"Lila Blut in den Adern"

Kevin BublitzMark Heinemann
15. April 200918:19
Uwe Leonhardt (r.) feierte 2003 mit Erzgebirge Aue den Aufstieg in die 2. BundesligaGetty
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EXKLUSIV Uwe Leonhardt führt gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Helge ein weltweit erfolgreich agierendes Familienunternehmen, die Leonhardt Group. Vor 17 Jahren übernahm der Global Player das Präsidentenamt beim damals am Boden liegenden Traditionsklub FC Erzgebirge Aue - ehrenamtlich. Im Sommer ist nun Schluss.

Im SPOX-Interview spricht der Unternehmer über seine Beweggründe, neue Strukturen und die Bedeutung der Wirtschaftskrise für den Fußball.

SPOX: Herr Leonhardt, warum hören Sie gerade jetzt auf?

Uwe Leonhardt: Ich war 17 Jahre lang mit großer Leidenschaft Präsident und habe den Verein gemeinsam mit meinen Kollegen zu einem Statussymbol in der Region gemacht. Das alles ehrenamtlich. Es war damals richtig so, entspricht nun aber nicht mehr den neuzeitlichen Bedingungen für einen professionell geführten Fußballverein.

SPOX: Dann übernehmen Sie das Amt doch einfach hauptamtlich.

Leonhardt: Für die heutzutage geforderte Form der Präsidentschaft fehlt mir als Industrieller im Rahmen meiner globalen Tätigkeit einfach die Zeit. Ich möchte mir als Repräsentant des Vereins nicht vorwerfen lassen müssen, dass ich Entscheidungen getroffen habe, vielleicht sogar aus dem Ausland heraus, ohne zu wissen, was an der Basis los ist. Daher ist es überfällig und auch notwendig, dass wir reagieren.

SPOX: Wie sieht Ihre neue Rolle aus?

Leonhardt: Ich werde, wenn von der Mitgliederversammlung im Sommer gewünscht, im Aufsichtsrat, dem Verein auch weiterhin sehr eng zur Seite stehen. Im Vorstand sollen künftig hauptamtliche Kräfte sitzen, die dem Aufsichtsrat einen Rechenschaftsbericht vorlegen. So ist das in großen Aktiengesellschaften und so müssen auch gute Vereine geführt werden.

SPOX: Wie groß sind die Unterschiede zwischen der Leitung eines Fußballvereins und eines Unternehmens?

Leonhardt: Nicht groß, aber differenzierter. In Unternehmen kann man eventuell hierarchischer agieren. Die Einzelleitung spielt dort eine größere Rolle, besonders bei Familienunternehmen. Zudem stehen sie nicht so in der Öffentlichkeit und können Geschäfte letztendlich auch hinter den berühmten verschlossenen Türen machen, ohne dass sie nach außen getragen und dann teilweise zerredet werden.

SPOX: Finanzexperten prophezeien, dass auch der Fußball arg unter der Wirtschaftskrise zu leiden haben wird. Was sagen Sie dazu?

Leonhardt: Die Finanzkrise und die wirtschaftliche Rezession gab es so in Deutschland noch nicht. Dementsprechend fehlt die Erfahrung. Die Finanzindustrie als Hauptschlagader der Wirtschaft ist kollabiert. Die Wirtschaft leidet derzeit unter den Auftragsrückgängen, und dass sich die Finanzindustrie erst wieder konsolidieren muss. Das sind zwei Phänomene, durch die es zu Problemen kommen wird. Der Fußball wird Abstriche machen müssen, wo es nötig ist und zusehen, dass er neue Einnahmequellen erschließt.

SPOX: Was halten Sie von der 3. Liga auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten?

Leonhardt: Die 3. Liga ist ein extrem schwieriges Projekt. Die sportlichen Ansprüche der Spieler und des Umfeldes unterscheiden sich nicht großartig von der 2. Liga. Allerdings sind die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weitaus schlechter. Das hängt besonders damit zusammen, dass die Fernsehgelder in der 2. Liga um ein vielfaches höher sind. Das ist die Schere, die es zu überwinden gilt.

SPOX: Dem FC Erzgebirge geht es gut, was bei ostdeutschen Fußballvereinen nicht unbedingt an der Tagesordnung ist. Woran liegt das?

Leonhardt: Ich sage es jetzt mal so, als provinzieller Verein haben wir Nachteile, aber auch Vorteile. Ich sehe Vorteile in einer bodenständigen Fangemeinde, in einer nicht verschuldeten wirtschaftlichen Basis und einer unglaublichen Verbundenheit der hier lebenden und arbeitenden Menschen. Wichtig ist zudem eine konstante Führung über einen längeren Zeitraum.

SPOX: Wie muss diese Führung aussehen?

Leonhardt: Sie muss meiner Meinung nach mit einheimischen Leuten besetzt sein. Es klingt jetzt vielleicht komisch, aber bei uns sollten die Verantwortlichen lila Blut in den Adern und ihre Wurzeln im Erzgebirge haben. Wertigkeit und Kompetenz sind für mich Grundvoraussetzungen für den Erfolg. Zudem müssen einheimische Unternehmer, Politiker und gesellschaftliche Kräfte in verteilten Rollen dem Klub das notwendige Rüstzeug und Fundament zur Seite stellen.

SPOX: Sie haben die Mannschaft vor etwa drei Wochen stark unter Druck gesetzt. Wieso?

Leonhardt: Wir hatten nach dem Bremen-Spiel eine extreme Verunsicherung im Umfeld. Ich denke, dass der Chef auch mal eingreifen muss, wenn es nicht läuft. Wir haben jetzt eine kleine Serie geschafft, die dazu geführt hat, dass wir den gefühlten Klassenerhalt erreicht haben.

SPOX: Warum war es eigentlich nach Gerd Schädlich so schwierig, den richtigen Trainer für Aue zu finden?

Leonhardt: Gerd Schädlich warf das Handtuch im Dezember 2007. Wir standen in der 2. Liga auf einem Abstiegsplatz und die Angst ging um. Wir haben damals eine Auswahl getroffen, die am Anfang Früchte trug. Dann lud sich die Stimmung durch einige Ereignisse wieder negativ auf. Als die Ergebnisse ausblieben, mussten wir handeln und haben Heiko Weber geholt. Der Abstieg aus der 2. Liga hätte verhindert werden können. Die Ursache dafür lag aber nicht beim Trainer.

SPOX: Ist das Duo Weber/Schmitt nun die richtige Konstellation für Aue?

Leonhardt: Ich denke ja. Der Auftrag war ein Neuanfang im sportlichen Bereich. Dass es nicht einfach werden würde, wussten wir, zumal wir uns nach dem Abstieg wirtschaftlich erst wieder konsolidieren mussten. Aus der heutigen Sicht stehen wir zu unseren Entscheidungen. Es waren die richtigen und das Duo kann ordentlich weiter arbeiten.

SPOX: Es gab Gerüchte, dass Schädlich als sportlicher Leiter zurückgeholt werden soll. Ist da etwas dran?

Leonhardt: Es ist richtig, dass wir im Vorstand ein Hauptamt für den sportlichen Bereich schaffen wollen. Gerd Schädlich hat einen Vertrag in Chemnitz, den es zu respektieren gilt. Damit ist diese Personalie aus jetziger Sicht nicht möglich.

SPOX: Welche Entwicklungschancen sehen Sie für den FCE?

Leonhardt: Gute, wenn wir nicht unsere Grundphilosophie verlassen. Wir dürfen niemals nur auf rot oder schwarz setzen wie beim Roulette. Wir müssen nach wie vor wirtschaftlich und finanziell solide weiterarbeiten und dürfen uns nicht unter Druck setzen.

SPOX: Wann sehen wir Erzgebirge Aue wieder in der 2. Liga?

Leonhardt: Wir sollten jetzt erst einmal zusehen, dass wir in der 3. Liga Fuß fassen und die Möglichkeiten suchen, über kleine Schritte mittelfristig wieder in die 2. Liga aufzusteigen. Da spielen allerdings viele Komponenten hinein. Es ist aber nicht vermessen zu sagen, dass wir es sicher irgendwann wieder packen werden. Das werde ich noch erleben (lacht).

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