Frenkie de Jong von Ajax Amsterdam hat sich binnen zwei Jahren auf die Zettel der europäischen Elite-Klubs gespielt - und wird im Sommer für 75 Millionen Euro zum FC Barcelona wechseln. Dabei hatte er zumindest im vergangenen Jahr nicht mal einen Stammplatz. Was macht den 21-Jährigen so besonders?
"Ich will Frenkie de Jong sein." Das Gefühl, das der Sportjournalist Frank Heinen in seiner Kolumne für das Onlinemagazin HP/De Tijd beschrieb, teilen nicht wenige Niederländer. "Er erinnert mich an Frank Rijkaard", sagt der Journalist Floris Koekenbier. Andere behaupten, er sei "der neue Johan Cruyff". Es sind Fußballgötter in den Niederlanden, mit denen de Jong verglichen wird.
Schon jetzt ist er so etwas wie der Heilsbringer des niederländischen Fußballs. Und das, nachdem er erst im September sein Nationalmannschaftsdebüt gab. Ausgerechnet an dem Abend, an dem mit Wesley Sneijder der letzte große Regisseur seine Karriere in der Elftal beendete.
Ohne Frage ein Fingerzeig für die Zukunft, aber die Fußstapfen Sneijders sollen nicht die Grenze sein. Lediglich zwei Jahre benötigte der zentrale Mittelfeldspieler, um das Interesse der europäischen Klub-Elite zu wecken. Am Mittwoch wurde nach wochenlangen Spekulationen nun bekannt: De Jong wird sich im Sommer dem FC Barcelona anschließen - für 75 Millionen Euro zuzüglich weiterer Bonuszahlungen.
Frenkie de Jong lange von Top-Klubs umworben
Auch Paris Saint-Germain bemühte sich intensiv um die Dienste des Jungen, der immer etwas teilnahmslos und fast schon gelangweilt wirkt. Zumal de Jong über weite Strecken seiner Zeit bei den Ajax-Profis noch nicht einmal gesetzt war.
Das änderte sich Ende 2017. Als De Jong selbst mehr Spielzeit einforderte, wurde er Teil der Stammelf. Knackpunkt war damals das Ligaspiel gegen Roda Kerkrade, als die Partie zur Pause auf der Kippe stand.
Ajax agierte langsam und ohne Kreativität. Trainer Marcel Keizer reagierte und brachte seinen Youngster beim Stand von 1:1. 45 Minuten und drei De-Jong-Assists später fuhr Ajax einen 5:1-Kantersieg ein.
gettyDe Jong als Innenverteidiger bei Ajax: Eine Gefahr für alle
"Jetzt muss er ihn spielen lassen", so die einschlägige Meinung der Ajax-Anhänger, die die Reservistenrolle De Jongs unter Keizer durchaus schon länger missbilligten. Und de Jong spielte - allerdings nicht als Mittelfeld-Regisseur, sondern in der Innenverteidigung.
Mit ihm in der Startelf verlor Ajax bis zu seinem verletzungsbedingten Saisonaus im März (Haarriss im Wadenbein) kein Spiel mehr. "De Jong ist eine bessere Version von Franz Beckenbauer", stellte die niederländische Fußball-Legende Arie Haan fest.
Doch auch kritische Stimmen bezüglich der Positionsinterpretation de Jongs wurden laut. Nachdem Keizer bei Ajax entlassen wurde, stellte Interimslösung Michael Reiziger de Jong ebenfalls in die Innenverteidigung, gab ihm allerdings jegliche Freiheiten in der Vorwärtsbewegung. Das nutzte de Jong und kreierte im Schnitt 2,2 Torchancen pro Spiel - als Innenverteidiger.
"Er muss unbedingt zurück ins zentrale Mittelfeld", sagte der niederländische Fußballjournalist Geert Beckers daraufhin gegenüber ESPN: "Im Moment ist er für die eigene Mannschaft ebenso eine Gefahr wie für den Gegner." Erik ten Hag, Reizigers Nachfolger, erhörte Beckers. Im Topspiel gegen die PSV Ende September musste de Jong jedoch in die Innenverteidigung zurückkehren, Ajax verlor mit 0:3.
De Jong in der Jugend bei Willem II: Der Lieblingsspieler
Nicht ganz so drastisch wie Beckers, aber ähnlich sieht es auch de Jong selbst, der seine Zeit in der Innenverteidigung als "kurzes Experiment" bezeichnete. Schließlich sei er immer Mittelfeldspieler gewesen und werde es auch bleiben. Das habe sich schon früh angedeutet, behauptet sein Vater John: "Wir haben immer gesehen, dass er viel Talent hat. Als er elf Monate alt war, trat er schon gegen einen Ball und das nicht nur einfach so, sondern sofort gut."
Von einem kleinen Dorfverein im südholländischen Arkel schaffte de Jong schnell den Sprung zu einem renommierten Klub. Als er sieben Jahre alt war, absolvierte er jeweils Probetrainings bei Willem II und Feyenoord Rotterdam. Obwohl das Gros seiner Familie Feyenoord-Anhänger war, entschied sich de Jong für einen Wechsel zu Willem II.
Zwar habe er damals noch körperliche Defizite gehabt, doch die kompensierte de Jong durch Spielintelligenz und seine Fähigkeiten am Ball, wie sein U15-Trainer Jos Bogers gegenüber AjaxShowtime bestätigte. "Er war technisch fantastisch und der beste Mittelfeldspieler, mit dem ich je gearbeitet habe", sagt Bogers, der de Jong "eine natürliche Begabung" attestierte.
Frenkie de Jongs Elftal-Debüt: Das Einfachste von der Welt
Sechs Jahre ist es her, dass Bogers de Jong trainierte. Im Mai 2015 bestand sein ehemaliger Schützling die Feuertaufe in der Eredivisie, als Willem II am 33. Spieltag Den Haag mit 1:0 schlug. Damals war de Jong noch nicht einmal 18 Jahre alt. Seitdem glich die Karriere des Blondschopfs einer Pyrenäen-Etappe bei der Tour de France: stetig und steil bergauf.
Nach der Rückkehr von Daley Blind von Manchester United zu Ajax Amsterdam ist in dieser Saison auch der Weg für de Jong zurück auf seine angestammte Position im Mittelfeld frei. Aber: "Er ist nicht der Typ, der 15 Tore schießt", sagt der niederländische Fußballjournalist Justus Dingemanse im Gespräch mit SPOX.
De Jong sei vielmehr ein Spieler, der ein Spiel mit seinem Rundumblick lesen könne und keine Angst davor habe, Fehler zu machen.
Frenkie de Jongs Leistungsdaten bei Ajax und Willem II
Mannschaft | Spiele | Tore | Torvorlagen |
Ajax Amsterdam | 65 | 6 | 10 |
Ajax Amsterdam II | 46 | 8 | 11 |
Willem II Tilburg | 3 | - | - |
Willem II Tilburg II | 22 | 7 | 2 |
Frenkie de Jong: Heute Dagobert, morgen Kaiser?
"Ich habe ihn bei seinem Nationalmannschaftsdebüt gegen Peru gesehen. Er kam rein und plötzlich drehte sich alles um ihn", erzählt Dingemanse: "Und er tat so, als ob das, was er tut, das Einfachste von der Welt sei." Mit de Jongs Hereinnahme drehten die Niederländer das Spiel und gewannen 2:1. De Jong bereitete den Ausgleich durch Memphis Depay vor.
Seinen Marktwert konnte er damit weiter steigern. Gut möglich, dass er seinen väterlichen Spitznamen "Dagobert Duck" bald ablegen kann.
Den verlieh ihm sein Vater John, weil Frenkie viel Geld verdiene, aber damit "keinen Scheiß" mache und sowieso ohne jegliche Starallüren auskomme. Das werde auch nach seinem Wechsel zu Barca so bleiben. Sollte Haan wiederum mit seiner Annahme recht behalten, winkt ohnehin ein andere Beiname. "Kaiser von Arkel" beispielsweise.