Glasgow - Weltmeister Italien hat sich zur Europameisterschaft gezittert, Roberto Donadoni den Trainerjob gerettet und dem Erzrivalen Frankreich ungewollt Schützenhilfe geleistet.
"Paradiso Italia", bejubelte "Tuttosport" den mühsamen 2:1-Sieg in Schottland als ersten Lichtblick nach dem Tod des Lazio-Fans Gabriele Sandri und den Fan-Krawallen in der letzten Woche.
Während die tapferen Bravehearts sich vom schwachen Schiedsrichter Manuel Mejuto Gonzales um ihren EM-Platz betrogen fühlten, kehrte bei den in Trauerflor aufgelaufenen Azzurri nach ihrem ersten Sieg in Schottland das weltmeisterliche Selbstvertrauen zurück: "Dieses Team wird Europameister", prophezeite WM-Trainer Marcello Lippi.
Traum vom EM-Titel
Sein umstrittener Nachfolger Donadoni konnte erstmals richtig aufatmen. "Ich bin tief bewegt. So ein Spiel habe ich noch nie erlebt", gab der befreit jubelnde Trainer nach seiner Feuerprobe im Glasgower Hampden-Park zu. "Complimenti Donadoni", leistete der "Corriere dello Sport" Abbitte.
Mindestens genauso wichtig wie das vorzeitig gelöste EM-Ticket war für Italiens Verbandspräsident Giancarlo Abete, dass die Mannschaft auf internationaler Bühne endlich wieder ein positives Bild des von Skandalen gebeutelten "Calcio italiano" zeichnen konnte.
"Als ich den Jungs in die Augen geschaut habe, wusste ich: Wir schaffen es!", meinte Donadoni. Ein Blitztreffer von Bayern-Stürmer Luca Toni nach nur 63 Sekunden und ein Last-Minute-Kopfballtor von Christian Panucci verhinderten Italiens neuerliche EM-Blamage. 1982 hatten die Azzurri als Weltmeister die Qualifikation für die EM 1984 in Frankreich verpasst.
Mancher Italiener räumt nun sogar vom zweiten EM-Titel nach 1968. "Die Nazionalmannschaft hat bewiesen, wie stark sie ist. Die Auswahl wird die EM gewinnen, da bin ich mir ganz sicher", sagte Marcello Lippi, der Italien in Deutschland als Trainer zum WM-Triumph geführt hatte.
Geschenkter Freistoß
Im strömenden Regen von Glasgow musste der dreimalige Weltmeister wieder zittern, nachdem der Referee erst Antonio di Natales Tor zum 2:0 in der 31. Minute wegen angeblicher Abseitsstellung nicht anerkannte und danach Barry Fergusons 1:1 trotz klaren Abseits in der 65. Minute gab.
Als die von ihren grandiosen Fans nach vorn gepeitschten Schotten in der Schlussphase bedingungslos stürmten, hielten Glücksgöttin Fortuna und der Unparteiische ihre schützenden Hände über den Favoriten: Die Schotten vergaben ihre Chancen und Schiedsrichter Gonzales schenkte Luca Tonis Truppe einen Freistoß, der zum Siegtreffer führte. "Den Sieg widmen wir Gabriele Sandri", sagte der Bayern-Star, den die "Gazzetta dello Sport" als "absolut unersetzlich" bezeichnete.
Schotten trotzdem gefeiert
Bei den jubelnden Italienern war nur Mittelfeldkämpfer Gennaro Gattuso nicht vollends glücklich: "Dass wir Frankreich zur WM geschossen haben, geht mir auf die Eier. Schottland hätte es mehr verdient", sagte der Milan-Star.
Gattusos Mitgefühl war für die Schotten nur ein schwacher Trost. "Meine Spieler hatten es nicht verdient, zu verlieren. In der zweiten Halbzeit hing Italien in den Seilen", klagte Trainer Alex McLeish. Seinen Spielern machte er keinen Vorwurf, wohl aber Schiedsrichter Gonzales. "Wir wurden vom Referee beraubt", sagte auch Torjäger James McFadden.
Die 51.301 Zuschauer im Stadion feierten die Mannschaft trotzdem. Die "Tartan Army" jubelte nach dem Abpfiff so lange, bis sich die niedergeschlagenen Spieler noch einmal in der Arena zeigten. "Alex McLeish und seine Mannschaft haben Schottlands Stolz in seine Fußball-Elf wiedererweckt", lobte der britische Premierminister Gordon Brown, der die Partie im Stadion verfolgt hatte.
Am Ende hieß es aber: "Packt die Kuhglocken wieder in und sagt die Jodel-Kurse ab!"(BBC).
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