Am Samstag (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) hat Gianluigi Buffon gegen den FC Barcelona die Chance, sich seinen letzten großen Traum zu erfüllen: den Champions-League-Titel mit Juventus Turin. Der Henkelpott wäre die Krönung der großen Karriere eines fantastischen Torwarts und begnadeten Motivators. Seine Laufbahn war und ist eine mit Höhen und Tiefen, gezeichnet durch große Erfolge - aber auch von Skandalen und Kontroversen.
9. Juli 2006. Im Berliner Olympiastadion läuft die 13. Minute der Verlängerung. Die Azzurri straucheln, die Franzosen präsentieren sich in den letzten Minuten des Finales der Weltmeisterschaft frischer, fitter und vor allem eins: überzeugter. Willy Sagnol kommt an der rechten Seitenlinie an den Ball, blickt kurz auf und flankt in die Mitte. Zinedine Zidane schleicht Gennaro Gattuso davon und kann den Ball unbedrängt wuchtig Richtung Tor köpfen.
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Nur einer verliert in diesem Moment nichts von seiner Konzentration und Reaktion. Er ist zur Stelle, wenn ein krisengebeuteltes Fußballland ihn am meisten braucht: Gianluigi Buffon lenkt den Ball mit einem Klasse-Reflex über die Querlatte.
"Ich glaube, ich habe in meinem Leben viele sehr wichtige Paraden gemacht. Aber jene gegen Zidane im Finale in Berlin war wohl die entscheidendste." Knapp eine Stunde später wird Italien zum Weltmeister gekürt.
Ein Teil italienischer Kultur
Mittlerweile zieren die Vitrinen des Torhüters aus Carrara unter anderem sechs Meisterschaften, ein UEFA-Cup-Titel, vier Auszeichnungen zum Welttorhüter und eben dieser Weltmeistertitel. Erlangt hat er diese Erfolge in insgesamt über 600 Partien für Parma und Juve und der Rekordanzahl von 147 Auftritten für die italienische Nationalmannschaft.
Buffon ist nicht erst jetzt schon eine Legende. Er hat sich diesen Status bereits vor Jahren gesichert, spätestens mit dem Titel in Deutschland. Der Ausdruck "Grande Gigi!" (Gut gemacht, Gigi!) ist in Italien mittlerweile zu einem geflügelten Wort geworden. Macht man in einer Drucksituation etwas gut, auch fern von jedwedem fußballerischen Zusammenhang, dann macht man es wie Gigi.
Eingang in den italienischen Volksmund hat dieser Satz erstmals 1995 gefunden. Nachdem Buffon erst in der Jugend des AC Parma vom defensiven Mittelfeldspieler zum Torhüter umfunktioniert wurde, feierte er mit zarten 17 Jahren gegen den AC Milan (0:0) sein Debüt in der Serie A.
Der Positionswechsel war damals zwar der Tatsache geschuldet, dass beide Torhüter der Jugendmannschaft verletzt waren. Aber Gigi hat seinen Werdegang einem ungewöhnlichen Spieler zu verdanken: "Es war Kameruns Thomas N'Kono, der mich während der WM 1990 mit seinen spektakulären Paraden dazu inspiriert hat, ins Tor zu gehen. Er wurde mein Vorbild und ihm zu Ehren habe ich meinen Sohn Louis Thomas genannt."
Aufstieg und Skandale
Buffon verdrängte in Parma schnell Luca Bucci und war mit 18 Jahren die Nummer eins zwischen den Pfosten. Mit Spielern wie Fabio Cannavaro, Lilian Thuram oder Hernan Crespo läutete er die goldenen Jahre der Mannschaft aus der Stadt des Parmesans ein und holte 1999 die Coppa Italia und den UEFA Cup in die Emilia-Romagna.
Doch Gigis erste Jahre im Olymp des italienischen Fußballs wurden nicht nur durch Erfolge geprägt. Der junge Keeper musste sich gleich zu Beginn seiner Karriere mit dem Vorwurf des Rechtsextremismus auseinandersetzen.
Nach einem Meisterschaftssieg streifte sich Buffon ein T-Shirt mit der Aufschrift "Boia chi molla" (Wer aufgibt, ist ein Henker) über. Der Ausruf war ein Motto in neofaschistischen Kreisen der Nachkriegszeit und sollte die Menschen wieder dazu bewegen, dem italienischen Faschismus zu folgen.
Buffon wurde vor die Disziplinarkommission des italienischen Verbandes zitiert. Er rechtfertigte sich später in seiner Biographie Numero 1 damit, dass er den Satz noch aus der Zeit in der Schule kannte und der Hintergrund ihm nicht bekannt war.
Im Jahr 2000 pochte der zukünftige Welttorhüter darauf, mit der Rückennummer 88 aufzulaufen. Auch dieses Mal stellte sich heraus, dass Buffon keine rechtsextremen Hintergedanken hatte und antwortete auf seine manchmal juvenil anmutende Art: "Ich wollte die 88, da diese Zahl vier Eier hat. Und im Fußball braucht man Eier."
Der Rekordmann
Allen Widrigkeiten zum Trotz stieg Buffon die Karriereleiter unaufhaltsam weiter nach oben und schloss sich der damals wohl besten Mannschaft Europas an: Im Sommer 2001 wechselte er für ein nach wie vor unerreichte Rekordsumme für Torhüter von rund 54 Millionen Euro zu Juventus Turin.
Dort profilierte er sich nach und nach zu einem der besten Torhüter aller Zeiten. Auch eine Anklage wegen illegaler Wetten und einem gefälschten Abi sowie Depressionen konnten seinem Aufstieg nichts anhaben.
Aus sportlicher Sicht hat das auch seine Gründe: Buffon galt und gilt gemeinhin als ein kompletter Torhüter. Dank seiner Vergangenheit als Mittelfeldspieler glänzt er durch eine ausgeprägte Ballkontrolle. Auf der Linie und beim Herauslaufen hatte er seine größten Stärken. Was ihn von seinem damals größten Konkurrenten Iker Casillas um den Torhüter-Thron aber abhob, war die starke Strafraumbeherrschung.
Seite 1: Aufstieg, Rekorde und Skandale
Seite 2: Loyalität, Träume und das Elfer-Paradoxon
Gianluigi Buffon im Steckbrief
Das Elfmeter-Paradoxon
Als einziges Manko wird dem Kapitän der italienischen Nationalmannschaft seine niedrige Quote bei Elfmetern angekreidet. Interessanterweise wird dabei nicht auf die Zahl der gehaltenen Elfmeter geachtet, sondern auf die Spiele, die trotz Elfer-Paraden von Buffon nicht gewonnen wurden.
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2002 schied Italien im Achtelfinale der Weltmeisterschaft gegen Südkorea aus, obwohl Gigi Nazionale einen wichtigen Elfmeter hielt, aber dann durch ein Golden Goal von Jung-hwan Ahn die Heimreise antreten musste. 2003 parierte er im Champions-League-Finale gegen Milan zwei Mal im Elfmeterschießen; Milan gewann dennoch die Trophäe. 2008 hielt er auch einen Elfmeter im Viertelfinale gegen Spanien, die Iberer wurden ein paar Tage später Europameister.
Das einzige wichtige Spiel in seiner Karriere, das er im Elfmeterschießen für sich entscheiden konnte, war das WM-Finale gegen Frankreich: Buffon hielt nicht einen der Schüsse vom Punkt, David Trezeguet hämmerte seinen Versuch an die Querlatte.
Der Retter in der Not
Aber Buffon gilt nicht nur auf dem Platz als der Fels in der Brandung, wenn die berühmte italienische Abwehrmaschinerie ins Stocken gerät. Seine Kabinen-Ansprachen sind legendär. Er weiß seine Mannschaftskameraden am Stolz zu packen, sie dazu zu bringen, mehr aus sich rauszuholen. Die Reden haben philosophischen Charakter, sind lange, tiefgründige Monologe, die nach Aussagen einiger seiner Mitspieler ob ihrer Intensität Gänsehaut verursachen.
Dies trug wohl auch dazu bei, dass Buffon 2006 mit Italien bis zuletzt durchhielt und sich den Weltmeister-Pokal sichern konnte. Es war eine wichtige Trophäe, nicht nur für ihn, sondern auch für ein ganzes Land, das nur wenige Monate zuvor einen Manipulationsskandal durchleben musste, der Fußball-Italien bis auf seine Grundfeste erschütterte.
Italien verlor den Glauben an ein nationales Heiligtum, den Sport, der das Leben so vieler Menschen entscheidend beeinflusste und vielen jungen Menschen ohne Perspektive Hoffnung auf eine bessere Zukunft bot. Gigi spielte auch dieses Mal eine Rolle, jedoch nicht durch die Beteiligung der Machenschaften seines Vereins.
Weltmeisterlicher Gang in die Zweitklassigkeit
Seine darauffolgenden Handlungen zeugten von Solidarität und Loyalität. Eigenschaften, die der Weltfußball heutzutage größtenteils vermissen lässt und die viele Fans - auch von konkurrierenden Lagern - nachhaltig beeindruckte. Als Weltmeister trat er zusammen mit Alessandro Del Piero den zwangsläufigen Gang in die Serie B mit der Alten Dame an und half dem Traditionsverein durch dessen größte Krise.
"Ich schuldete es den Juventini. Es wäre zu einfach gewesen, zu gehen und die Mannschaft im Stich zu lassen", begründete er seinen Verbleib.
Und wie so oft nahm er auch diesen steinigen Weg mit seiner positiven und erfrischenden Art auf sich: "Ich bin auch froh, wenn ich in der Serie B spielen kann. Ich nahm diese Herausforderung an. Mir ging es darum, Spaß zu haben, das ist das Wichtigste, auch wenn viele Leute alles dafür tun, diesen essenziellen Bestandteil des Fußballs in die Vergessenheit zu verbannen."
Als den schwierigsten Abschnitt seiner Karriere bezeichnet er die Zeit nach der Serie B, als Juventus jahrelang nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen konnte und erst die Ankunft Antonio Contes wieder Titel nach Turin brachte: "Als wir den Scudetto geholt haben, die Emotionen, die dann hochgekocht sind, die hätte ich bei keiner anderen Mannschaft mit dieser Intensität gespürt."
Träumen, um zu leben
Mit 37 Jahren steht Buffon nun vor der Krönung seiner langen, erfolgreichen, aber auch polarisierenden Karriere. Es wird wohl das letzte große Endspiel seiner Laufbahn sein - und die letzte Möglichkeit, seine Trophäensammlung zu erweitern.
Es ist sein großer Traum, in seinem "Wikipedia-Eintrag Champions-League-Sieger lesen zu können". An diesem Ziel hat er trotz seines fortgeschrittenen Fußballer-Alters immer festgehalten.
"Allzu oft lassen wir uns von der Negativität um uns herum bremsen, viel zu oft fügen wir uns einem Schicksal, dass andere uns zuteilen. Man hört auf zu träumen, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat oder eine gewisse Position bei der Arbeit einnimmt, die uns zwar Unabhängigkeit verspricht, aber unsere Wahrnehmung und Kreativität beeinträchtigt. Ohne Träume beschränkt sich alles auf das Überleben; man ist nicht mehr der Hauptdarsteller seines eigenen Lebens, sondern nur eine farblose Figur, die vergessen hat, wie man lebt."
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Gianluigi Buffon im Steckbrief
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