Zeit für andere Dinge

Stefan Rommel
03. September 201420:30
Mit dem WM-Titel in Brasilien krönte Philipp Lahm seine DFB-Karrieregetty
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Vor dem Testspiel gegen Argentinienwerden Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker offiziell verabschiedet. Mit dem Abgang des Trios endet auch eine Ära im DFB-Team. Ein Rückblick auf drei große Karrieren in der Nationalmannschaft.

Bald sind sie weg und mit ihnen die Erfahrung aus 354 Länderspielen. Die Bilanzen von Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker lesen sich monströs. 239 Siege haben die drei zusammengerechnet gefeiert, dazu kommen 60 Unentschieden und 55 Niederlagen.

Unzählige Zweikämpfe, Kopfballduelle, Tacklings, Dribblings, Torschüsse, Flanken waren dabei, einige zweite und dritte Plätze bei großen Turnieren, für Lahm und Klose noch die Schmach von Portugal 2004 - und am Ende der Triumph bei der WM vor wenigen Wochen.

Am Mittwochabend werden die drei Stützen der Mannschaft vor dem Testspiel gegen Argentinien in Düsseldorf feierlich verabschiedet. Ein Rückblick auf drei bemerkenswerte Karrieren im Kreis der Nationalmannschaft.

Philipp Lahm

113 Länderspiele in lediglich etwas mehr als zehn Jahren hat der ehemalige Kapitän bestritten. Im Februar 2004 begann eine Ära des deutschen Fußballs bei einem Testspiel in Split gegen Kroatien. Lahm war damals gerade ein halbes Jahr in der Bundesliga unterwegs und beim VfB Stuttgart vom damaligen Coach Felix Magath vom gelernten Mittelfeldspieler zum linken Verteidiger umfunktioniert worden.

In einer schwierigen Zeit für den deutschen Fußball war er einer der wenigen Lichtblicke. Eine Dekade lang war er unersetzbar - egal ob links oder rechts in der Viererkette oder wie zuletzt immer öfter auch im defensiven Mittelfeld. Im spontanen Rückblick bleiben Szenen hängen wie seine Tore beim WM-Eröffnungsspiel 2006 oder im Halbfinale der EM zwei Jahre später gegen die Türkei.

Aber Lahm war eher immer ein Mann für die Momente im Hintergrund. Als ausgleichendes Element war er in der Mannschaft bekannt, auf dem Platz die Zuverlässigkeit in Person. "Philipp ist ein Musterprofi, der alles dem Erfolg unterordnet", sagt Joachim Löw. In der Praxis sieht das dann unter anderem so aus, dass er sich jeden Tag körperlich und mental mit Yoga fit hält - selbst nach späten Champions-League-Spielen nimmt er sich im Hotel noch die Zeit dafür.

Etwas unglücklich war der Zeitpunkt gewählt, als er auf das Kapitänsamt pochte. Zwei Tage vor dem WM-Halbfinale 2010 gegen Spanien preschte Lahm in einem Interview nach vorne, was ihm nicht unbedingt nur volle Zustimmung von Fans und Medien einbrachte. Es gehört aber auch zu seiner durchaus streitbaren Figur, dass er aneckt, sich auflehnt oder Dinge auch mal ungeschönt anspricht.

Der Rücktritt nur wenige Stunden nach dem gewonnenen WM-Finale kam für fast alle überraschend. Beim Frühstück teilte er Löw seine Entscheidung mit. Lahm wolle sich ab sofort nur noch auf den FC Bayern München konzentrieren. Eine absolut nachvollziehbare Entscheidung, nehmen doch die Termine mit der Nationalmannschaft bei Länderspielen oder Medienaktivitäten pro Jahr über 30 Tage in Anspruch.

Lahm ist klug genug, um für die nächsten Jahre deshalb vorzubauen. Er weiß, dass auch sein Körper irgendwann nicht mehr so funktioniert wie der eines Mittzwanzigers. Und außerdem ist da ja noch die Familie, die nach zehn Jahren für den Deutschen Fußball-Bund mehr in den Fokus rücken soll. Fritz Walter, Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus hat der DFB bei den Männern in den Stand der Ehrenspielführer gehoben. Philipp Lahm könnte schon bald der fünfte in der Runde werden...

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Miroslav Klose

Er war im Prinzip immer ein wenig wie ein Relikt aus einer anderen Zeit - Miroslav Klose wirkte aber nie so. Als er sein Debüt bei der Nationalmannschaft gab, hießen die Mitspieler noch Ramelow, Rehmer oder Jeremies. Der Fußball war ein anderer, die Mannschaftstruktur und -hierarchie wie aus der Vorzeit.

2001 ging es für Klose los, mit einem entscheidenden Tor 15 Minuten nach seiner Einwechslung gegen Albanien. Danach folgten Rekorde, die wohl noch eine ganze Weile Bestand haben dürften: den der meisten Tore in der Geschichte der Nationalmannschaft. Klose überholte Bomber Gerd Müller und steht nach 13 Jahren und 137 Spielen bei 71 Treffern. Sein 2:0 im Halbfinale gegen Brasilien pulverisierte den WM-Rekord von Ronaldo, Klose führt diese Rangliste mit 16 Toren nun alleine an.

Ebenso bemerkenswert wie seine Tore und Rekorde war aber die Art, wie er sich immer wieder den sich rasch verändernden Gegebenheiten des Spiels anpassen konnte. In jungen Jahren galt Klose als reiner Kopfballspieler, der zwar die nötige Wucht und Dynamik mitbringt, ansonsten aber weit weg war von internationaler Klasse.

Seine Zeit in Bremen brachte Klose dann gleich mehrere Schritte nach vorne. Er komplettierte sein Repertoire, wurde zu einem der gefährlichste Angreifer der Welt. Zuletzt war er einer von nur zwei übrig gebliebenen klassischen Angreifern, aber er war kein reiner Strafraumspieler mehr - sondern der erste Verteidiger des Teams, ein Konter- und Kombinationsspieler.

Und er achtete penibel auf seinen Körper. Klose lebt und denkt wie ein Profi, er erlaubt sich keine Allüren, nimmt sich gerne zurück, legt Sonderschichten ein und hat diesen Ehrgeiz und Willen, auch nach schwächeren Spielzeiten immer wieder exakt auf den Punkt fit und leistungsstark bei einem Turnier aufzulaufen.

Er werde wohl nicht so schnell wieder einen Spieler erleben, der so für Bescheidenheit, Bodenständigkeit, Professionalität, Verlässlichkeit und Teamgeist stehe wie Klose, sagt Löw. Mehr muss man über Miroslav Klose auch nicht wissen.

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Per Mertesacker

Mertesacker ist der Jungspund der Zurückgetretenen, der Lange ist schließlich erst 29. Es soll andere Spieler geben, die da erst ihr Debüt in der Landesauswahl geben. Für Mertesacker ist nach 104 Partien Schluss.

Begonnen hat alles bei einer umstrittenen Reise in den Nahen Osten. In Teheran vor 100.000 Zuschauern gab Mertesacker sein Debüt, das war kurz nach der völlig missglückten EM 2004 und unter Jürgen Klinsmann. Mertesacker erlebte so gewissermaßen nur die schöne Zeit der Nationalmannschaft, schlechter als auf Platz drei schloss er kein einziges seiner insgesamt fünf Großturniere ab.

Als Junior-Partner von Christoph Metzelder trat er einst an, wurde dann zum Chef der Abwehr, später in den Mannschaftsrat gewählt. Merte nahm immer eine Schlüsselrolle ein als Kommunikator und Vermittler innerhalb des Teams. Intern war er einer der Wortführer und eine Anlaufstation für das Trainerteam.

"Er ist der Prototyp des Mannschaftsspielers. Per hat sich immer in den Dienst der Mannschaft gestellt, seine persönlichen Ambitionen waren für ihn zweitrangig", sagt DFB-Präsident Wolfgang Niersbach. Bei öffentlichen Auftritten konnte man nicht selten erkennen, dass er sich und das gesamte Geschäft nicht immer so ernst nahm wie der große Rest. Diese erfrischende Eigenheit hat sich Mertesacker bis zum Schluss bewahrt.

Weil es sportlich in den letzten Jahren nicht immer nur rund lief und weil die jüngere Konkurrenz mächtig Druck aufbaut, hat er sich zum Rücktritt entschlossen, "nach zehn wunderschönen Jahren, nach fünf Turnieren und einem wunderschönen Sommer."

Und außerdem hat er ja mit den Spielen in Brasilien den Kaiser überholt. "Mein Vater hat gesagt: Ein Spiel mehr als Beckenbauer, jetzt kannst Du aufhören", sagt Mertesacker. Auf einem Level mit Beckenbauer würde sich Mertesacker natürlich trotzdem nie sehen.

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