Fünf Thesen zum 17. Bundesliga-Spieltag: Schalke ist nicht mehr zu retten, BVB hat ein Torwartproblem, Herthas Ich-AGs stürzen ab

Stefan Rommel
21. Januar 202111:27
Musste die Schlussphase verletzt von draußen mitansehen: Schalke-Kapitän Sead Kolasinac.getty
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Schalke 04 verliert sein Sechs-Punkte-Spiel auf dramatische Weise - und damit auch seinen Mut? Erzfeind BVB hat ein Problem, ebenso wie die Individualisten der Hertha. Es gibt aber auch schöne Geschichten aus der Liga. Die Talking Points des 17. Bundesliga-Spieltags.

Herthas Ich-AGs stürzen weiter ab

Schließt sich ein Kreis in Berlin? Bruno Labbadias Engagement bei der Hertha startete im Mai mit einem 3:0 gegen Hoffenheim. Nun droht die Stippvisite beim selbst ernannten Big City Club nach einem 0:3 gegen eben jene Hoffenheimer schon wieder zu enden.

Labbadias Punkteschnitt liegt nun bei 1,11 Punkten pro Spiel, es ist der Punkteschnitt des Trainers eines Abstiegskandidaten. Ein solcher wollen die hoch ambitionierten und alimentierten Berliner natürlich partout nicht sein. Ganz im Gegenteil. Der Kader ist dank einer dreistelligen Millionensumme aufgepumpt und man kann ja nicht behaupten, dass sich Michael Preetz da nur ein paar völlig überteuerte Mittelklasse-Spieler hat andrehen lassen. Die können alle kicken - nur halt nicht miteinander.

Hertha hat bei der Suche nach neuen Spielern offenbar ganz übersehen, dass neben ein paar fußballerischen Fähigkeiten auch Sozialkompetenzen wichtig sind für den Zusammenhalt in einer Mannschaft. Denn davon ist diese Truppe nach der Hälfte der Saison noch weiter entfernt als von einem Champions-League-Platz.

Es gibt nicht einen Spieler im Team, an dem sich die anderen aufrichten könnten, sobald die ersten Negativerlebnisse eintreten. Die Mannschaft fällt dann regelmäßig auseinander, sie ergibt sich ihrem Schicksal und draußen steht Labbadia und muss fast tatenlos dabei zusehen.

Bruno Labbadia hat den Punkteschnitt eines Abstiegstrainers.getty

Denn egal, wen der Trainer auch einwechselt oder wie er umstellt: Am Charakter eines Spiels ändert sich dadurch nichts. So verfestigt sich der Eindruck immer mehr, dass die Hertha aus einer Ansammlung an Ich-AGs besteht.

Und damit ist in der Bundesliga kein Staat zu machen und langsam sollte der Blick mal eher nach unten gehen als weiter verstohlen nach oben zu schielen. Vielleicht fragen die Berliner mal beim nächsten Gegner Werder Bremen nach: Die haben letzte Saison auch lange genug die Gefahr übersehen - und wären am Ende beinahe abgestiegen.

BVB droht Torhüterdiskussion

Borussia Dortmund hat jetzt sechs von 17 Spielen verloren, also mehr als jedes dritte Spiel in der Hinserie, und man muss konstatieren: Es wird einfach nicht besser beim BVB.

Gegen Leverkusen genügte der älteste Taktikansatz des Gegners, um Dortmunds Offensivspiel 70 Minuten lang komplett lahmzulegen: gegen die Manndeckung der Werkself hatte die Borussia keine Lösungen. Es hakt und hapert überall, von der Trainerbank kamen nur wenige Impulse, die so genannten Führungsspieler waren unsichtbar, in der guten Phase rund um den Ausgleich fehlte der nötige Punch.

Und als wäre das schon nicht genug, brandet mal wieder eine Torhüterdiskussion auf. Roman Bürki sah bei beiden Gegentreffern in Leverkusen nicht besonders gut aus. Zwar hielt der Schweizer einige andere Schüsse stark, insgesamt zeigte er elf Paraden und damit so viele wie noch kein Torhüter vor ihm in dieser Saison. Ohne Bürki wäre die Partie schon frühzeitig zu Gunsten von Bayer entscheiden gewesen. Aber Fehler wie bei den Gegentoren oder diese kleinen technischen Mängel im Torhüterspiel wie beim Gegentreffer zuletzt gegen Mainz, als Bürki beim Timing des Absprungs schlampig agierte, schüren die Zweifel an seiner Eignung auf allerhöchstem Niveau.

Ein bisschen steht der Keeper damit stellvertretend für die komplette Saison seiner Mannschaft: Immer wieder mit Highlights und zuverlässig und dann plötzlich wieder fahrig und fehlerbehaftet. Das reicht dann für den Keeper und seine Mannschaft für die Europa League, vielleicht auch noch irgendwie für die Champions League. Aber ganz sicher nicht für mehr.

Schalke: Zu harter Schlag in die Magengrube

Klar, es sind noch 51 Punkte zu vergeben, theoretisch könnte der FC Schalke 04 womöglich noch ins internationale Geschäft einziehen. Und es ist nicht vorbei, ehe es nicht vorbei ist. Wer wüsste das besser als der FC Schalke selbst?

Aber jetzt tauchten doch gerade erst ein paar Lichtblicke auf im Dunkel, ein neuer Trainer, ein zurückgekehrter Sead Kolasinac, ein Sieg in der Liga, eine verbesserte Mannschaft, der junge Hoffnungsträger Matthew Hoppe und nun auch noch der Hunter, der Schalke auf seine alten Tage aus dem Keller schießen will. Fehlte nur noch ein Sieg im Sechs-Punkte-Spiel gegen den 1. FC Köln. Um selbst den Anschluss zu halten, einen Kontrahenten tiefer reinzuziehen und dort vielleicht noch mehr Chaos als ohnehin schon anzuzetteln.

Und dann das: Der Schlag in die Magengrube in der Nachspielzeit, der das zarte Pflänzchen der Hoffnung zertrampelt. Die Niederlage und Bielefelds Sieg gegen Stuttgart lassen den Rückstand auf den Relegationsrang auf acht Punkte anwachsen - das ist ein Punkt mehr als Schalke bisher in 17 Spielen eingesammelt hat. Wie soll das noch funktionieren? Auf Schalke gehen die Lichter aus, in der Geschichte der Bundesliga hat sich eine Mannschaft mit weniger als neun Punkten nach der Hinserie noch gerettet. Augsburg ist das mal gelungen, ansonsten: niemandem.

Langsam muss ein mittelschweres Wunder her, wenn das auf Schalke doch noch gutgehen soll.

Bielefeld wird zum Überraschungsteam

Es ist noch nicht so lange her, da schien Arminia Bielefeld am Boden und das Schicksal programmiert. Das 0:1 zu Hause gegen den FC Augsburg war der Tiefpunkt, das war kurz vor Weihnachten. Der Vorsprung auf den ersten Abstiegsrang betrug damals einen Punkt.

Bielefeld hatte Anpassungsprobleme in der Bundesliga, wollte vielleicht ein bisschen zu lange sein Spiel aus der zweiten Liga durchdrücken und wurde dafür abgestraft. Dann kam die inhaltliche Wende und mit ihr der Erfolg. Bielefeld hat sich von einem seiner Stilmittel fast komplett verabschiedet: Die Mannschaft spielt kaum noch kontrolliert von hinten raus, sondern bleibt in der Offensive so einfach wie möglich und legt dafür noch mehr Wert auf defensive Stabilität. Das führte zu zehn Punkten aus den letzten fünf Spielen, in vier Partien blieb Bielefeld dabei ohne Gegentor.

Ein starker Torhüter Stefan Ortega, ein bisschen Fabian Klos und Ritsu Doan und eine unheimliche Effizienz vor dem gegnerischen Tor sind die Zutaten für einen mächtigen Zwischenspurt einer Mannschaft, die streng genommen und bei allem Respekt wohl über den schwächsten Kader der Liga verfügt.

Insofern sind 17 Punkte nach 17 Spieltagen fast schon eine Sensation. Der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz beträgt jetzt jedenfalls nicht mehr einen, sondern zehn Punkte.

Leverkusens Abhängigkeit von Florian Wirtz:

Sechs Jungspunde warf Dortmunds Trainer Edin Terzic in Leverkusen in die Partie, von Jude Bellingham bis Youssoufa Moukoko. Auf Seiten der Gastgeber waren nur Moussa Diaby und Florian Wirtz unter 23 Jahren - und die entschieden das Spiel. Diaby findet nach einigen zähen Wochen so langsam seine Leichtigkeit wieder, ein gutes Zeichen für die Werkself. Dass aber eine gestandene Bundesligamannschaft schon jetzt eine nicht zu leugnende Abhängigkeit von einem 17-Jährigen entwickelt, kann man durchaus auch kritisch sehen.

Florian Wirtz bekam in den letzten Partien die von Trainer Peter Bosz angekündigte Verschnaufpause, der Niederländer will sein größtes Talent nicht mitten in der Saison einfach so verbrennen und reagierte sofort auf ein paar Knieprobleme des Spielers - nicht dass am Ende daraus noch Schlimmeres entsteht.

Bosz' Fürsorge ist für einen Teenager wie Wirtz der absolut richtige Weg, für die Leistungen und die Ergebnisse der Mannschaft war Wirtz' kurze Pause aber ein veritables Problem. Nun hat Bayer auch mit Wirtz auf dem Platz Spiele verloren und ohne ihn auch schon gewonnen. Und doch ist das Talent jetzt schon die entscheidende Zutat im Offensivspiel der Mannschaft.

In 29 Pflichtspielen war Wirtz fast in jeder zweiten Partie direkt an einem Tor beteiligt, in der aktuellen Bundesliga-Saison stehen nach 17 Partie schon drei Tore und fünf Assists. Ist Wirtz fit, dann ist er auch als Startspieler gesetzt. "Momentan ist er eine tragende Figur, er hilft der Mannschaft mit seiner Präsenz", sagt Torhüter Lukas Hradecky. Das ist nicht immer frei von Rückschlägen, wie beim zwischenzeitlichen Dortmunder Ausgleich, der nach einem überambitionierten Hackentrick von Wirtz eingeleitet wurde, zu sehen war. Aber auch das gehört bei einem Lehrling ja irgendwie dazu. Auch wenn der größtenteils schon wie ein Meister spielt.