Was lange währt, wird endlich gut?

Daniel BörleinAndreas Lehner
25. Mai 201018:43
Armin Veh (l.) und Bastian Reinhardt sollen den HSV wieder zurück in die Erfolgsspur bringenGetty
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Nach langer Suche hat der Hamburger SV mit Armin Veh einen neuen Trainer und mit Bastian Reinhardt einen neuen Sportchef gefunden. Eine Konstellation, die Chancen aber auch Risiken birgt. Die fünf wichtigsten Fragen...

Lange hat sich der Hamburger SV Zeit gelassen, einen neuen Cheftrainer zu präsentieren, noch länger dauerte die Suche nach einem neuen Sportchef. Am Dienstag zauberten die Norddeutschen nun mit Armin Veh und Bastian Reinhardt zwei überraschende Namen aus der Kiste.

"Es ist sicher nicht die ganz große Lösung, aber wir haben ein gutes Team beieinander", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Horst Becker. "Ich habe ein gutes Gefühl, dass es länger trägt", erklärte Vorstands-Boss Bernd Hoffmann.

Nach einer verkorksten Saison sollen Trainer Veh, Sportdirektor Reinhardt und der Sportliche Leiter Urs Siegenthaler den HSV zurück in Erfolgsspur und möglichst wieder ins internationale Geschäft führen. Vorher gilt es allerdings noch einige Fragen zu beantworten.

1) Was verspricht sich der HSV von Armin Veh?

Es kam schon überraschend, dass sich der HSV für Veh als neuen Trainer entschied. Gehandelt wurde zuletzt vor allem Lucien Favre, auch über Bernd Schuster oder Interimstrainer Ricardo Moniz wurde spekuliert. Mit Veh kommt nun ein Trainer, der nach seinen Entlassungen in Stuttgart und Wolfsburg eigentlich als verbrannt galt. Beim VfL stolperte er auch über die Machtkonzentration seines Vorgängers Felix Magath.

Als Geschäftsführer, Sportdirektor und Trainer war er nicht der richtige Mann. Veh ist einer für die Arbeit auf dem Trainingsplatz. Aber auch in Stuttgart ging es nach der Meisterschaft schnell bergab. Bei den Schwaben wie auch beim VfL war sein Krisenmanagement nicht ausreichend. Für den HSV zählt jedoch Vehs Leistung vorher und die Tatsache, dass er mit seiner Art in der Medienstadt Hamburg keine Probleme haben dürfte und weiß, wie man eine Mannschaft zum Titel führt.

Bei seiner Antritts-PK verglich Veh die Konstellation mit der in Stuttgart 2007. Veh steht für offensiven Fußball und Kurzpassspiel. In Hamburg lechzen sie nach attraktivem Fußball, Veh soll ihnen diesen Wunsch erfüllen. Aber: Veh steht auch für einen lockeren Führungsstil, der auf viel Eigenverantwortung der Spieler setzt. Zuletzt lief es beim HSV mit den eher autoritäten Trainern Huub Stevens und Martin Jol eigentlich besser.

2) Warum wird Bastian Reinhardt Sportchef?

Elf Monate hat der HSV nach einem Sportdirektor gesucht. Roman Grill, Oliver Kreuzer, Nico Hoogma, Sergej Barbarez, Stefan Beinlich und Erik Meijer waren zwischenzeitlich Kandidaten. Fündig wurde man schließlich im eigenen Praktikantenpool. Bastian Reinhardt wollte seine Karriere eigentlich in den nächsten zwei Jahren in der zweiten Mannschaft ausklingen lassen und erst anschließend eine administrative Aufgabe übernehmen.

Reinhardt hatte während seiner langen Verletzungspause als Praktikant in mehreren Abteilungen des Vereins gearbeitet und so Einblicke in die Abläufe bekommen. Überraschend rückt er jetzt in den Vorstand auf und ist in dieser Position Vorgesetzter von Urs Siegenthaler.

Für Vorstandsboss Bernd Hoffmann, der in den vergangenen Wochen viel Kritik von Fans und Medien einstecken musste, könnte Reinhardt zu einer Art Schutzschild werden, kommt Reinhardt bei Fans und Umfeld doch äußerst gut an. Und: Durch Reinhardts Inthronisierung sammelt Hoffmann nicht nur Pluspunkte bei den Anhängern, sondern bleibt - ob Reinhardts Unerfahrenheit - auch der mächtige Mann im Klub.

3) Wo liegen die Chancen?

Das Wichtigste: Nach den unruhigen letzten Monaten sind die größten Baustellen nun geschlossen, womit beim HSV auch endlich mal Ruhe einkehren kann. Die verkorkste abgelaufene Saison haben weder Veh, Siegenthaler noch Reinhardt zu verantworten.

Dementsprechend unbelastet geht die neue sportliche Führung in die kommende Spielzeit. Durch das Trio ist die Verantwortung im sportlichen Bereich nun wieder auf mehrere Schulter verteilt und liegt nicht mehr alleine beim Trainer bzw. bei Hoffmann, dem in der Vergangenheit immer wieder mangelnde Fußball-Kompetenz vorgeworfen wurde.

Mit Veh, Reinhardt vor allem aber mit Siegenthaler, hat sich der HSV nun reichlich Sachverstand dazu geholt. Und: Das Trio scheint sich gut zu ergänzen. Während Veh als gestandener Trainer und Bundesliga-Kenner gilt und Siegenthaler über ein gutes Auge für Spieler und exzellente internationale Kontakte verfügt, spricht Reinhardt die Sprache der Spieler und ist nah dran an den Fans.

4) Wo liegen die Risiken?

In Stuttgart und Wolfsburg scheiterte Veh am Ende an einer Mannschaft, die keine Ergebnisse mehr erzielte. Nicht zuletzt deshalb gibt es bei zahlreichen HSV-Fans doch einige Vorbehalte gegenüber dem neuen Coach. Keine optimalen Startvoraussetzungen.

Ebenfalls nicht ideal: Weder Reinhardt noch Siegenthaler verfügen über Bundesliga-Erfahrung in ihrem neuen Aufgabenbereich. Zudem ist Siegenthaler im schlechtesten Fall bis Mitte Juli mit der Nationalmannschaft in Südafrika unterwegs. Dabei sollte die genaue Aufgabenverteilung zwischen Reinhardt und Siegenthaler schnellstmöglich definiert werden. Zuletzt hatte es bereits Diskussionen über die Kompetenzen des Schweizers gegeben.

Fest steht: Reinhardt bekommt den Platz im Vorstand, den Siegenthaler eigentlich haben wollte. Eine knifflige Konstellation, die durchaus Konfliktpotenzial birgt. Ebenfalls heikel: Reinhardt war als Spieler zwar beliebt und geschätzt bei den Kollegen, sportlich allerdings nur zweite oder dritte Wahl. Nun soll er Stars wie Ruud van Nistelrooy oder gestandenen Profis wie Frank Rost (der selbst auf den Posten schielte) sagen, wo es lang geht.

5) Was kommt auf die neuen Männer zu?

Mit der Vertragsverlängerung von Paolo Guerrero haben die Verantwortlichen eine Baustelle bereits geschlossen. Im Sturmzentrum ist der HSV mit dem Peruaner sowie van Nistelrooy und Mladen Petric stark besetzt. Fürs offensive Mittelfeld haben die Hamburger Eindhovens Ibrahim Afellay auf dem Zettel.

Fraglich ist, was mit Piotr Trochowski geschieht. Der Nationalspieler wurde in den letzten Wochen als möglicher Abgang gehandelt und könnte nach dem Verpassen des europäischen Geschäfts ein paar Euro in die Kassen spülen. Fest steht, dass Jerome Boateng den Klub verlässt.

Einen Ersatz für den Defensivallrounder zu finden, wird nun wohl die vordringlichste Aufgabe für Veh, Reinhardt und Siegenthaler werden. Klären muss das Trio auch schnell, was aus Ze Roberto wird. Der Brasilianer hatte zuletzt mit einem Abschied geliebäugelt. Und: Spielt Eljero Elia eine gute WM, werden die Interessenten für den Niederländer wohl bei Reinhardt auf der Matte stehen. Besonders gespannt darf man sein, wie Veh und Reinhardt die charakterlich nicht immer einfache Mannschaft in den Griff bekommen.

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