Sie sind Teamkollegen bei PSG und gute Freunde: Kylian Mbappé und Achraf Hakimi. Ihr Duell könnte nun ein WM-Halbfinale entscheiden.
Kylian Mbappé gegen Achraf Hakimi bei der WM 2022. Was vor dem Turnier ziemlich unwahrscheinlich schien, war vielleicht doch irgendwie vorherbestimmt.
Im Januar dieses Jahres unternahm Paris Saint-Germain eine Reise nach Katar, die Stars des französischen Meisters durften dabei bereits einige Stadien besuchen. Und Mbappé sagte schon damals voraus, dass er mit Frankreich während der Weltmeisterschaft auf Hakimis Marokkaner treffen würde.
"Ich muss meinen Freund zerstören", witzelte er. "Es wird mir ein bisschen das Herz brechen, aber das ist Fußball. So ist es nun mal. Ich muss ihn killen."
Das ist natürlich leichter gesagt als getan. Selbst für einen Spieler der Klasse von Mbappé. Denn wenn diese WM uns eines gelehrt hat, dann ist es der Fakt, dass für Marokko nichts unmöglich ist. Kroatien, Belgien, Spanien, Portugal - sie alle haben es versucht, sie alle sind an den Atlas-Löwen verzweifelt. Und Marokko avancierte zur ersten afrikanischen Nation, die ein WM-Halbfinale erreicht hat.
Frankreich vs. Marokko: Kann Hakimi Mbappé stoppen?
Trainer Walid Regragui konstatierte zurecht voller Stolz: "Wir haben bereits alle Datenanalysten Lügen gestraft. Wir haben schon etwas Großes erreicht, aber uns reicht das noch nicht. Wir wollen mehr." Mit Mbappé hat nun im Halbfinale am Mittwochabend (20 Uhr) aber ausgerechnet Hakimis Kumpel aus dem Klub etwas dagegen. Und ausgerechnet einer der besten Spieler der Welt, der während des Turniers in Katar bereits fünfmal getroffen hat.
Dennoch betonte Regragui richtigerweise, dass es ein Fehler wäre, sich lediglich darauf zu konzentrieren, wie man Mbappé stoppen kann. Wie sie im Viertelfinale gegen England bewiesen haben, können Les Bleus auch mit einigen anderen Stars vorne gefährlich werden.
England machte eigentlich einen guten Job, die Ballzufuhr in Richtung Mbappé zu unterbinden. Doch dafür sprangen dann das Genie von Antoine Griezmann und die Power von Olivier Giroud in die Bresche. Darum werde es bei Marokko auch keinen "Anti-Mbappé-Plan" geben, wie Regragui hervorhob.
Achraf Hakimi und Kylian Mbappé bei PSG gute Kumpels
Hakimi als Rechtsverteidiger zu haben ist dabei natürlich ein riesiges Faustpfand, nur wenige Spieler kennen Mbappé besser. Denn sie duellieren sich nicht nur seit 18 Monaten Tag für Tag im Training, sondern haben auch eine enge Freundschaft entwickelt.
Mbappé war eine wichtige Figur bei der Integration Hakimis in das Pariser Star-Ensemble, nachdem jener 2021 von Inter Mailand nach Frankreich gewechselt war. Mbappé sprach spanisch mit Hakimi, der bekanntlich in Madrid geboren und bei Real ausgebildet wurde.
Hakimi und Mbappé teilen eine Vorliebe für Mode und Videospiele - daher war es keine Überraschung, dass der Weltmeister den Marokkaner in seinen inneren Kreis aufnahm. Hakimi wusste zum Beispiel vor allen anderen PSG-Stars, dass Mbappé Real Madrid abgesagt hatte, um in Paris zu bleiben.
Der frühere Dortmunder war es auch, der Mbappé den Spitznamen "Pinguino" verpasste. Den entsprechenden Pinguin-Jubel packte er dann sogar nach seinem alles entscheidenden Panenka-Elfmeter im Achtelfinale gegen Spanien aus. Und Mbappé, der Hakimi am Abend vor dem Spiel besucht hatte, war wenig überraschend einer der ersten Gratulanten.
Am Mittwochabend muss die Freundschaft jedoch für mindestens 90 Minuten ruhen. Hakimi twitterte bereits kurz nach Frankreichs Halbfinal-Einzug in Richtung seines Kumpels: "Wir sehen uns bald, mein Freund."
Er freut sich sichtlich auf die vielleicht schwierigste Aufgabe im Weltfußball: Mbappé kaltzustellen. "Achraf ist hochmotiviert, seinen Freund zu bezwingen", bestätigte Regragui. "Sie sind beide Champions, die keine Geschenke verteilen werden. Hakimi ist ein großer Champion, ich mache mir keine Sorgen."
gettyAchraf Hakimi oder Kylian Mbappé: Wer ist schneller?
Regraguis Rechtsverteidiger hat mit Sicherheit alle Qualitäten, die es benötigt, um Frankreichs größtem Superstar entgegenzutreten. Die wichtigste dieser Qualitäten: Natürlich Hakimis Geschwindigkeit.
Jeder weiß, wie unfassbar schnell Mbappé ist. Kyle Walker ist einer der schnellsten Spieler der Premier League, und doch hatte der englische Außenverteidiger im Viertelfinale keine Chance, als Mbappé einmal die Chance bekam, wirklich mit Tempo auf ihn zuzulaufen. Es mutete an wie ein typisches Rennen von Usain Bolt, bei dem ihm seine Konkurrenten auf den ersten 60 Metern noch folgen können, auf den letzten 40 Metern dann aber in ihre Einzelteile zerlegt werden.
Doch Hakimi ist wahrscheinlich noch einmal ein anderes Regal als Walker. Er ist so schnell, dass sogar der legendäre brasilianische Ronaldo einmal sagte, er hätte gerne an seiner Seite gespielt. "Wir hätten durchaus Tempo auf den Platz gebracht", sagte er der Gazzetta dello Sport.
Dass Hakimi bei dieser WM bislang so heraus stach, lag aber gar nicht vordergründig an seiner Schnelligkeit. Vielmehr sind es sein verbessertes Tackling und Timing, die beeindruckten.
Sein Jahr bei Inter war für diese Steigerung essenziell. Hakimi hatte in seiner zweijährigen Leihe zu Borussia Dortmund von 2018 bis 2020 reihenweise glanzvolle Auftritte hingelegt, dennoch schien stets klar, dass Reals damaliger Trainer Zinedine Zidane ihn für noch nicht gut genug hielt.
Seine Schwächen in der Defensive waren der Hauptgrund für Zidanes Zweifel. Eine Saison bei Inter unter Antonio Conte zu arbeiten, hat diese Schwäche beinahe gänzlich verschwinden lassen. "Ich wusste schon immer, dass ich offensiv stark sein kann", erklärte Hakimi Anfang des Jahres. "Aber bei Conte lernte ich viel in Sachen Defensive."
Achraf Hakimi: Bei Inter das Verteidigen gelernt
Seit seinem Wechsel aus Mailand zu PSG hat er zwar neben einigen Höhen auch Tiefen gehabt, aber in Katar sind seine Fortschritte für jeden offensichtlich. Vielleicht gibt es aktuell sogar keinen kompletteren Außenverteidiger auf der Welt.
Kein Abwehrspieler hat bei der WM bislang mehr Tacklings gemacht (19) oder gewonnen (13). Auch bei den erfolgreich bestrittenen Zweikämpfen liegt Hakimi mit deren 35 ganz vorne. Sein Duell mit Mbappé wird daher ganz sicher faszinierend - und möglicherweise auch entscheidend.
Für mindestens 90 Minuten wird aus einer Bromance ein Fight auf Biegen und Brechen werden. Und Mbappé wird alles daran setzen, seine Drohung aus dem Januar wahr zu machen.
Sicher ist aber auch: Wer auch immer als Sieger aus dem Spiel hervor geht und ins Finale einzieht, der jeweilige Gegenüber wird der erste Gratulant sein.
WM: Die letzten fünf Weltmeister
Eine Übersicht mit allen Endspielen der WM-Geschichte findet Ihr hier.
Jahr | Nation |
2018 | Frankreich |
2014 | Deutschland |
2010 | Spanien |
2006 | Italien |
2002 | Brasilien |