Gefühlte Kompaktheit

Florian Schimak
29. Juni 201423:53
Der Chef der Wüstenfüchse: Vahid Halihodzic hat das algerische Team zu einer Einheit geformt getty
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Das DFB-Team trifft im Achtelfinale am Montag auf Algerien (ab 21.45 Uhr im LIVE-TICKER). Die Wüstenfüchse von Trainer Vahid Halihodzic spielen keinen typisch afrikanischen Fußball. Sie leben von ihrer Leidenschaft und dem Teamgeist - allerdings stoßen sie bisweilen an ihre Grenzen.

Spielweise und Personal

Trainer Vahid Halihodzic setzt aus gegebenem Anlass fast ausschließlich auf Legionäre. 19 der 23 Kicker im Kader stehen in Europa unter Vertrag. Lediglich die beiden Ersatzkeeper Cedric Si Mohamed und Mohamed Zemmamouche sind in der heimischen Liga aktiv. Abdelmoumen Djabou spielt immerhin noch in Afrika - bei Club Africain Tunis.

Kapitän Madjid Bougherra war bis zur WM in Katar unter Vertrag, ihn zieht es nun aber wieder zurück nach Europa. Bereits von 2008 bis 2011 erkämpfte sich der inzwischen 31-Jährige Heldenstatus im Ibrox Park, als er dort für die Glasgow Rangers auflief.

Ein Großteil des Teams ist quasi in ganz Europa verstreut. Vier Spieler stehen in Italien unter Vertrag, drei Kicker in England, vier wiederum in Spanien drei in Frankreich und der Rest verdient sein Geld in Portugal, Kroatien oder Bulgarien.

Zudem sind die meisten Spieler gar nicht in Algerien geboren, sondern in Frankreich geboren. Und dennoch hat es das Team geschafft, das ganze Land auf seine Seite zu bringen. Die Euphorie nach dem Achtelfinaleinzug ist nicht zu beschreiben. "Millionen Algerier sind begeistert von der historischen Leistung unserer Mannschaft", sagt Moumene Belghoul, einer der renommiertesten Sportjournalisten des Landes.

Halihodzic hat es geschafft, aus den 23 Spielern eine Einheit zu formen, die er meist in einem relativ defensiven 4-2-3-1 aufs Feld schickt. Die Wüstenfüchse agieren sehr kompakt, halten die Abstände eng und lassen so wenige Chancen zu. Im Zentrum verteidigen mit Rafik Halliche und Bougherra zwei Kanten, die in der Luft und im Zweikampf ihre Stärken haben.

Aissa Mandi und Djamel Mesbah besetzten die Außenverteidigerpositionen. Während Mandi bisher in der Vorrunde überzeugen konnte und als Newcomer im Heimatland gefeiert wird, zeigte Mesbah eher durchwachsene Leistungen und ist nicht ganz unumstritten. Sein Vorteil: Es gibt keine Linksverteidigeralternative im Team.

Vor der Abwehr agieren meist Carl Medjani und Nabil Bentaleb. Vor allem Bentaleb bekommt relativ wenig Aufmerksamkeit für seine gezeigten Leistungen. Der Youngster von Tottenham Hotspur spielt eine starke WM - mit gerade einmal 19 Jahren. Unauffällig, aber sehr effektiv, absolviert er seinen Dienst vor der Abwehr.

Nach vorne hin agiert Algerien sehr flexibel, in dem die flinken Sofiane Feghouli, Yacine Brahimi und Djabou oft die Positionen in der offensiven Dreierreihe tauschen. Als zentrale Spitze agiert Islam Slimani, der als einziger algerischer Akteur bisher zwei WM-Tore erzielt hat.

Besonders in der Offensive versuchen es die Halihodzic-Jungs mit dem Kurzpassspiel. Mit Spieler wie Feghouli und Brahimi ist dies durchaus möglich. Beide sind technisch sehr versiert und können auch im Eins-gegen-Eins glänzen.

Im Tor steht mit Rais M'Bohli ein Keeper, der sein Geld in Bulgarien bei ZSKA Sofia verdient und dort eher weniger zum Einsatz kommt. Machte in der Vorrunde nicht den sichersten Eindruck, zeigte aber auch gute Paraden.

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Die Stärken

Die Stärke der Wüstenfüchse liegt ganz klar in der mannschaftlichen Geschlossenheit. Mit einer unfassbaren Leidenschaft agierte Algerien in der Vorrunde. Alle Spieler gingen extrem weite Wege und schmissen sich in jeden Ball und jeden Zweikampf.

Gegen Belgien ging man früh in Führung und verbarrikadierte sich anschließend am eigenen Sechzehner. Die defensive Kompaktheit ist ein absoluter Trumpf. Feghouli und Djabou ziehen sich sehr weit zurück. Bentaleb und Medjani verdichten das Zentrum und lassen wenige Räume. So ist Algerien schwer zu bespielen.

Hier wird die Kreativität von Özil, Müller und Co. gefordert sein. Bisher hat Algerien in den drei Spielen lediglich 16 Schüsse aufs Tor zugelassen. Zum Vergleich: Das DFB-Team bekam zehn Schüsse auf den Kasten.

Bei Ballgewinn schwirren die Offensivkräfte wieder aus und versuchen durch schnelle, kurze Pässe das Mittelfeld zu überbrücken. Auch im letzten Angriffsdrittel wird eher versucht noch einen Doppelpass zu spielen, als eventuell frühzeitig den Abschluss zu suchen. Ab und an wirken Feghouli und Co. ein wenig zu verspielt.

Auffällig ist, dass fast jeder Standard, egal ob Eckball oder Freistoß, auf Slimani getreten wird. Dabei hat Algerien mit Bougherra und Halliche noch zwei weitere Kopfballungeheuer in seinen Reihen. SPOX

Allerdings steht hinter dem Kapitän noch ein Fragenzeichen, bereits im letzten Vorrundenspiel konnte Bougherra nicht eingesetzt werden. Dennoch sind die Nordafrikaner nach Standards sehr gefährlich. Drei ihrer bisher sechs Treffer erzielten die Algerier nach ruhendem Ball.

Der 1,88m-große Slimani ist eine richtige Kante und sticht aus dem wirbelnden Offensivspiel der Algerier durch seine Robustheit und seine körperliche Präsenz heraus.

"Wir treffen auf eine sehr kompakte und laufstarke Mannschaft. Ich habe mir Algerien eine Stunde lang angeschaut. Das wird eine ganz, ganz schwere Aufgabe", sagte Joachim Löw auf der Pressekonferenz am Samstag.

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Die Schwächen

Trotz aller Leidenschaft und Motivation fehlt es dem Team an Erfahrung, gerade an internationaler. Ein WM-Achtelfinale ist etwas anderes als der Abstiegskampf in der Ligue 1.

Außerdem fiel schon in der Vorrunde auf, dass Algerien seinem intensiven und kraftraubenden Spielstil am Ende der Partie meist Tribut zollen muss. Gegen Belgien gaben sie in den letzten Minuten das Spiel noch völlig aus der Hand. Im zweiten Spiel gegen Südkorea folgte auf eine starke erste Hälfte ein schwacher und müder zweiter Durchgang und auch gegen Russland gerieten die Wüstenfüchse am Ende ins Schwimmen. SPOX

Zudem trifft Algerien mit dem DFB-Team jetzt erstmals auf einen richtig starken Gegner. Die Belgier waren im ersten Spiel noch nicht auf der Höhe. Südkorea ist eine der größten Enttäuschungen der WM und auch die Sbornaja zählte bei dieser WM nicht zwingend zur Creme de la creme.

Auch taktisch hat Algerien Defizite. Bei aller Leidenschaft vergessen die Wüstenfüchse ab und zu die taktische Disziplin, die die bisherigen Gegner noch nicht in diesem Maße nutze konnten.

Die Innenverteidigung hat Geschwindigkeitsdefizite und agiert oftmals sehr mannbezogen. Teilweise fehlt die klare Zuordnung, beziehungsweise die Abstimmung in der Abwehrkette stimmt nicht.

Ebenso genügen die Außenverteidiger eigentlich nicht internationalen Ansprüchen. Vier der fünf Treffer in der Vorrunde fielen nach Flanken, weil die gegnerischen Außenspieler nicht entscheidend angelaufen wurden.

Zudem ist die Torwartposition ein Schwachpunkt. M'Bohli agierte bisher zwar ohne größeren Fehler, hatte aber die ein oder andere unkonventionelle Aktion dabei.

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Der WM-Kader Algeriens im Überblick