Nach fast einem Vierteljahrhundert als starker Mann bei Hannover 96 ist die Ära von Martin Kind bei den Niedersachsen überraschend vorerst beendet. Doch juristische Auseinandersetzungen sind bereits angekündigt.
Jubel in der Fanszene, Entsetzen bei der Vereinsprominenz und juristischer Gegenwind der Gesellschafter: Nach der völlig unerwarteten Abberufung von Martin Kind als Geschäftsführer von Fußball-Zweitligist Hannover 96 schossen die Spekulationen über die Ursachen für die spektakuläre Trennung vom 78 Jahre alten Klub-Patriarchen ins Kraut, eine juristische Schlammschlacht steht bevor.
Denn der geschasste Unternehmer ließ umgehend rechtliche Schritte gegen seinen Rauswurf einleiten. "Die Wirksamkeit des Beschlusses über die Abberufung des Geschäftsführers wird rechtlich geprüft", hieß es in einer Veröffentlichung seitens der Hannover 96 Management GmbH. Nach unbestätigten Informationen könnte Andreas Rettig, ehemaliger Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga, zu den Nachfolgekandidaten gehören.
Auch am Donnerstag war der Vorstand des Muttervereins Hannover 96 e.V. zunächst zu ergänzenden Erklärungen der überraschenden Ausbootung von Kind noch nicht bereit. In einer dürren Mitteilung war nur von "wichtigen Gründen" die Rede gewesen, über eine Neubestellung der Geschäftsführung werde man "zeitnah entscheiden", so 96-Präsident Sebastian Kramer.
Aber wird das alles Bestand haben? Jetzt muss erst einmal entschieden werden, ob es wirklich wichtige Gründe waren, die zur Trennung führten. Denn nur dann darf der e.V. eigenmächtig handeln - auch ohne die Zustimmung der Gesellschafter, zu denen Kind weiterhin gehört. Dieses Placet lag und liegt nicht vor und daher droht dem 126 Jahre alten Traditionsverein nun viel interne Unruhe.
Martin Kind seit einem Vierteljahrhundert das Gesicht von 96
Angeblich werden dem millionenschweren Unternehmer Kind mehrere unglückliche sportliche Entscheidungen in der jüngeren Vergangenheit vorgeworfen. Aber zur Wahrheit gehört auch: Ohne die graue und vor allem finanzstarke Eminenz bei den "Roten", seit einem Vierteljahrhundert das Gesicht des Vereins, wäre 96 vielleicht längst von der Karte des Profifußballs verschwunden.
"Hoffentlich wissen die handelnden Personen genau, was die da machen und wen sie da in Zukunft ersetzen müssen", sagte der ehemalige 96-Coach Peter Neururer der HAZ. Sorgen um seinen Herzensverein machte sich auch Edelfan und Ex-Tennisprofi Nicolas Kiefer via Twitter: "Ohne Martin Kind hätten wir kein überragendes Stadion und nicht dieses großartige Umfeld."
imago imagesNicht wenige rund um den Maschsee aber nahmen den Rauswurf von Kind positiv zur Kenntnis. Der streitbare Geschäftsmann war spätestens im Verlauf der Diskussionen um die 50+1-Regel zur Zielscheibe der Fanszene geworden. "Kind raus" - das waren noch die harmloseren Aufschriften auf Transparenten in der Nordkurve der WM-Arena von 1974 und 2006.
Kind war 1997 als ehrenamtlicher Präsident an die Spitze des damaligen Drittligisten gewählt worden. Zu den Erfolgen der Norddeutschen in seiner Ära gehörten der Aufstieg in die Bundesliga sowie die zweimalige Qualifikation für die Europa League. 2012 schied man erst im Viertelfinale gegen den späteren Pokalgewinner Atletico Madrid aus.