Johannes Geis entwickelte sich in nur einem Jahr vom Regionalligaspieler zum Leistungsträger bei Mainz 05, das am Freitagabend Hannover 96 empfängt (20.15 Uhr im LIVE-TICKER). Sein anfangs beschwerlicher Weg nimmt traumhafte Züge an, doch der 20-Jährige weiß, dass es schnell wieder bergab gehen kann.
In der Saison 2012/13 gab es für die Fans der SpVgg Greuther Fürth nicht besonders viel zu feiern. In einer Spielzeit, in der man als abgeschlagener Tabellenletzter aus der Bundesliga absteigt, muss man sich folgerichtig an den kleineren Dingen des Lebens erfreuen. Zum Beispiel an einem Derbysieg gegen den Rivalen aus Nürnberg.
Dementsprechend war den Fürthern am 30. Spieltag der Blick auf die Tabelle herzlich egal, nachdem sich ein damals unbekannter Jungspund für immer einen Platz in den Herzen der Fans sichern konnte.
In der 27. Spielminute schnappte sich Johannes Geis den Ball im Mittelfeld und preschte nach vorne. Kein Verteidiger des Clubs attackierte ihn und so erzielte Geis mit einem Fernschuss in den linken Winkel den Siegtreffer - Jubel, Ekstase, Derbyheld.
Im Eiltempo bergauf
In diesem Moment vergaß der gefeierte Torschütze seinen beschwerlichen Weg in den Spitzenfußball. Seit 2008 spielte der damals 19-Jährige in Fürth, konnte sich unter Trainer Mike Büskens jedoch nicht durchsetzen und musste sich in der Regionalliga verdingen.
Als Büskens im Februar 2013 entlassen wurde, ging es für Geis im Eiltempo bergauf. Interimscoach Ludwig Preis sorgte in seiner ersten Partie als Chef gleich für eine Überraschung, als er Geis in die Startelf und damit ins kalte Wasser schmiss. Aber Preis wusste, was er tat, er kannte Geis ja aus dem Regionalligateam.
Geis lief in acht Bundesliga-Partien für die Kleeblätter auf. Nur wenige Jung-Profis können sich in einer so kurzen Zeit bei einem Absteiger in der Bundesliga profilieren, der Schweinfurter gehörte aber auf einen Schlag zu den interessantesten Youngstern in Deutschland.
Furiose Entwicklung
Dementsprechend begehrt war er im Sommer, schließlich sicherten sich die Mainzer das Talent - angeblich für eine Ablösesumme von ungefähr 900.000 Euro.
Und schon in der Vorbereitung machte Geis klar, welche Qualitäten er besitzt, und überzeugte auch den als sehr anspruchsvoll bekannten Thomas Tuchel: "Er hat offene Augen und Ohren, hat sich schnell angepasst - wir werden ihn nicht bremsen."
Warum auch? Geis kam in der laufenden Saison in allen Partien der Mainzer zum Einsatz, stand in 18 der 20 Spiele in der Startelf und setzte seine furiose Entwicklung fort.
Sechser mit Leib und Seele
Zunächst profitierte er dabei von der Verletzung von Julian Baumgartlinger, die ihm erst die Position im zentralen Mittelfeld verschaffte. Mittlerweile hat er sich durchgesetzt, wird von Tuchel nicht in Frage gestellt und schaffte sogar den Sprung in die U-21-Nationalmannschaft.
Als Abräumer vor der Abwehr überzeugte Geis mit seiner abgezockten Spielweise, seinem starken Überblick und seiner unglaublichen Ruhe am Ball. Ebenfalls beeindruckend: Seine Konstanz und seine guten Standards.
"Ich habe schon früh gemerkt, dass das eine besondere Qualität von mir ist", sagt Geis. "Da man immer sieht, bei WM-Spielen oder in der Champions League, wie wichtig und entscheidend Standards sein können, habe ich sehr früh viel daran gearbeitet."
Geis als Quarterback
Geis hat sich schnell zum Dreh- und Angelpunkt des Mainzer Spiels entwickelt. Trotz seines jungen Alters ist er derjenige, der das Spiel leitet, der auf dem Feld die Anweisungen gibt. Einer, der bisher in jeder Situation einen starken Überblick bewiesen hat, der eine bemerkenswerte Ruhe am Ball ausstrahlt und mit seinen starken Pässen seine Mitspieler besser macht. Oder kurz: Johannes Geis ist der Quarterback von Mainz 05.
Trotz des gestiegenen Interesses an seiner Person, ist er auf dem Boden geblieben. "Das ist mein Naturell. Ich bin eher ein ruhiger Typ, kein Draufgänger", sagt Geis. Sein Charakter hat ihm auf dem Weg zum geschätzten Bundesliga-Youngster geholfen. "Er ist selbstbewusst, bescheiden und fleißig - Geisi hebt nicht ab und wir sorgen dafür, dass er so bleibt, wie er ist", versichert Tuchel.
"Es kann schnell bergab gehen"
Vielleicht war der Umweg über die Regionalliga das Beste, was dem Youngster in seiner jungen Karriere passieren konnte. Diese Erfahrung hat ihn geerdet, ihn reifen lassen und vor allem konnte er sich der Schnelllebigkeit des modernen Fußball-Geschäfts bewusst werden.
"Es wäre ein großer Fehler zu denken, dass man mit ein paar Bundesliga-Spielen etwas erreicht hat, das ist die völlig falsche Idee. Ich habe in Fürth am eigenen Leib erfahren, dass es schnell bergab gehen kann", sagt Geis.
Ein Jahr, nachdem er gegen 1860 Rosenheim, Eintracht Bamberg und den TSV Rain/Lech antreten musste, misst er sein Können jetzt mit den Stars von Bayern München und Borussia Dortmund. Vom einfachen Derby-Helden entwickelt er sich zu einem Leistungsträger in der Bundesliga. Wenn es in diesem Tempo weitergeht, hat Johannes Geis eine glorreiche Zukunft vor sich.
Johannes Geis im Steckbrief