"Kollegen haben mich zum Essen eingeladen"

Niccolo Schmitter
15. September 201613:17
Giulio Donati steht seit Januar 2016 bei Mainz unter Vertraggetty
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Giulio Donati ist Teil einer seltenen Zunft: Italiener in der Bundesliga. Der Rechtsverteidiger vom 1. FSV Mainz 05 etablierte sich seit 2013 in Deutschland als solider Arbeiter auf seiner Position. Vor dem Europa-League-Auftakt gegen den AS St. Etienne (19 Uhr im LIVETICKER) spricht er über seine Wahlheimat, die schwierige Sprache und das Interesse von Napoli. Außerdem hat er Ciro Immobile etwas voraus.

SPOX: Herr Donati, Sie haben im Sommer-Trainingslager in Italien ein Video auf Ihrer Facebook-Seite geteilt, das Sie dabei zeigt, wie Sie Stefan Bell ein paar italienische Köstlichkeiten zeigen. War es schön, der Mannschaft mal Ihre Kultur etwas näher zu bringen?

Giulio Donati: Ja, es war wirklich ein angenehmes Trainingslager - auch, weil wir beste Bedingungen hatten. So konnten wir die Woche nutzen, um uns perfekt vorzubereiten. Und wir haben natürlich auch sehr gut gegessen, die italienische Küche war hervorragend. (lacht)

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SPOX: Man hört Sie bislang noch nicht viel Deutsch sprechen. Ciro Immobile bezeichnete die Sprache mal als eine "unmöglich zu lernende." Wie gut klappt es denn bei Ihnen mittlerweile?

Donati: Jetzt, wo ich im vierten Jahr hier bin, ist es mir endlich gelungen, ordentliches Deutsch zu lernen. Ich habe auch angefangen, Interviews zu geben und mit meinen Teamkollegen rede ich mittlerweile ausschließlich auf Deutsch. Der Weg dahin war aber natürlich recht schwer, weil Deutsch überhaupt nicht mit Italienisch zu vergleichen ist.

SPOX: Sind Sie dennoch ein bisschen traurig darüber, dass Sie die Europa-League-Reise erst einmal nicht wieder nach Italien führt? Nach zwei gescheiterten Anläufen ist Mainz 05 endlich in der Gruppenphase vertreten.

Donati: Ja, ich hätte mich gefreut, gegen ein italienisches Team zu spielen. Aber uns wurden trotzdem tolle Mannschaften mit großer Tradition zugelost. Anderlecht hat sich international ja auch schon einen Namen gemacht. Die Gruppe ist schwer genug.

SPOX: Ihre persönliche Profi-Karriere hat 2009 bei Inter begonnen. Gegen die etablierten Javier Zanetti und Maicon hatten Sie es auf Ihrer Position schwer. Nach drei Leihen innerhalb Italiens führte Ihr Weg schließlich zu Bayer Leverkusen. Wie kam es dazu und warum genau Deutschland?

Donati: Bei Inter war es kompliziert, weil sie damals den besten Kader ihrer Geschichte hatten. Ich habe Erfahrungen bei Lecce, Padova und Grosseto gesammelt. So wurde ich, auch dank meiner Teilnahme an der U21-Europameisterschaft, im Ausland bekannter und letztendlich hat Bayer Leverkusen dann einfach an mich glaubt.

SPOX: War das Ausland vorher schon ein großer Traum oder kam der Wechsel wirklich ganz spontan?

Donati: Nein, mir haben der deutsche und der englische Fußball schon immer gefallen. Es war immer ein Ziel von mir, ins Ausland zu gehen. Alleine schon wegen der persönlichen Erfahrung. Dann kam diese Möglichkeit auf und ich war überglücklich, zu einem so großen Team wie Bayer Leverkusen zu stoßen.

SPOX: Auch dort hatten Sie es mit einem ständigen Konkurrenzkampf zu tun. Wie würden Sie Ihre Zeit dort rückblickend bewerten?

Donati: Es waren sicherlich drei sehr positive Jahre. Der Konkurrenzkampf ist normal, wenn man in eine Mannschaft kommt, die für die Champions League qualifiziert ist und in der Bundesliga um die ersten drei, vier Plätze spielt. Ich bin froh, dass ich dort trotzdem meinen Platz gefunden habe und so auf 16 Einsätze in der Königsklasse kam. Dann hat sich die Möglichkeit in Mainz ergeben.

SPOX: Was hat Sie überzeugt?

Donati: Vor allem das Konzept und die Worte von Trainer Martin Schmidt. Er hat mir das Gefühl gegeben haben, hier eine wichtige Rolle zu spielen.

SPOX: Die Bundesliga scheint Ihnen zumindest zu gefallen. Gab es neben Mainz aber noch andere Optionen für Sie?

Donati: Es gab nie eine konkrete Anfrage. Letztendlich haben der Wille und die Entschlossenheit, mit der mich Mainz hier haben wollte, den Ausschlag gegeben und mir die Entscheidung leicht gemacht.

SPOX: Mit Martin Schmidt haben Sie einen Trainer, der den Fußball lebt. Wie ist Ihre Beziehung zu ihm und inwiefern unterscheidet sich seine Arbeitsweise von der von Roger Schmidt?

Donati: Ihre Ideen des Fußballs sind eigentlich ziemlich ähnlich, beiden gefällt ein hohes und intensives Pressing. Martin Schmidt mag es aber auch, mit dem Ball zu spielen. Ihm ist eine hohe Qualität und Passsicherheit im Konterspiel sehr wichtig. Ich habe mich vom ersten Tag an wunderbar mit ihm verstanden. Er hat mir sofort das Gefühl gegeben, wichtig zu sein. Das bedeutet mir viel und es motiviert mich umso mehr, das in mich gesetzte Vertrauen zurückzuzahlen. So mache ich mir nicht so einen großen Druck.

SPOX: Sie selbst haben sich auch schon einen Ruf in der Mannschaft erarbeitet. Niko Bungert hat Sie "positiv verrückt" genannt. Wie verrückt sind Sie denn wirklich?

Donati: Jeder im Team ist auf seine Art anders. Niko ist etwas gelassener, während ich wohl etwas aggressiver bin und auch mehr auf dem Platz rede. Vielleicht wirke ich auf den Einen oder Anderen deshalb verrückt. (lacht) Es ist aber nichts anderes als der Wille, gut zu spielen und mit Kampfgeist voranzugehen. Ich will jedem im Team etwas von meiner Gewinnermentalität abgeben. Wir sollten uns nicht ausruhen, sondern ständig daran arbeiten, uns zu verbessern.

SPOX: Waschechte Italiener scheint es abgesehen von Luca Toni nie lange in der Bundesliga zu halten. Neben Ihrem Teamkollegen Gianluca Curci gibt es nur noch Luca Caldirola, der seit einiger Zeit hier kickt. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Donati: Der deutsche Fußball unterscheidet sich einfach gewaltig vom italienischen. Caldirola und ich hatten jedoch das Glück, drei Jahre in der italienischen U21 unter Arrigo Sacchi zu spielen. Er ist wirklich ein Fußball-Professor und ich denke, dass er einer der größten Kenner dieses Sports ist. Er wollte immer, dass alle Spieler, die durch die U21 gingen, "totale Fußballer" werden. In dem Sinne, dass sie Fußball auf internationalem Niveau spielen können - nicht nur beschränkt auf die Charakteristiken, die man italienischen Spielern klassischerweise zuschreibt. Damit meine ich ein hohes taktisches Verständnis oder das Beherrschen des Catenaccio. Diese Erfahrung hat uns sehr geholfen und dazu geführt, dass wir viel besser vorbereitet waren, als wir nach Deutschland kamen.

SPOX: Ein prominentes Beispiel für die nicht geglückte deutsch-italienische Beziehung ist Ciro Immobile. Haben Sie mal mit ihm darüber gesprochen, warum es mit ihm und dem BVB nicht geklappt hat?

Donati: Wir hatten Kontakt, haben darüber aber nicht so viel gesprochen. Er hat natürlich auch in einer Mannschaft mit viel Konkurrenz gespielt. Dazu hatte er auch noch das Pech, ausgerechnet in der Saison dazu zu stoßen, in der es für das gesamte Team schlecht lief.

SPOX: Immobile kritisierte im Nachhinein die fehlende Integration im Team. Er monierte beispielsweise, dass er von seinen Teamkollegen nie zum Essen eingeladen wurde. Erlebten Sie auch eine Art Kulturschock, als Sie nach Deutschland kamen?

Donati: Nein, auf gar keinen Fall. Meine Kollegen haben mich schon oft zum Essen eingeladen. (lacht) Ich wusste nicht mal, dass das Ciro passiert ist. Ich habe mich sowohl in Leverkusen als auch in Mainz immer super mit meinen Kollegen verstanden. Wir haben hier eine tolle Truppe und machen auch privat oft alle zusammen etwas.

SPOX: In diesem Sommer hätte es Sie wieder zurück nach Italien ziehen können: Vor rund einem Monat wurde der SSC Neapel mit Ihnen in Verbindung gebracht und auch Sie haben sich öffentlich vom Interesse geehrt gezeigt.

Donati: Es freut einen natürlich immer, wenn man vom Interesse einer so einflussreichen Mannschaft wie Napoli hört. Noch mehr gefreut haben mich letztlich aber die Worte unseres Trainers und unseres Sportdirektors Rouven Schröder, die mich als "unverkäuflich" bezeichnet haben. Sie haben mir erneut ihr Vertrauen ausgesprochen. Ich stehe in ihrer Schuld. Jetzt werde ich alles geben, um zu zeigen, dass sie sich richtig entschieden haben.

SPOX: Was sind Ihre Ziele mit Mainz in dieser Saison?

Donati: Wir wollen so viele Spiele wie möglich gewinnen, unabhängig von einer konkreten Zielvorgabe, die auf einen bestimmten Tabellenplatz oder eine Anzahl an Punkten abzielt. Am Ende sehen wir, wo wir stehen.

SPOX: Wie schaut es mit den Pokalwettbewerben aus?

Donati: In der Europa League wollen wir auf jeden Fall in die K.o.-Runde einziehen. Im Pokal wollen wir so weit kommen wie möglich. Uns ist natürlich bewusst, dass wir nicht auf dem gleichen Level wie der FC Bayern oder Borussia Dortmund sind, aber wir wollen sie in Schwierigkeiten bringen. Im ersten Saisonspiel gegen den BVB haben wir schon mit dem Messer zwischen den Zähnen gespielt. Das ist der Weg, den wir einschlagen sollten.

SPOX: Die erneute Teilnahme an der Europa League ist also nicht das ausgegebene Ziel?

Donati: Wir wollen natürlich immer besser werden - auch in der Tabelle. Das würde auch heißen, dass wir wieder in die Europa League kommen. Wenn wir das spielen, was wir können, wird das auch der Fall sein. Aber wir wissen auch, dass der Klassenerhalt die wichtigste Grundlage ist für weitere Träume.

SPOX: Und wie sieht es mit der Squadra Azzurra aus? Mit Giampiero Ventura ist ein neuer Trainer verantwortlich. Machen Sie sich noch Hoffnungen, für das A-Nationalteam zu spielen?

Donati: Ich hatte noch keinen Kontakt zum Mister. Die Nationalmannschaft bleibt natürlich ein Traum, genauso wie für alle anderen, die das blaue Trikot tragen könnten. Es hängt auch von meinen Leistungen hier in Mainz ab. Daher ist es wichtig, dass ich konzentriert bleibe und sowohl in der Bundesliga als auch in der Europa League eine gute Saison spiele. Wenn dem Mister meine Leistung dann gefällt, wird er mich anrufen.

Giulio Donati im Steckbrief