Der Hamburger SV verdankt seinen wichtigen Sieg genau jenen Tugenden, die ihm zuletzt immer abgesprochen wurden. Verantwortung übernahmen die Führungsspieler - die auf Schalke noch schmerzlich vermisst werden. Trainer Felix Magath aber ärgerte sich vor allem über den Schiedsrichter.
Armin Veh hat sein Bundesliga-Debüt als Trainer des Hamburger SV gewonnen. Der HSV gewann am Samstag im Topspiel des 1. Spieltag gegen Schalke 04 mit 2:1 (0:0). Dabei überzeugten vor allem die Führungsspieler - allen voran Doppeltorschütze Ruud van Nistelrooy.
Blog User-Analyse zum HSV: Hey hey hey hier kommt Hamburg
Vor 57.000 Zuschauern in der ausverkauften Arena in Hamburg brachte der Niederländer (46.) die Gastgeber nur 18 Sekunden nach der Halbzeitpause in Führung. Jefferson Farfan (80.) erzielte in Unterzahl den Ausgleich für Schalke, nachdem Benedikt Höwedes in der 63. Minute nach wiederholtem Foulspiel die Gelb-Rote Karte gesehen hatte. Den verdienten Siegtreffer markierte erneut van Nistelrooy nach starker Vorarbeit von Ze Roberto (83.).
Nachbetrachtung:
Für die Stimmung in Hamburg ein extrem wichtiger Sieg zum Auftakt vor eigenem Publikum. Vor allem in der Art und Weise: Die Mannschaft gewann die Partie genau dank jener Sekundärtugenden, die man ihr in der letzten Saison noch völlig zu Recht absprach - Wettkampfhärte, Reife und Siegermentalität.
Vor allem die designierten Führungsspieler wurden gegen Schalke ihrer Rolle und Verantwortung gerecht: Kapitän Westermann spielte im Vergleich zur Vorbereitung aggressiv, präsent und dominant, Jarolim war auch ohne Binde einer der besten Spieler auf dem Platz, Ze Roberto und van Nistelrooy nahmen unmittelbar nach dem bitteren Ausgleich das Schicksal in die eigenen Hände und sorgten in einer gelungenen Gemeinschaftsarbeit für den Siegtreffer.
Dass der Jubel in der Kurve beiden dann auch eine Gelbe Karte wert war, zeigt, dass sie auch im Umgang mit den Fans über viel Gespür und Erfahrung verfügen.
Schalke indessen lieferte dazu fast den Gegenentwurf. Die Mannschaft wirkte gewohnt geschlossen und kompakt, aber es mangelte ihr im Gegensatz zum HSV an Charisma und Stabilität - und damit auch an Führungsfiguren. Metzelder fehlt es noch erheblich an Ausstrahlung, Raul an Bindung, Jones an Spielpraxis.
Ob Rakitic in die Rolle hineinwachsen kann, muss sich erst zeigen. Schalke hat im Sommer auch gruppendynamisch wichtige Spieler abgegeben. Wenn Magath nun auf fehlende Qualität im Kader hinweist, hat er zumindest nach den Erkenntnissen gegen Hamburg Recht. Um an die Vorsaison anschließen zu können, muss er nachrüsten. Bis zum 31. August hat er noch Zeit.
Reaktionen:
Ruud van Nistelrooy (Hamburger SV): "So kann es weitergehen! Ein super Tag - nicht nur vom Resultat, sondern auch so, wie wir gespielt haben. Für mich war es kein Duell gegen Raul, er ist ein Kumpel und Freund. Ich habe heute die Tore gemacht, beim nächsten Mal schießt er sie halt"
Armin Veh (Trainer Hamburger SV): "Es ist natürlich immer von Vorteil, wenn man mit einem Sieg in die Saison startet. Am Anfang haben wir unsere Sache nicht gut gemacht. Wir haben viel zu tief gestanden, anstatt Schalke unter Druck zu setzen. Zum Gegentor muss ich sagen: ein Tor nach einem Freistoß kann immer mal passieren."
Christoph Metzelder (Schalke 04) zu den Gegentoren: "Das ist mit meine Verantwortung. Ich bin einer der erfahrensten Spieler, habe die meisten Jahre auf dem Buckel. Natürlich stehe ich in der Verantwortung, den Laden zusammenzuhalten. Das sind Fehler in der Funktion einer Viererkette, die müssen wir abstellen."
Felix Magath (Trainer Schalke 04) über den Platzverweis: "Ich habe es schon mal gesagt, dass meiner Meinung nach zu schnell die Spieler vom Platz gestellt werden. Wenn man die Foulspiele sieht, die zu einer Gelben Karte geführt haben, dann muss man aufpassen, dass wir nicht jede Woche in der Bundesliga die Spiele mit 9 zu 8 beenden. Einen Spieler vom Platz zu stellen und ihn dann nicht mehr am Spiel teilnehmen zu lassen - das halte ich für übertrieben."
Hamburg - Schalke: Spielfilm, Star des Spiels und Analyse
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Spiel: Der HSV muss kurzfristig auf Guerrero verzichten, dafür spielt Petric auf der Zehn. Links hinten beginnt wie erwartet Jansen, Aogo hat noch Trainingsrückstand. Damit darf Elia auf seiner bevorzugten Position im linken Mittelfeld ran.
Magath mal wieder mit einer Überraschung, Schalke startet im 4-3-3. Matip beginnt rechts in der Viererkette und soll Elia stoppen. Vor der Abwehr kommt Papadopoulos zu seinem Bundesliga-Debüt, dafür Rakitic und Jones auf den Halbpositionen im Mittelfeld.
3.: Pitroipa spielt den Ball rechts raus auf Demel, der flankt an den Fünfer. Jones stolpert und schießt den Ball beinahe ins eigene Tor. Knapp rechts neben den Pfosten.
24.: Bester Angriff, beste Chance! Farfan narrt Jansen und spielt einen präzisen Ball quer auf Edu. Der hat 25 Meter vor dem Tor freie Bahn, aber Rost mit starker Fußparade!
44.: Freistoß Hamburg aus 24 Metern halblinks. Van Nistelrooy haut voll drauf - und trifft zentral die Latte! Neuer hatte nicht mal die Hände oben. Elia kommt aus sieben Metern zum Nachschuss, schießt aber Neuer an. Zwei dicke, dicke Chancen!
46., 1:0, van Nistelrooy: Elia vernascht Matip und flankt punktgenau von links an den Fünfer. Van Nistelrooy schneller als Metzelder und Hao, macht den Ball mit rechts volley aus fünf Metern rein.
Gelb-Rot für Höwedes: Pitroipa stürmt von rechts in die Mitte und legt sich den Ball eigentlich zu weit vor. Höwedes sieht das aber nicht, weil er schon grätscht und Pitroipa damit umlegt. Klare Gelb-Rote.
80, 1:1, Farfan: Natürlich ein Standard. Rakitic tritt einen Freistoß von links an den kurzen Pfosten. Farfan springt artistisch in den Ball, trifft ihn volley mit der Fußspitze und verlängert den Ball so in den langen Winkel. Wollte er bestimmt nicht genau so, aber drin ist drin!
87., 2:1, van Nistelrooy: Ze Roberto wetzt links den Flügel runter und legt dann vor dem Tor quer. Metzelder schaltet ab, van Nistelrooy steht genau richtig und drückt aus drei Metern ein. Überragende Vorarbeit von Ze Roberto!
Fazit: Auch wenn der HSV in Überzahl nicht konsequent genug spielte, geht der Sieg in Ordnung. Den Ausschlag gab am Ende die Erfahrung - und Ruud van Nistelrooy.
Der Star des Spiels: Ruud van Nistelrooy. Der Matchwinner, nicht nur wegen seiner beiden Toren. Spielte auch sonst eine starke Partie. Vor allem aber übernahm er die Verantwortung, als es darauf ankam und wurde damit seiner Führungsrolle gerecht. Nach dem Ausgleich pushte er die Mannschaft erst verbal - und dann mit seinem Tor. Für beides wurde er geholt.
Die Gurke des Spiels: Raul. Hat das annoncierte Superstar-Duell gegen seinen früheren Madrider Kumpel van Nistelrooy klar verloren. Der Spanier hatte allerdings in ungewohnter Rolle auf Linksaußen auch einen schweren Stand. Wurde nach nur 18 Ballkontakten in 63 Minuten für Moritz ausgewechselt.
Die Pfeife des Spiels: Wolfgang Stark. Hatte wenig Mühe mit der fairen Partie, lag bei der Bewertung der Zweikämpfe in der Regel richtig und überzeugte durch seine gewohnt dezente und unaufgeregte Art. Auch die beiden Gelben Karten, die zum Platzverweis für Höwedes führten, sind in der Bundesliga Standard.
Analyse: Sehr flotter Beginn der Hamburger, die mit Leidenschaft und Spielfreude die Partie in der Anfangsphase selbstbewusst dominierten. Erst nach gut 15 Minuten kamen die gewohnt disziplinierten Schalker in die Zweikämpfe - und Magaths taktische Überlegungen begannen zu greifen.
Drei zentrale Mittelfeldspieler machten die Mitte dicht, Matip nahm quasi als Manndecker Elia aus dem Spiel. Nach vorne machte Schalke durch die Umstellung auf 4-3-3 bewusst Druck auf die vermeintliche Hamburger Schwachstelle auf den defensiven Außenpositionen. Vor allem Farfan hatte so gegen den hoch spielenden Jansen immer wieder Platz und inszenierte fast alle gefährlichen Szenen der Gäste. Erst kurz vor dem Seitenwechsel übernahm der HSV wieder die Kontrolle und hatte durch den Lattenfreistoß von van Nistelrooy die größte Gelegenheit der ersten 45 Minuten.
Nur 18 Sekunden nach der Pause dann die verdiente Führung, als Elia sich im Zweikampf gegen Matip durchsetzte und van Nistelrooy eine Flanke aus dem Halbfeld auf dem Silbertablett servierte. Nach dem Platzverweis für Höwedes allerdings verlor der HSV zusehends die konsequente Linie, spielte die Konter nicht entschlossen zu Ende, ließ in Überzahl zu viele Standardsituationen zu - und fing sich nach einem Freistoß denn auch den Ausgleich.
Dass es schließlich trotzdem noch zum Sieg reichte, verdankt Hamburg seiner Erfahrung. Ze Roberto und van Nistelrooy wurden ihrer Leader-Rolle gerecht, übernahmen Verantwortung und erzielten in einer sehenswerten Co-Produktion den Siegtreffer.
Hamburg - Schalke: Daten zum Spiel
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