Benjamin Wallquist ist Kapitän der österreichischen U19-Nationalmannschaft und der U19 der TSG Hoffenheim, mit der er am Freitag im Halbfinale der UEFA Youth League auf den FC Porto trifft (14 Uhr live auf DAZN). Im Interview mit SPOX und Goal spricht Wallquist über europäische Erlebnisse, überlegene Engländer und seine Ziele.
Außerdem berichtet Wallquist von einer Partie bei minus 30 Grad in Astana, vom Vorteil, bei keinem Traditionsverein zu spielen, und den Gründen für seinen Wechsel von RB Salzburg nach Hoffenheim.
Herr Wallquist, am Wochenende spielen Sie im Final Four der Youth League, danach steht Ihr Abitur an. Wie sehr leidet die Schule unter dem Fußball?
Benjamin Wallquist: Nach meinem Wechsel von Österreich nach Deutschland war die Umstellung vom einen ins andere Schulsystem die größte Herausforderung. Verzichten wollte ich auf mein Abitur aber nie. Unter der Youth League hat die Schule bisher kaum gelitten, was auch daran liegt, dass wir in den K.o.-Runden im Frühling jeweils Heimspiele hatten. Ich habe mit der Schule aber generell kaum Probleme. Mein Ziel für den Abiturschnitt liegt bei 2,0.
Erachten Sie die Youth League als sinnvolle Einrichtung?
Wallquist: Absolut! Die Vergangenheit hat gezeigt, dass dieser Wettbewerb ein Fingerzeig für den weiteren Verlauf von Karrieren sein kann. Ich spüre durch diesen Wettbewerb zum ersten Mal in meinem Leben eine große öffentliche Aufmerksamkeit und das macht einfach Spaß. Schon die Kulisse im Viertelfinale gegen Real Madrid war ein Wahnsinn. Das Dietmar-Hopp-Stadion war mit über 6000 Plätzen ausverkauft. Die Fans haben sich sogar eine Choreografie ausgedacht. Das sorgt für Adrenalin pur.
Bereits 2017 gewannen Sie die Youth League. Damals mit Ihrem Ex-Klub Red Bull Salzburg.
Wallquist: Ich fühle mich aber nicht als Sieger, weil ich im Finale nicht im Kader stand und in der ganzen Saison nur einmal zum Einsatz kam. Dieses eine Spiel war dafür ein besonderes Ereignis.
Inwiefern?
Wallquist: Nachdem wir das Heimspiel gegen Kairat Almaty mit 8:1 gewonnen hatten, bekamen beim Rückspiel in Astana einige jüngere Spieler die Chance. Das war eine tolle Sache - bis auf den Umstand, dass es minus 30 Grad hatte. Das war eine Grenzerfahrung. Jeder von uns hatte zwei Strumpfhosen, mehrere lange Unterleiberl und Plastiksackerl in den Schuhen an. Nach dem Spiel haben wir alle gehustet und waren uns eigentlich sicher, dass es Lungenentzündungen werden.
Bei den Youth-League-Gruppenspielen im vergangenen Herbst mit Hoffenheim reiste die U19 stets mit der Profimannschaft zu den Auswärtsspielen. Wie kann man sich das vorstellen?
Wallquist: Wir sind zwar in einem Flieger gereist, vor Ort gab es aber unterschiedliche Programme. Beide Mannschaften hatten also nicht so viel miteinander zu tun und waren voll auf ihre jeweiligen Ziele fokussiert. Man kann es sich nicht vorstellen wie einen Trip unter Freunden.
Bleibt bei solchen Auswärtsreisen Zeit für Sightseeing?
Wallquist: Leider nicht, aber das ist ja auch verständlich: Wir reisen nicht, um Städte anzuschauen, sondern um Fußballspiele zu gewinnen.
In der Gruppenphase ging es gegen Manchester City. In Deutschland herrscht aktuell ein großer Hype um englische Talente. Ist der Ihrer Meinung nach berechtigt?
Wallquist: Ich kann den Hype auf jeden Fall nachvollziehen. City ist gegen uns vornehmlich mit jüngeren Spielern angetreten, aber auch da waren super Kicker dabei. Mit Österreich habe ich mal gegen die englische Nationalmannschaft aus dem Jahrgang 2000 um Jadon Sancho, Phil Foden, Callum Hudson-Odoi und Rhian Brewster gespielt. Die sind eine Klasse für sich. Wir müssen uns aber auch nicht verstecken.
Die Youth-League-Saison der TSG Hoffenheim
Spieltag | Gegner | Ort | Ergebnis |
Gruppenphase | Schachtar Donezk | A | 2:1 |
Gruppenphase | Manchester City | H | 5:2 |
Gruppenphase | Olympique Lyon | H | 3:1 |
Gruppenphase | Olympique Lyon | A | 3:3 |
Gruppenphase | Schachtar Donezk | H | 1:1 |
Gruppenphase | Manchester City | A | 1:2 |
Achtelfinale | Dynamo Kiew | H | 4:2 n.E. |
Viertelfinale | Real Madrid | H | 4:2 |
In beiden Partien gegen City spielte Rabbi Matondo, der in der Winterpause zum FC Schalke 04 wechselte. Wie haben Sie ihn erlebt?
Wallquist: Er hat ein Wahnsinnstempo, ist im Eins-gegen-eins nicht zu halten, spielt super Pässe und ist immer torgefährlich. Matondo war sicher der beste Spieler, gegen den ich in dieser Youth-League-Saison gespielt habe. Es war abzusehen, dass er in nicht allzu langer Zeit oben ankommen wird.
Sind Ihnen im Laufe des Wettbewerbs noch andere Gegenspieler positiv aufgefallen?
Wallquist: Vor allem Mykhailo Mudryk von Schachtjor Donezk. Der hat zwar einen unaussprechlichen Namen, ist aber ein super Kicker. Er spielt wie Matondo Linksaußen und ist ebenfalls schnell, trickreich und torgefährlich.
Sie sind 19 Jahre alt und spielen Ihre letzte Saison im Nachwuchsfußball. Was sind Ihre Ziele für die Zukunft?
Wallquist: Ich persönlich traue es mir absolut zu, schon in der kommenden Saison eine Rolle im Profifußball zu spielen. Langfristig will ich natürlich Stammspieler werden.
Wie intensiv ist der Austausch zwischen Jugendspielern und Profitrainer Julian Nagelsmann?
Wallquist: Er schaut bei unseren Spielen oft zu. Im regelmäßigen Austausch ist er aber eher mit den Jugendtrainern in der Akademie.
Sie sind Innenverteidiger. Was sind Ihre Stärken und Schwächen?
Wallquist: Arbeiten muss ich noch an meiner Athletik, meiner Beweglichkeit und am defensiven Eins-gegen-eins-Verhalten. Meine Stärken sind meine Aufmerksamkeit, Spielintelligenz und meine Führungsqualitäten. In der Mannschaft nennen sie mich deswegen alle "Papa".
Sie sind sowohl im Klub als auch in der Nationalmannschaft Kapitän. War das immer schon so?
Wallquist: Bei meinem Heimatverein SC Brunn noch nicht, weil ich da bei den Älteren mitgespielt habe. Bei allen anderen Stationen und auch in der Nationalmannschaft wurde ich aber immer recht schnell Kapitän. Irgendetwas müssen die Trainer in dieser Hinsicht in mir sehen.
Ihr aktueller Trainer in der U19 von Hoffenheim ist Marcel Rapp. Was zeichnet ihn aus?
Wallquist: Er schaut primär nicht auf die Ergebnisse, sondern die persönliche Entwicklung der Spieler. Das ist eine sehr gute Eigenschaft für einen Jugendtrainer und in dieser Ausgeprägtheit eine Ausnahme. Außerdem macht er mit uns individuelle Videoanalysen und Positionstraining. Das hilft enorm.
Die Karrierestationen von Benjamin Wallquist
Zeitraum | Verein |
bis 2013 | SC Brunn |
2013 bis 2014 | Admira Wacker Mödling |
2014 bis 2017 | Red Bull Salzburg |
seit 2017 | TSG Hoffenheim |
Was waren die Gründe für Ihren Wechsel von Salzburg nach Hoffenheim im Sommer 2017?
Wallquist: Die Verantwortlichen von Hoffenheim haben mir aufgezeigt, dass sie mich zum Bundesligaspieler machen wollen. Diese Aussicht war für mich das entscheidende Argument. Ich hatte noch einige andere Angebote, aber es war letztlich eine Entscheidung zwischen Salzburg und Hoffenheim.
Sowohl bei Red Bull Salzburg als auch in Hoffenheim gibt es keine wirkliche Fußballtradition und keine große Fanbasis. Ist das für die Entwicklung eines jungen Spielers förderlich?
Wallquist: Ausbildungsklubs wie Hoffenheim oder Salzburg geben einem Zeit, in Ruhe wachsen zu können. Bei manchen Traditionsvereinen wird man als Talent dagegen zu schnell gehypt, was nicht immer gut ist.
Wohnen Sie eigentlich im Internat?
Wallquist: Nein, seit Sommer wohne ich in einer eigenen Wohnung in einem kleinen Dorf in der Nähe von Sinsheim. Ich habe sie vom Poschi (Profi Stefan Posch, Anm.d.Red.) übernommen, der nach Heidelberg übergesiedelt ist. Hoffentlich ist das ein gutes Omen. Der Poschi hat mir jedenfalls ein paar Möbel zurückgelassen und den Rest habe ich selbst reingestellt. Dann hat meine Freundin dafür gesorgt, dass mit der Dekoration alles passt.
Haben Sie privat viel Kontakt mit Ihrem Landsmann Posch?
Wallquist: Aktuell nicht wirklich. Aber als ich nach Hoffenheim gewechselt bin, ist er extra in die Akademie gekommen, nur um sich zu erkundigen, wie es läuft. Dann meinte er, dass ich mich immer bei ihm melden kann, wenn ich etwas brauche. Das war eine super Geste von ihm.
Zum Abschluss ein ganz anderes Thema: Ihr Nachname hört sich skandinavisch an. Haben Sie dort Verwandte?
Wallquist: Angeblich kommt der Uropa von meinem Opa aus Schweden, aber das weiß bei uns in der Familie keiner so genau.