Erstmals seit einem Jahr steht Ilkay Gündogan wieder im Kader des DFB-Teams. Nach seinem Kreuzbandriss kämpft sich der 27-Jährige bei Manchester City gerade einmal mehr zurück. SPOX traf ihn nach dem Sieg im Topspiel gegen den FC Arsenal zum Interview. Gündogan schwärmt dabei von Trainer Pep Guardiola, erklärt den Erfolgslauf von City und spricht über sein DFB-Comeback, Mario Götze und Ex-Klub BVB.
SPOX: Herr Gündogan, die wichtigste Frage zu Beginn: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
Ilkay Gündogan: Ich fühle mich gut, bin soweit fit, das Knie hält und von daher freue ich mich über jede Minute, die ich spielen kann. Momentan klappt es bei uns in der Mannschaft gut, da fällt es nicht besonders schwer reinzukommen. So kann es weitergehen.
SPOX: Woran müssen Sie noch arbeiten?
Gündogan: Momentan fehlt mir natürlich noch ein bisschen der Rhythmus. Es ist etwas anderes, wenn ich alle drei, vier Tage 60, 70, 80 oder 90 Minuten spiele, als wenn ich gerade erst behutsam wieder herangeführt werde. Das Selbstvertrauen ist vielleicht noch nicht in jedem Spiel extrem hoch, weil ich noch nicht die Einsatzzeiten habe, die ich brauche, um wieder in diesen Rhythmus reinzukommen.
SPOX: Sie haben im Laufe Ihrer Karriere schon etliche verletzungsbedingte Rückschläge erlitten. Haben Sie Angst davor, dass es nochmal passiert?
Gündogan: Angst habe ich überhaupt nicht. Es wäre der komplett falsche Gedanke, mit Angst ins Spiel zu gehen. Ich fühle Bescheidenheit und Dankbarkeit, dass ich wieder auf dem Platz stehen kann, und genieße es einfach nur.
gettySPOX: Joachim Löw hat Sie erstmals seit einem Jahr wieder für die Nationalmannschaft nominiert.
Gündogan: Das freut mich natürlich sehr. Ich reise immer sehr gerne zur Nationalmannschaft, weil sich dort die Elite-Fußballer Deutschlands versammeln. Es ist eine Ehre dazuzugehören. Auf Grund von Verletzungen habe ich schon viel verpasst. Ich habe bisher leider nicht viele Länderspiele, ich müsste eigentlich schon viel mehr haben. Deswegen ist es vielleicht nochmal etwas besonderer für mich, wieder dabei zu sein.
SPOX: Was Sind Ihre persönlichen Erwartungen für die beiden Freundschaftsspiele in England (Freitag, 21 Uhr im LIVETICKER) und gegen Frankreich?
Gündogan: Klar erwarte ich, dass ich zum Einsatz kommen werde. Es sind zwei Freundschaftsspiele, da rechne ich damit, dass jeder ein bisschen spielen wird. Wenn ich gebraucht werde, muss ich bereit sein.
SPOX: Wie intensiv war Ihr Kontakt mit Löw in den vergangenen Monaten?
Gündogan: Wir haben miteinander geschrieben, aber Jogi war nicht der Einzige, mit dem ich Kontakt hatte. Mit Oliver Bierhoff habe ich zum Beispiel zwischendurch des Öfteren telefoniert. Die Co-Trainer Thomas Schneider und Oliver Sorg haben mich ständig kontaktiert und auch über Leute, die mich kennen, nach mir gefragt. Von DFB-Seite wurde mir in den letzten Jahren das extrem gute Gefühl gegeben, dass ich nach wie vor wichtig bin, auch wenn ich immer wieder ein paar Monate raus war. Ich spüre das Vertrauen und jetzt will ich natürlich wieder einmal etwas zurückzahlen und hoffentlich dann auch im nächsten Sommer dabei sein.
SPOX: Denken Sie, dass Sie sicher im WM-Kader stehen werden, sofern Sie fit bleiben?
Gündogan: Ja, dann bin ich mir sehr sicher, dass ich dabei sein werde. Es geht aber nicht nur darum fit, sondern auch in Form zu sein. Immer, wenn ich fit war, ist mir das relativ gut gelungen. Von daher ist es das Wichtigste gesund zu bleiben - was aber schon schwierig genug ist.
SPOX: Auch Mario Götze steht erstmals seit einem Jahr wieder im DFB-Kader. Sie haben einst bei Borussia Dortmund mit ihm zusammengespielt, wie intensiv war der Kontakt untereinander während den Zwangspausen?
Gündogan: Ich hatte in den letzten Monaten sehr, sehr häufig Kontakt mit Mario. Wir haben immer wieder geschrieben, auch gleich nach der Kader-Nominierung. Unser jeweils letztes Länderspiel haben wir ja zusammen bestritten, letzten November in Italien. Was Verletzungen angeht, ist es für uns beide in den letzten Jahren nicht ganz optimal gelaufen. Gerade nach seiner schwierigen Phase in der letzten Saison freut es mich für ihn besonders, dass er jetzt wieder so gut zurückgekommen ist und immer mehr zu seiner Form findet. Natürlich beobachte ich seine Spiele mit dem BVB auch.
SPOX: Was haben Sie dabei für einen Eindruck von ihm gewonnen?
Gündogan: Er hat noch Potenzial nach oben und ist noch nicht ganz der Alte, aber der muss er auch gar nicht mehr werden. Durch die ganzen Erlebnisse und Erfahrungen wird man zu einer neuen Persönlichkeit, zu einem neuen Spieler. Da muss man sich ein Stück weit neu erfinden. Das habe auch ich persönlich gerade nach den letzten Verletzungen erlebt und das ist natürlich nicht leicht. Es war absolut vernünftig, wie man beim BVB mit Mario umgegangen ist und wie er bisher selbst auf dem Platz aufgetreten ist. Ich wünsche ihm, dass er gesund bleibt und weiterhin Schritt für Schritt zu einem besseren Spieler wird. Von den Anlagen her fallen mir jedenfalls nicht ganz so viele Spieler ein, die besser sind als er.
SPOX: Nach einem starken Saisonstart hat der BVB zuletzt stark nachgelassen. Wie beurteilen Sie die Lage bei Ihrem Ex-Verein?
Gündogan: Ich finde es ganz lustig, dass jetzt von einer Krise gesprochen wird. Ich persönlich tue mir extrem schwer damit, in dieser Situation über eine Krise zu reden oder über den Trainer zu diskutieren. Der BVB hat mit seinen Mitteln fast alles rausgeholt, letzte Saison und mit dem Start in diese Saison absolut überrascht. Die ersten fünf Spieltage lang in den Himmel loben und jetzt auf einmal von einer Krise sprechen, erachte ich als total unverhältnismäßig. Ich finde, dass beim BVB echt gute Arbeit geleistet wird, dass sie attraktiven Fußball spielen und was die Punkte angeht, momentan absolut im Soll sind. Nur weil der Start extrem beflügelnd war und die letzten Spiele nicht so gut, wird jetzt alles schlechter dargestellt, als es eigentlich ist. Das wissen sowohl die Leute beim BVB, als auch alle anderen, die ein bisschen Ahnung von Fußball haben. Mit dem Wissen, dass man auf einem ordentlichen Weg ist, sollte man weiterhin in Ruhe arbeiten. Ich werde die Daumen drücken und die Situation weiterhin verfolgen.
SPOX: Für Ihren aktuellen Verein läuft es dagegen hervorragend. Manchester City führt die Premier League überlegen an und ist bereits für das Achtelfinale der Champions League qualifiziert. Wer kann City noch aufhalten?
Gündogan: Da gibt es einige Mannschaften, aber am ehesten wir uns selbst. Für uns läuft es momentan fast schon zu gut. Vielleicht tut uns die Länderspielpause jetzt auch ganz gut, weil gerade die letzten Spiele ein bisschen enger waren als die Spiele zum Saisonstart - wobei man auch sagen muss, dass die Gegner stärker wurden. In der Länderspielpause müssen wir hoffen, dass möglichst alle Spieler gesund bleiben und danach geht es von vorne los. Im November, Dezember und Januar fängt die Saison in der Premier League erst so richtig an, dann stehen extrem viele Spiele an. Da müssen wir uns selbst und allen anderen beweisen, dass wir uns auf diesem Start nicht ausruhen, dass wir einen extrem guten Kader haben und mit einer Art und Weise Fußball spielen, die ihresgleichen sucht. Das ist unser Ziel und sollte auch unser Anspruch sein.
SPOX: Ihr Landsmann Leroy Sane hat sich zuletzt in die Startelf gespielt. Was zeichnet ihn aus?
Gündogan: Er hat sich sehr gut integriert und bringt sowohl auf dem Trainingsplatz, als auch außerhalb eine gewisse Lockerheit mit. Er ist sehr beeindruckend in die Saison gestartet und hat schon viele Tore und Assists gemacht. Dass er schnell ist, wussten wir schon vorher und jetzt merkt man auch, dass er spritzig ist. Er schafft es in seinem Spiel mittlerweile immer öfter, in einzelnen Situationen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das macht ihn in dieser Saison extrem gefährlich. Er ist einer der talentiertesten jungen Spieler, die ich momentan auf der Welt kenne. Auch wenn sein Potenzial noch riesig ist, hat er schon sehr viel gezeigt.
SPOX: Welche Rolle spielt Trainer Pep Guardiola bei Citys Erfolgslauf?
Gündogan: Pep hat sogar den größten Anteil daran. Er findet immer Lösungen, für jeden Gegner und jede einzelne Situation, und achtet sehr auf die Details. Das macht es uns leichter. Je besser wir das umsetzen können, desto erfolgreicher sind wir. Die Art und Weise wie wir Fußball spielen spricht für sich: Sehr attraktiv, sehr schnell, viele Tormöglichkeiten, viele Tore. Es macht momentan einfach sehr viel Spaß, uns zuzuschauen.
gettySPOX: Was hat sich im Vergleich zur nicht ganz so erfolgreichen Vorsaison geändert?
Gündogan: Vergangene Saison hatten wir auch schon viele Möglichkeiten, aber wir haben nicht ansatzweise so viele Tore geschossen. Jetzt sind wir viel torgefährlicher. Unsere Stürmer machen aus fast jeder Chance ein Tor und so ist es in Kombination mit unserem starken Passspiel und unserem Ballbesitzfußball leichter, die Gegner zu dominieren. Irgendwann muss der Gegner etwas unternehmen, und das führt dazu, dass wir noch mehr Räume haben, in die wir vorne reinstoßen können. Damit beherrschen wir die Gegner und holen unsere Punkte.