HD Cutz-Friseur Sheldon Edwards im Interview: "Der Haarschnitt ist ein Teil des Sports geworden"

Jochen Tittmar
05. März 201908:51
Sheldon Edwards in seinem Friseursalon HD Cutz in London.instagram
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Sheldon Edwards kam vor über 20 Jahren aus seiner Heimat Jamaika nach London und arbeitet dort seitdem als Friseur. Mit längst bahnbrechendem Erfolg, denn zahlreiche Fußballstars und prominente Sportler wie Usain Bolt lassen sich von Edwards aka HD Cutz die Haare verschönern.

SPOX und Goal besuchten Edwards in seinem Salon im Londoner Stadtteil Battersea. Im Interview erzählt er seine Geschichte: HD Cutz spricht über seinen ersten prominenten Kunden, seine Verbindung zum BVB und erklärt, weshalb ein frischer Haarschnitt für viele Spieler so wichtig wie vernünftige Fußballschuhe ist.

Sheldon, Sie sind mit Ihrem Unternehmen HD Cutz mittlerweile der persönliche Friseur zahlreicher Fußballstars und weiterer prominenter Sportler wie Usain Bolt. Wie sind Sie denn einst überhaupt zu diesem Beruf gekommen?

Sheldon Edwards: Mein Opa war der Propeller. Er hatte auf Jamaika zwei Friseurläden, die nach seinem Tod mein Vater übernommen hat. Wir waren die ersten Friseure in unserer Gegend. Das ist also fest in unseren Wurzeln verankert.

Können Sie sich noch an den ersten Haarschnitt Ihres Lebens erinnern, den Sie jemandem verpasst haben?

Edwards: Klar. Ich war ungefähr elf Jahre alt. Damals hingen immer eine Menge Leute in und um unsere Läden herum. Einer davon hieß Eddie. Er war 15 oder 16 Jahre alt und derjenige, dem ich zum ersten Mal die Haare schnitt. Das war letztlich keine Meisterleistung, ich habe ihm glaube ich auch ein paar Narben zugefügt. (lacht) Es hat ihm aber so sehr gefallen, dass er immer wieder kam. Das gab mir schon früh das nötige Selbstvertrauen, um diesem Beruf die Treue zu halten.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar traf Star-Friseur Sheldon Edwards in seinem Salon im Londoner Stadtteil Battersea.spox

1998 haben Sie Jamaika den Rücken gekehrt und sind nach London gezogen. Wieso die englische Hauptstadt?

Edwards: Meine Mutter lebte bereits 15 Jahre lang hier. Mein Bruder und ich wurden in Jamaika von meinem Vater aufgezogen. Als die Schule vorbei war, wollte ich studieren - und zwar in London. Ich wollte eigentlich Arzt werden. Ich habe dann aber seit meiner Ankunft in London als Friseur gearbeitet und dies mit der Zeit immer ernsthafter betrieben. Meine Mutter hatte es auch nicht besonders leicht. Deshalb hoffte ich, dass ich ihr auch mit meinem Friseur-Talent helfen kann. Zudem hat mich schon immer die geschäftliche Seite der Dinge interessiert. Mittlerweile ist das ja auch alles irgendwie zusammengelaufen. Jetzt bin ich halt der Haar-Doktor. (lacht)

Wie schwer war denn für Sie der Anfang im neuen Land?

Edwards: Es war sehr herausfordernd. Als Kind dachte ich, in Großbritannien sei es viel einfacher für die Menschen. Dann jedoch sah ich, wie sehr sich der Lebensstil in einer solchen Metropole von dem auf Jamaika unterscheidet und wie schwierig es ist, hier eine konstant hohe Lebensqualität zu erreichen. Für mich war das vor allem Motivation, es beruflich so weit zu bringen, dass ich unsere Situation zum Guten verändern kann.

Wie genau ging es für Sie als Friseur in London los?

Edwards: Ich habe in den ersten zwei Jahren in einem Laden nicht unweit von hier gearbeitet. Der damalige Besitzer machte dann einen eigenen Laden auf - und zwar diesen hier. Ich war sein einziger Friseur, der ihn begleitet hat. Wir haben letztlich zehn Jahre zusammengearbeitet, doch zwischenzeitlich kam für mich der Zeitpunkt, dass ich mir Gedanken über die Zukunft gemacht habe. Ich bin Vater von Zwillingstöchtern geworden, denen ich eine gute Zukunft bieten möchte - und dazu war mir der damalige Status quo zu wenig. Ich wollte ein Friseur-Unternehmen gründen, von dem auch die Kinder meiner Kinder noch profitieren können.

Und der ehemalige Besitzer war nicht einverstanden?

Edwards: Nein. Ich habe ihm wirklich Jahr für Jahr meinen Plan vorgestellt, aber er vertröstete mich immer wieder auf später. Ich wollte den Laden auf breitere Füße stellen, damit er wächst. Mir war es im Hinblick auf meine Familie zu wenig, nur ein bisschen Geld zu verdienen und am Wochenende frei zu haben.

Mit Wachstum haben Sie damals aber nicht verbunden, künftig die Haare prominenter Fußballspieler zu schneiden?

Edwards: Nein, aber ich war bereits der beliebteste Friseur in der Gegend. Die Kinder und Jugendlichen aus der Umgebung haben meinen Stil geliebt, viele sind mir damals in den neuen Laden gefolgt. Die Leute nannten ihn "Sheldon-Shop", das ist kein Spaß. Mir hat das Haareschneiden niemand beigebracht, sondern ich habe nur beobachtet, bereits als Kind, und habe dann versucht, aus den vielen verschiedenen Stilen meinen eigenen zusammen zu setzen. Das schien zu gefallen, denn ich hatte schnell einen sehr großen Kundenstamm. Schließlich kaufte ich den Laden selbst und so wuchs auch das Unternehmen.

Aber vor allem wuchs es, nachdem Sie dem ersten Fußballstar die Haare schnitten. Das war Mousa Dembele, der damals beim FC Fulham spielte. Wie kam es dazu?

Edwards: Ich kenne einen Londoner Spielerberater. Durch ihn lernte ich seinen Kumpel Abdul kennen, der wiederum ein Freund von Mousa war. Abdul suchte nach einem Friseur für sich und kam bei mir vorbei. Ich wusste nicht, dass er ein Kumpel von Mousa ist. Der Haarschnitt gefiel ihm und er erzählte Mousa davon.

Der dann irgendwann einmal zusammen mit Abdul in Ihren Laden latschte?

Edwards: So war's. Ich erkannte ihn gleich, da ich mich selbst sehr für Fußball interessiere. Mousa ist ein sehr anspruchsvoller Kunde, auch wenn man das bei seiner simpel anmutenden Frisur vielleicht nicht denkt. Auch ihm gefiel letztlich meine Arbeit. Er rief mich wieder an und ein paar Wochen später saß ich zum Schneiden schon bei ihm zu Hause. Das hat mich natürlich ziemlich begeistert. Wir haben uns gut unterhalten und über die Familie, unsere Kinder oder das Leben an sich gesprochen. Unser Draht wurde mit jedem Male immer enger.

Kam durch ihn der Name HD Cutz zustande?

Edwards: Nachdem ich Mousa geschnitten habe, zeigte ich ein Bild seiner Frisur auf meinem Handy ein paar Leuten und Kunden im Salon. Zu dieser Zeit ist HD Fernsehen gerade groß herausgekommen. Im TV lief nebenher eine Werbung, die HD Fernsehen als extrem präzise und scharf anpries. Wir haben dann ein bisschen gewitzelt und ein paar Kunden meinten, sie wollen künftig auch so einen HD-Haarschnitt wie Mousa. Daraufhin habe ich mir im Internet Visitenkarten mit dem Bild von Mousas Friseur bedruckt und mich HD Cutz genannt. (lacht)

Haben Sie Dembele gesagt, er solle Werbung für Sie bei seinen Mitspielern oder anderen Fußballern machen?

Edwards: Nein, aber er hat das von selbst gemacht, weil er einfach mit mir und meiner Arbeit zufrieden war. Ich habe bei ihm in kurzer Zeit das nötige Vertrauen aufbauen können. Wir hatten tolle Gespräche und lagen schnell auf einer Wellenlänge. Ich habe ihm schon oft dafür gedankt, dass er mir geholfen hat. Er antwortet dann immer, dass er nichts für mich getan, sondern nur den Leuten von mir und seinem Vertrauen in mich erzählt habe. Wenn ich meine Arbeit schlecht erledigen würde, hätte er sich nicht weiter mit mir beschäftigt.

Welcher Fußballspieler folgte als nächstes?

Edwards: Zunächst einmal war Mousa gar nicht der Erste. Das war nämlich Michail Antonio, der aktuell bei West Ham spielt. Michail schneide ich die Haare, seit er zehn Jahre alt ist. Wir gingen auch zusammen in dieselbe Kirche, er ist längst ein Freund unserer Familie.

Welcher Spieler war also der Dritte im Bunde?

Edwards: Mousa lud mich bei der EM 2016 zur belgischen Nationalmannschaft ein. Das war der Zeitpunkt, an dem es mit HD Cutz verrückt wurde und die Marke quasi über Nacht wuchs. Dort lernte ich zunächst vor allem Radja Nainggolan kennen, der damals beim AS Rom spielte. Er war so begeistert, dass er mich zwei Jahre lang wöchentlich nach Rom einfliegen ließ. Unsere Beziehung wurde schnell sehr eng und bald schnitt ich auch anderen Roma-Spielern die Haare. Zu diesem Zeitpunkt startete ich auch meine Social-Media-Aktivitäten, die schnell viral gingen. Plötzlich wurde ich in Rom am Flughafen erkannt. Radja half somit sehr, dass HD Cutz deutlich größer und aus mir ein reisender Friseur wurde, der die Stars auch vor Ort besucht.

Aber Nainggolan muss mit seinen kurz geschorenen Haaren doch nicht jede Woche zum Friseur!

Edwards: Seine Haare wachsen in der Tat ziemlich rasant. Nach fünf Tagen sieht es bei ihm so aus, als ob man nichts getan hätte. Grundsätzlich ist es so, dass der Fußball immer mehr zur Mode-Welt geworden ist. Den Spielern ist ein guter Look und eine tolle Erscheinung auf und außerhalb des Spielfelds sehr wichtig. Jemand wie Radja legt sehr viel Wert auf sein Image und möchte es so gut es geht kultivieren. Am Tag vor einem Spiel einen frischen Haarschnitt verpasst zu bekommen, ist für viele Spieler mittlerweile so wichtig wie vernünftige Fußballschuhe.

Eigentlich kaum zu fassen.

Edwards: Mit einem neuen Haarschnitt fühlen sich viele Spieler einfach gut, um auch die Leistung auf dem Feld bringen zu können, die man von ihnen erwartet. Vor einem großen Spiel wollen viele Spieler schlichtweg gut aussehen. Nach meiner eigenen Beobachtung denken sich auch viele: Wenn ich vor dem Spiel nicht die Haare geschnitten bekomme, fühle ich mich nicht ausreichend auf das Spiel vorbereitet. Der Haarschnitt ist ein Teil des Sports geworden.

Sie sind kürzlich auch in Deutschland zum Thema geworden, da Sie einigen Spielern von Borussia Dortmund am Tag vor dem Champions-League-Spiel gegen Tottenham Hotspur die Haare schnitten und der Boulevard nach der BVB-Niederlage ein Fass aufmachte, weil dadurch angeblich die Konzentration der Spieler gestört worden sei. Woher haben Sie den Kontakt zum BVB?

Edwards: Das kam durch Jadon Sancho. Ihn kannte ich aus London. Als Axel Witsel im Sommer nach Dortmund wechselte, hat sich das intensiviert, denn Axel ist seit ein paar Jahren Kunde von mir. Ihn habe ich auch schon in seiner belgischen Heimat besucht. Auch Manuel Akanji hatte ich schon zuvor mal kennengelernt, bei der WM in Russland hat sich unsere Beziehung dann verfestigt. Durch diese Bekanntschaften sind somit nach und nach ein paar neue Spieler aus Dortmund hinzugekommen.

Bei wem genau haben Sie denn Hand angelegt, als der BVB in London weilte?

Edwards: Bei Axel, Jadon, Dan-Axel Zagadou, Jacob Bruun Larsen und erstmals Raphael Guerreiro. Wenn Marco Reus nicht verletzt gewesen und in Dortmund geblieben wäre, hätte ich ihm auch erstmals einen Haarschnitt verpasst.

Was ist denn bei Witsel überhaupt zu machen?

Edwards: Es sieht nicht nach viel aus, aber sein Afro muss natürlich in Form gehalten werden. Ich trimme ihn manchmal ein wenig oder ziehe die Haarlinien nach - solche Dinge eben.

Dass Sie bei der WM in Russland vor Ort waren, verdanken Sie Antonio Rüdiger, den Sie in seiner Zeit in Rom kennen gelernt haben.

Edwards: Antonio ist jemand, der seinen Haarschnitt liebt und gut aussehen möchte. Darauf achtet er wie ein Model. Wir verstanden uns gleich beim ersten Mal hervorragend, so dass ich anschließend jede Woche vor den Spielen bei ihm war. Das war für ihn der coolste Teil seiner Woche. Wir schafften es kaum einmal, unter zwei Stunden zu quatschen. So läuft es mit vielen Spielern ab: Wir reden miteinander, lachen, haben Spaß, hören Musik - wie unter Freunden eben. Sie genießen diese Erfahrungen, lassen sich darauf ein und relaxen dabei.

Wie brachte Sie Rüdiger letztlich nach Russland?

Edwards: Ich habe im Vorfeld mit vielen Spielern darüber gesprochen, mit zur WM zu reisen. Doch niemand hat die Initiative ergriffen, mich dorthin zu bringen - bis auf Antonio. Seine Leute riefen mich aus Russland an, brachten mich in einem Hotel im Zentrum von Moskau unter und arrangierten alles für meine erste Woche. Von dort aus fuhr oder flog ich dann zu weiteren Mannschaften. Das zeigt, dass Antonio ein sehr fürsorglicher und gut organisierter Mensch ist. Er ist für mich wie ein Familienmitglied und einer meiner engsten Kumpels.

Ist Ihnen bei Rüdiger in Russland eigentlich auch die mitgebrachte Shisha aufgefallen?

Edwards: Nein. (lacht) Ich konnte diese ganzen negativen Berichte im Nachgang der WM nicht wirklich nachvollziehen. Als ich im deutschen Camp war, herrschte dort eine ausgezeichnete Atmosphäre. Die Stimmung unter den Spielern war gut, es wurden viele Späße gemacht. Alle schienen mir sehr glücklich zu sein.

In Russland haben Sie auch Jerome Boateng beglückt. Bei welchen Spielern würden Sie gerne einmal Hand anlegen?

Edwards: Aus Deutschland am liebsten bei Marco Reus oder Mario Götze, weil ich ihren Spielstil lebe und sie tolle Persönlichkeiten sind. Ansonsten wären Cristiano Ronaldo, Lionel Messi oder Neymar natürlich ein Traum. Ich bewundere sie als Spieler und würde ihnen gerne einmal zeigen, was ich drauf habe.

Was kostet denn ein Haarschnitt in Ihrem Laden in London?

Edwards: Es geht bei 35 Pfund los. Besonders langjährige Kunden, gerade welche mit weniger Geld, bekommen es günstiger. Natürlich bezahlen mich auch die Promis und übernehmen die Buchungen meiner Reisen, so dass das kein großer Stress für mich ist. Es ist aber nicht das Geld, das mich motiviert. Mich motiviert meine Arbeit und ich denke, dass das auch meine Kunden an mir mögen. Ich möchte ihnen einfach einen coolen Haarschnitt verpassen. (lacht)