche Mannschaft abgerissen hat, schon bemerkenswert. Das könnte zwar auf eine sehr ökonomische Spielweise rückschließen lassen, ist aber eher mit den zögerlich arbeitenden Offensivspielern zu erklären.
So stark sich die rechte französische Seite bisher präsentierte, so offenbarte ihr Pendant auf der anderen Seite doch ein paar Abstimmungsprobleme. Griezmann, Matuidi und Evra harmonieren mitunter nicht perfekt.
Bisher hat die Mannschaft den Ausfall seines besten Fußballspielers stark kompensiert, manch einer behauptet sogar, dass ohne Franck Ribery andere Spieler endlich mehr in die Verantwortung rücken und diese auch annehmen. Allerdings wäre gerade Ribery in einer Partie mit einem Gegner auf Augenhöhe ein ganz entscheidender Faktor.
Denn bisher sah sich Frankreich in seinen Partien kaum nennenswerter Gegenwehr ausgesetzt. Die Gruppenphase lief wie am Schnürchen, gegen Nigeria gab es einige Probleme, der Gegner war aber letztlich viel zu schwach, um Frankreich ernsthaft zu gefährden. Insofern wird die Partie gegen Deutschland die erste echte Hürde auf Spitzenniveau.
Bisher hatte Frankreich nur wenige Drucksituationen zu überstehen. Wie die Mannschaft darauf reagiert, ist nur schwer einzuschätzen.
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Das ist Frankreichs Kader