Nach Stationen beim Hamburger SV und dem SV Darmstadt 98 wechselte Hanno Behrens im Sommer 2015 zum 1. FC Nürnberg. Zwei Jahre später wurde er Kapitän beim Club und stieg mit dem FCN in die Bundesliga auf.
Im Interview mit SPOX und Goal spricht Behrens über sein großes Hobby Surfen, eine verrückte Anekdote aus Costa Rica, die Blase Profifußball, Franck Riberys Steak und platte Interviewantworten.
Herr Behrens, unter Ihrem Instagram-Profil steht kurz und bündig: Football, Surf, Travel. Wie schade finden Sie es, dass Ersteres die beiden letztgenannten Dinge häufig verhindert?
Hanno Behrens: Dass ich mir einen zeitlich so unflexiblen Job herausgesucht habe, ist in dieser Hinsicht schon etwas bedauerlich. (lacht) Dafür weiß ich immer, wann ich Urlaub habe, auch wenn der in diesem Winter leider verdammt kurz war. Meine Kumpels müssen sich da eben nach mir richten. Was jetzt schon feststeht: Surfen und Reisen werden nach der Karriere einen großen Teil meines Lebens einnehmen.
Haben Sie wie die halbe Bundesliga auch Ihren Winterurlaub in Dubai verbracht oder gibt's da gar keine Wellen?
Behrens: Nein, da geht wellenmäßig nichts und das ist ein absolutes Kriterium für mich, gerade bei einem längeren Urlaub. Ich war zusammen mit meiner Freundin sechs Tage auf Barbados. Aufgrund meiner Bauchmuskelzerrung stand es lange in den Sternen, ob ich nicht doch lieber die gesamte Zeit in der Reha verbringen soll. Wir haben uns dann aber in Absprache mit den Ärzten und dem Trainer darauf geeinigt, dass ich ein paar Tage rauskommen darf, anstatt die Zeit sozusagen alleine in Nürnberg zu verbringen. Das war auch vom Kopf her wichtig und tat mir sehr gut.
Die Leidenschaft fürs Wasser ist Ihnen in die Wiege gelegt worden: Sie sind in Hamburg am Meer aufgewachsen und Ihre Großväter waren Seemänner. War es immer Ihr Wunsch, einmal Profifußballer zu werden?
Behrens: Ja, von klein auf. Auch wenn ich mit den Jahren gemerkt habe, auf wie viele Dinge man dafür verzichten muss, die für andere ganz normal sind. Ich wäre sicherlich auch sehr glücklich geworden, wenn ich es nicht geschafft hätte. Ich sehe das bei meinen Kumpels: Da sind viele Studenten dabei und die sind dann einfach mal ein Jahr raus, um zum Beispiel 'Work and Travel' zu machen. Das hätte ich schon auch sehr gerne erlebt.
Sie haben Ihre Jugendjahre als Fußballer beim HSV verbracht, sollen dann aber mit einem Studium in den USA geliebäugelt haben.
Behrens: Genau. Es gab mal den Punkt bei mir, als es für mich in der zweiten Mannschaft des HSV Richtung Profis nicht weiterging. Da habe ich mich intensiv damit beschäftigt, mit einem Stipendium in die USA zu gehen und dort zu studieren. Ich habe lange überlegt, ob ich das wagen oder doch noch einmal einen neuen Versuch in Deutschland im Fußball unternehmen soll. Und dann kam das Angebot aus Darmstadt in der 3. Liga, für das ich mich aus heutiger Sicht Gott sei Dank entschieden habe.
Wie wichtig ist Ihnen generell die Zeit ohne Fußball, müssen Sie immer mal wieder aus diesem Rad heraus?
Behrens: Sie ist mir schon wichtig, gerade wenn man mit der Mannschaft wie wir zuletzt keine guten Ergebnisse eingefahren hat. Schließlich ist es in diesem Beruf etwas Besonderes, mal für längere Zeit seine Gedanken beruhigen zu können. Das gelingt mir meist ganz gut, im Sommer vor allem dank meines großen Hobbies Surfen. Und wenn man zurückkommt, hat man die ersten Tage zwar etwas Fernweh, aber dann steckt man wieder voller neuer Vorfreude und Energie.
Wenn Sie reisen, entscheiden Sie sich dann lieber für die Annehmlichkeiten eines Hotels oder sind Sie eher der Typ Selbstversorger?
Behrens: Ein reiner Hotelurlaub mit all inclusive ist mir zu langweilig, da habe ich andere Interessen. Ich war zum Surfen häufiger auf Bali. Dort kann man überall sehr gut essen gehen und zum Frühstücken hocke ich mich halt in ein Cafe. Auf Bali waren wir beispielsweise zu zehnt, meine Mitspieler Sebastian Kerk und Tim Leibold waren auch dabei. Wir hatten uns fünf kleine Häuser gemietet, es gab eine große Küche mit Aufenthaltsraum und einen Pool in der Mitte. Das finde ich deutlich cooler als ein Hotel, weil man auch für sich ist. Vor drei Jahren sind wir dort einfach so herumgereist und haben von Tag zu Tag nach Unterkünften gesucht. Da waren dann auch teilweise Hostels mit einem alten Bett in einem winzigen Raum dabei. Mittlerweile bestehe ich aber auf einem ordentlichen Schlafzimmer. (lacht)
Wie wichtig sind Ihnen vor Ort die Kontakte zu Einheimischen?
Behrens: Ich dränge mich nicht auf, um mit den Leuten in Kontakt zu kommen. Ich gehe aber offen durch das Leben, so dass das gerade an diesen Orten zwangsläufig passiert und man mal zusammen einen Drink nimmt und sich unterhält. Ich finde das immer extrem interessant und nehme viel aus solchen Gesprächen mit. Die Einheimischen leben meist ein vollkommen anderes Leben als wir, das ist schon sehr interessant. Und sie haben natürlich auch selbst viele Fragen, wie unser Leben in Deutschland aussieht und abläuft.
Würde es Sie auch mal reizen, einen mehrwöchigen Urlaub auf eigene Faust zu machen?
Behrens: Ja, auch wenn das meine Freundin nicht gerne lesen wird. (lacht) Ich war mal während einer Länderspielpause zwei Tage allein in Rom. Das war auch eine sehr interessante Erfahrung, weil man seine Umgebung bewusster wahrnimmt. Mit den Kumpels flachst man ja häufiger, in Rom musste ich mich alleine informieren und entscheiden, was ich genau mache. Es ist einfach eine ganz andere Art zu reisen. Man lernt sich in einem ungewohnten Umfeld selbst anders kennen, wenn man auf sich gestellt ist.
Sie haben sich einmal auf einer Ihrer Reisen mit dem Surfbrett den Oberschenkel aufgeschlitzt. Welche andere, positivere Anekdote fällt Ihnen spontan ein?
Behrens: In Costa Rica habe ich mal einen Tag erlebt, der außerhalb des Fußballs der wohl spannendste meiner letzten fünf Jahre war. Tim Leibold und zwei Kumpels von mir waren auch dabei. Wir haben uns morgens Quads gemietet. Wir sind dann fünf Stunden fast nur am Meer entlang Richtung Norden gefahren. Dort gab es dann ständig kleinere Flüsse, die ins Meer flossen. Wir haben versucht, durch sie hindurch zu fahren, aber ich bin beim ersten schon nach drei Metern steckengeblieben. Wir haben alle vier Mann benötigt, um das Quad wieder herauszuziehen.
Ist das schon das Ende der Anekdote?
Behrens: Nein, mir ist dann noch der Reifen geplatzt - und zwar rund 50 Kilometer von unserem Startort entfernt. Wir haben dann unseren Typen vom Verleih angerufen und der meinte erstmal, dass wir uns nicht mehr als zehn Kilometer hätten entfernen dürfen. (lacht) Zudem war noch Silvester und er sagte, er habe heute keine Zeit mehr für uns.
Oha, jetzt wird's interessant.
Behrens: Wir haben dann die nächste Bar angesteuert und wie der Zufall es will, war dort nebenan eine Autowerkstatt. Dort konnten wir die Jungs mobilisieren, dass sie das Quad abholen und den Reifen reparieren. Das haben sie auch gemacht, aber es war schon zu dunkel, um wieder zurückzufahren. Daher haben wir uns zu den Einheimischen gehockt, die Leute aus der Werkstatt eingeladen und zusammen etwas getrunken. Das war auch für sie ziemlich cool, weil das absolut kein Touristenort war und dort nur selten Europäer vorbeikommen. Die Bar hatte im hinteren Teil des Hauses auch noch ein paar Zimmer zur Miete. Die waren zwar relativ einfach und wir von den Strapazen des Tages total verdreckt, aber wir haben dann dort gepennt und sind nächsten Tag zurück.
Herrlich! Um das Thema Reisen abzuschließen: Sie würden angeblich gerne einmal nach Australien. Woran hat's bislang gehapert?
Behrens: Das ist ja viel zu groß, um dort nur drei Wochen zu verbringen. Da würde man wohl nur im Van hocken, um von einem Ort zum anderen zu düsen. Das habe ich eher im Hinterkopf für die Zeit nach der Karriere, wenn ich mal über mehrere Monate dortbleiben kann. Man soll dort auch super surfen können.
Wie die Anekdote aus Costa Rica beweist: Obwohl Sie Kapitän eines Bundesligavereins sind, können Sie sich in Ihrer Freizeit einigermaßen anonym bewegen. Das trifft nicht unbedingt auf jeden Ihrer Berufskollegen zu. Wie froh sind Sie, dass Sie beispielsweise nicht Mario Götze sind?
Behrens: Sehr froh, da bin ich ehrlich. Es ist zwar schwer einzuschätzen, wie das für Mario Götze ist. Wenn man aber mitbekommt, wie viel die Presse über ihn und sein Privatleben berichtet, würde ich das als sehr unangenehm und schwierig empfinden. Ich würde es hassen, wenn ich mich gerade im Urlaub nicht frei bewegen könnte.
Vorhin haben wir über die Zeit außerhalb des Fußball-Rads gesprochen: Wie nehmen Sie denn diese vielzitierte Blase wahr, in der sich die Profibranche offenbar bewegt - gibt es die wirklich?
Behrens: Die Blase ist komplex und schwer zu greifen, aber in meinen Augen existiert sie schon. Das liegt vor allem daran, dass man als Fußballer ausschließlich über seine Leistung bewertet und definiert wird. Wenn die Leistung nicht stimmt, werden einem negativen Kommentare an den Kopf geworfen, gerade heutzutage in Zeiten der sozialen Medien. Daher muss man häufig aufpassen und sich zurückhalten, wenn es persönlich wird. Denn alles, was man aus der Emotionalität heraus äußern würde, kann wieder auf den Verein oder einen selbst negativ zurückfallen. Und Schwäche zuzugeben, ist im Leistungssport nicht erlaubt. Das darf man nicht, weil es von der Mehrheit negativ aufgenommen wird. All das ist in meinem Freundeskreis natürlich komplett anders.
Finden Sie, dass man Fußballer öffentlich zu schnell in Schubladen steckt?
Behrens: Ja. Zu mir sagen viele, ich sei für sie nicht der typische Fußballer. Es gibt aber sehr viele Kollegen, die auch nicht die typischen Fußballer sind, obwohl man es vielleicht nicht von ihnen denkt. Natürlich gibt es diese klassischen Klischee-Gesprächsthemen über schnelle Autos und teure Klamotten und nicht jeder schaut wirklich über den Tellerrand hinaus. Das stimmt schon. Wie der Mensch im Fußballer aber wirklich tickt und über bestimmte Themen denkt, das kann in der Öffentlichkeit keiner wissen. Deshalb sind viele de facto auch nicht in der Lage, darüber zu urteilen - aber sie tun es.
Da sind wir bei einem kürzlichen Aufreger: Franck Ribery verzehrt ein mit Blattgold belegtes Stück Fleisch, teilt das mit der Öffentlichkeit, die sich dann empört, worüber er sich anschließend empört. Können Sie seine Empörung nachvollziehen?
Behrens: Ich sehe da beide Seiten. Am Ende ist es eindeutig seine Sache. Er verdient sein Geld mit ehrlicher Arbeit und kann damit machen, was er will. Die Kommentare der Menschen auf seinen Post sind unsäglich gewesen. Wenn er das aber als Person des öffentlichen Lebens postet, muss er mit Reaktionen rechnen.
Für das Fleisch soll Ribery angeblich auch nichts bezahlt haben, weil er einer Einladung gefolgt ist. Wie würden Sie reagieren, wenn man Ihnen das anbieten würde?
Behrens: Ich brauche kein Blattgold aufs Steak, wenn das für den Geschmack offenbar eh nichts bringt. (lacht)
Sie sind als Club-Kapitän für die Medien besonders interessant und müssen daher nicht nur nach den Spielen zur Verfügung stehen. Wie häufig sagen Sie denn dabei Ihre ehrliche Meinung?
Behrens: Ich versuche, sehr authentisch und ehrlich zu sein - erst recht bei einem Interview wie diesem, in dem es weniger um das Sportliche geht. Dennoch muss man aufpassen, was man sagt. Nach einem Spiel überlege ich mir das schon genauer. Ich will einerseits meine ehrliche Meinung äußern, darf mich aber auch nicht angreifbar machen - und genau deshalb kommt dann eben nur wenig Spannendes heraus. Man kann einfach nicht 100 Prozent ehrlich sein, da die Aussagen auch oft überspitzt dargestellt oder schlichtweg verdreht werden. Ich kann Ihnen auch ein Beispiel nennen.
Gerne.
Behrens: Ich habe gesagt, dass wir uns in der Winterpause Gedanken machen müssen - der Trainer, die Mannschaft, einfach alle. Am Ende stand "Behrens kritisiert den Trainer" in der Zeitung. Viele lesen dann oft nur die Überschrift und schon hast du wieder Unruhe im Umfeld. Was lerne ich daraus? Ich muss in Zukunft einfach plattere Antworten geben, obwohl ich das eigentlich gar nicht möchte.
Apropos Ehrlichkeit: Müssen Sie manchmal schmunzeln, wenn Sie Spieler bei Interviews hören, die Sie gut kennen, weil Sie wissen, dass das Geäußerte niemals deren eigene Meinung sein kann?
Behrens: Ich möchte niemanden verpfeifen, aber das kommt definitiv häufiger vor. (lacht)
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