Der FC Bayern München hat die Verpflichtung von James Rodriguez offiziell verkündet. Der Kolumbianer kommt für zwei Jahre auf Leihbasis von Real Madrid. Anschließend hält der deutsche Rekordmeister eine Kaufoption. Ist James die versprochene Granate? Welche Auswirkungen hat die Verpflichtung auf das System und die einzelnen Spieler im Kader? SPOX beantwortet die wichtigsten Fragen zum Blockbuster-Deal.
Ist James Rodriguez die gewünschte Granate?
James war zuletzt bei Real Madrid nur zweite Wahl. Selbst in den Wochen, als Gareth Bale verletzt ausfiel, bekam Isco unter Zinedine Zidane den Vorzug, erster Einwechselspieler war in dieser Phase eher Marco Asensio. Die endgültige Demontage war das Champions-League-Finale gegen Juventus Turin, als es James nicht einmal in den 18er-Kader schaffte.
Und doch ist der Transfer ein Signal. Die technischen Anlagen, das Spielverständnis und der Abschluss des Kolumbianers sind auf höchstem Niveau.
Die Werte der letzten Jahre können sich - Stammplatz hin oder her - sehen lassen. So kam James in der vergangenen Saison in "nur" 33 Spielen auf 24 Scorerpunkte. In seiner stärksten ersten Real-Saison war er in 46 Pflichtspielen sogar an 35 Toren direkt beteiligt (17 Treffer, 18 Assists). Damals Trainer: Carlo Ancelotti.
Dass sich der Offensivspieler im Real-Starensemble zuletzt nicht durchsetzen konnte, verbrennt ihn für die Bayern nicht. Die Königlichen sind die europäische Übermannschaft der letzten Jahre und beschäftigen im Angriff mit das Beste, was es im Weltfußball gibt. Außerdem machten die Münchner in der Vergangenheit unter anderem bei Arjen Robben (Real) oder Thiago (Barcelona) sehr gute Erfahrungen mit Spielern, die bei Vereinen, die noch eine Stufe über ihnen stehen, keine große Rolle spielten.
Fakt ist: Mindestens in der öffentlichen Wahrnehmung ist James die in Aussicht gestellte "Granate". James kommt vom derzeit größten Verein der Welt, ist WM-Torschützenkönig 2014 und war zuletzt unter anderem bei Chelsea und Manchester United im Gespräch - für 70 Millionen Euro.
Entsprechend bringt der Deal nicht nur Ruhe in die national geführte Diskussion über die Transferaktivitäten des FC Bayern. Er hilft auch dabei, die Stellung der Münchner auf dem internationalen Transfermarkt zu festigen.
Mit den Konditionen, einen Spieler dieser Kategorie zwei Jahre "testen" zu dürfen, können die Bayern zudem nichts falsch machen. Sollten die kolportierten Summen stimmen, die Münchner für zwei Jahre 10 Millionen Euro Leihgebühr zahlen und zusätzlich eine Kaufoption in Höhe von 35,2 Millionen Euro halten, ist James das Schnäppchen des Jahres.
Wie könnte der FC Bayern München mit James Rodriguez spielen?
Die unter Pep Guardiola auf die Spitze getriebene Flexibilität war in der vergangenen Saison unter Carlo Ancelotti weitgehend verschwunden. Der Italiener schließt eine Formation mit Dreierkette grundsätzlich aus und hatte sich nach 4-3-3-Versuchen zu Beginn der Saison am Ende klar auf das 4-2-3-1 festgelegt.
Die Verpflichtung des Offensivallrounders James könnte wieder für etwas mehr Variabilität im Münchner Spiel sorgen und auch schon einen Vorgeschmack auf die Zeit nach Arjen Robben und Franck Ribery liefern.
Die Bayern stehen vor der Frage, wie sie die Post-Robbery-Ära spielstrategisch angehen und sie sich vom lange Jahre gepflegten Flügelfokus lösen. Denn zwei Flügelspieler, die Robben und Ribery eins zu eins ersetzen, wird es nicht geben und gibt der Markt auch für angemessene Summen nicht her.
James hat bei Real unter Ancelotti im 4-3-3 schon auf einer Halbposition im Mittelfeld gespielt, er könnte aber auch eine Position weiter vorne auf der Außenbahn agieren und selbst der von Ancelotti beim AC Milan eingeführte Tannenbaum oder Weihnachtsbaum wäre zukünftig eine Option. Ancelotti hat dieser 4-3-2-1-Formation sogar ein eigenes Buch gewidmet: "Il mio albero di Natale" (Mein Weihnachtsbaum).
Eine Doppelzehn James/Thiago hinter der Spitze Robert Lewandowski und vor einem starken Dreier-Mittelfeld mit spielerischen, läuferischen und kämpferischen Fähigkeiten (Rudy, Tolisso, Vidal) wäre eine deutliche Alternative zum Flügelfokus mit Ribery und Robben.
Beim Champions-League-Sieg 2007 vertraute Ancelotti dem Duo Seedorf/Kaka hinter Inzaghi, angetrieben von Pirlo, Gattuso und Ambrosini im Mittelfeld.
Was bedeutet der James-Deal für die Zukunft von Serge Gnabry?
Am Montag überraschte Karl-Heinz Rummenigge, als er Gnabrys Wunsch auf eine Ausleihe öffentlich machte. Diese Ankündigung kam nicht weniger überraschend als der Transfervollzug vor einem Monat.
Wohin Gnabry gerne wechseln würde, hat Rummenigge nicht gesagt. Werder Bremens Sportdirektor schob einer Rückkehr aber schon mal einen Riegel vor und grenzte gleichzeitig den Kandidatenkreis ein: "Serge hat uns verlassen, um international zu spielen. Er kommt also nicht zurück."
Neben den Bayern spielen RB Leipzig, Borussia Dortmund, 1899 Hoffenheim, der 1. FC Köln, Hertha BSC und der SC Freiburg in Europa.
Nach SPOX-Informationen hat sich Gnabry aber auf Hoffenheim als Wunschziel festgelegt. Die Aussicht, sich unter dem in der Branche schon längst als Fachmann und Talentförderer geschätzten und gefeierten Julian Nagelsmann weiterzuentwickeln, würde ihm gefallen. Unabhängig davon, ob sich 1899 über die Playoffs für die Champions League qualifiziert oder "nur" in der Europa League spielt.
Gnabry sieht seine Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen und hat mit Renato Sanches aus der vergangenen Saison ein warnendes Beispiel. Beim FC Bayern sind die Anforderungen andere, ein Spieler muss sofort Leistung bringen und es wird weniger Zeit in die Entwicklung des Einzelnen gesteckt.
Auch wenn ein Jahr Anlaufzeit und die Aussicht auf Trainingseinheiten mit Spielern wie Franck Ribery und Arjen Robben, deren Verträge am Ende der Saison 2018 auslaufen, seinen Reiz haben, hält Gnabry den Umweg über Hoffenheim für den sichereren, besseren Schritt.
Klar ist: Nach dem James-Transfer ist der Weg für Gnabrys Leihe nach Hoffenheim frei.
Wie wirkt sich die James-Verpflichtung auf Thomas Müller aus?
Dass es für den deutschen Nationalspieler nach der durchwachsenen letzten Saison schwierig werden wird, sich wieder in die erste Elf zurück zu kämpfen, war auch ohne weiteren Neuzugang klar.
"Er wird eine stärkere Saison hinlegen müssen. Die Konkurrenz auch auf seinen Positionen ist stark", erhöhte der Vorstandsvorsitzende Rummenigge zuletzt den Druck auf Müller.
Mit der James-Verpflichtung dürfte sich die Situation für Müller noch düsterer darstellen. Der Kolumbianer bringt ein ähnliches Positionsprofil mit, kann auf der Zehn, als hängende Spitze und auch auf den offensiven Außen spielen.
Außerdem hat der Kolumbianer wohl einen Bonus: "Die Verpflichtung von James Rodríguez war der große Wunsch unseres Trainers Carlo Ancelotti, nachdem beide bereits in Madrid erfolgreich zusammengearbeitet hatten", begründete Rummenige den Transfer in der offiziellen Pressemitteilung der Bayern.
Die Rolle von Müller dürfte in der kommenden Saison jedenfalls zum Politikum werden. Er ist eines der großen Aushängeschilder des Kaders, von seinem Anspruch und der öffentlichen Wahrnehmung ein Führungsspieler und zudem der letzte verbliebene Bayer im Kader.
Sollte er tatsächlich erneut kein Stammspieler sein, ist davon auszugehen, dass das Thema schnell hochkochen und die Bayern beschäftigen wird.
Ist die Transferplanung des FC Bayern damit abgeschlossen?
Rummenigge hat am Montag seinen obligatorischen Satz gesagt, den er in jeder Transferperiode zum Besten gibt: "Der Transfermarkt ist noch über sechs Wochen auf. Ich habe immer gesagt, dass wir uns bis zum letzten Tag alle Optionen offen halten. Wir werden die Dinge weiterhin intern diskutieren. Alles was ich hier kundgeben würde, wäre kontraproduktiv."
Nach dem James-Transfer dürfte sich die Personalie Alexis Sanchez aber erledigt haben, sonst wird das Angebot in der Offensive zu groß und die Aufgabe für Ancelotti, alle bei Laune zu halten, zu schwer.
Mit den bevorstehenden Wechseln von Gnabry und Douglas Costa hätten die Münchner aber nur noch 19 gestandene Feldspieler im Kader. Dazu stehen die Bayern auch einem Abgang von Renato Sanches aufgeschlossen gegenüber. Es ist also nicht davon auszugehen, dass die Bayern auf dem Transfermarkt schon fertig sind.
Die Personalie Leon Goretzka werden die Bayern nicht zu den Akten legen, ob der Transfer jedoch schon in diesem Sommer realisiert werden kann, ist fraglich. Außerdem fehlt noch immer der angekündigte Ersatz für Lewandowski. Denn als Mittelstürmer ist James anders als Alexis nicht einsetzbar.