Alle sind sich einig: Jürgen Klopp und Liverpool, das passt. Aber warum eigentlich? Sind die Reds nicht doch nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu noch größeren Aufgaben? Und hat Klopp in England noch mehr als seinen Ruf zu verteidigen? Drei Redakteure, drei Blickwinkel.
Kloppo gegen die Käse-Hypothek
Von Andreas Lehner
Manchester United wird von einem Niederländer trainiert, Manchester City von einem Chilenen, der FC Chelsea von einem Portugiesen und der FC Arsenal von einem Franzosen. Der Trainermarkt in England ist schon lange ein Who is Who der internationalen Trainergilde. Die Deutschen haben in der Premier League aber noch keine große Rolle gespielt.
Felix Magath durfte sich als Erster in diesem Umfeld probieren. Er galt mit seiner langjährigen Erfahrung als Trainer und Manager als gut geeignet für das englische Modell. Geblieben sind der Spitzname Saddam und die von Magath mehrmals dementierte Geschichte, wonach er einem Spieler geraten haben soll, die Verletzung mit einem Stück Käse zu kurieren.
Magath hat in Deutschland als Trainer drei Meistertitel gewonnen und wurde in England schnell zur Witzfigur gemacht. Jürgen Klopp kommt mit zwei Meistertiteln aber einem ganz anderen Standing auf die Insel - und zu einem Klub mit ganz anderem Potenzial und ganz anderen Ambitionen.
Kloppo, wie ihn auch die Engländer schon nennen, wird von der Yellow Press gar als Heilsbringer an der Anfield Road gefeiert. Nicht schlecht, aber bei der englischen Presse auch eine gewaltige Fallhöhe.
Klopp muss in Liverpool neben seinem eigenen Ruf auch den der deutschen Fußballlehrer im Allgemeinen verteidigen. Nach dem Magath-Desaster wäre es nicht gut, wenn auch der aktuell am höchsten gehandelte deutsche Trainer in der Premier League nicht funktionieren sollte. Immerhin ist der DFB mächtig stolz auf sein System, das in der Ausbildung als weltweit führend gilt, aber vor Klopp schon lange keinen internationalen Top-Trainer mehr hervorgebracht hat.
Eine dauerhafte Rückkehr des FC Liverpool an die Spitze des englischen Fußballs wäre daher mehr als eine persönliche Bestätigung für Klopp. Es würde auch dem deutschen Trainerwesen einen deutlichen Schub verleihen.
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Einmal Pöhler, (fast) immer Pöhler
Von Benedikt Treuer
Jürgen Klopp ist generell ein Typ, der improvisieren kann. Einer der Lösungen findet, wenn etwas nicht passt. Denn was nicht passt, wird passend gemacht. Drum gibt es wohl wenige Vereine, denen man in Bezug auf Klopp per se eine Untauglichkeit bescheinigen würde.
Und doch gibt es die Klubs, die besser zu ihm passen - die auf Klopp zugeschnitten sind: Dazu gehörte der BVB und in diese Reihe fallen auch Vereine wie Atletico Madrid oder eben der FC Liverpool. Es sind Klubs, die Emotionen leben, deren Normen sich nicht ausschließlich auf Finanzen und Titel reduzieren lassen, deren Fans harte Arbeit und Leidenschaft mehr schätzen als einen erzwungenen 1:0-Sieg, bei dem die Handschrift des Trainers keine ist. Orte mit Ambitionen zwar, aber an denen Fußball noch gelebt wird.
Klopp strotzt noch vor Energie. Er war schon immer ein Trainer, der an der Seitenlinie exzentrisch mitfieberte und dabei authentisch wirkte. Denn das ist er, Jürgen Klopp, fußballverrückt. Der gebürtige Stuttgarter und Ur-Mainzer verstellt sich nicht und mag es auch nicht, in seiner Arbeit beschränkt zu werden. Er braucht den Platz, sich auszutoben und das Vertrauen, er selbst sein zu dürfen.
Dass er dabei in den Fokus rückt und zur begehrten Medienfigur wird, stört ihn nicht - im Gegenteil: Klopp genießt die Aufmerksamkeit, ist ein Entertainer und stellt sich gerne dem Dialog. Man muss ihn nur machen lassen.
Genau deshalb hat er sich nun für Liverpool entschieden ("ein absolut geiler Verein") und gegen die ganz großen Namen Barcelona oder Real Madrid, deren Interesse wohl auch mehr Rückgrat hatte, als ein wildes Gerücht. Der übertriebene Glamour ist aber (noch) nicht seine Welt. Dort würde er seiner Authentizität beraubt. Er hätte ständig den Drang, aus der Etikette auszubrechen.
Den großen Glanz will er sich lieber selbst erarbeiten - ehrlich und ohne Vorsprung vor der Konkurrenz. In Liverpool schafft er sich seine nächste große Herausforderung, mit einem Kader, der mehr braucht als nur eine Aufstellung an der Taktiktafel. Genau da liegen Klopps Stärken. Er ist einfach ein Pöhler - und wird das auch (vorerst) bleiben.
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Klopp nur auf Durchreise in Liverpool
Von Thomas Gaber
Jürgen Klopp wird mir zu oft zu sehr auf sein Image als Motivator und Entertainer reduziert. Mich kitzelt nicht die Vorstellung, wie Klopp vor The Kop steht und sich wild auf die Brust trommelt. Wie er bei "You'll never walk alone" feuchte Augen bekommt.
Mich würde eher interessieren, wie er mit absoluten Superstars umgeht. Ob und wie er es schafft, einen absoluten Topverein noch ein Stück besser zu machen. Es ist weitaus schwieriger, aus Real Madrid oder Bayern München ein noch besseres Real Madrid oder ein noch besseres Bayern München zu machen, als aus einem schwachen FC Liverpool einen guten FC Liverpool.
Jürgen Klopp hat bei Borussia Dortmund innerhalb von vier Jahren aus einer mittelmäßigen Bundesliga-Mannschaft ein europäisches Topteam geformt. Der bedingungslose Vollgas-Fußball brachte dem BVB drei nationale Titel ein; zudem war Schwarz-Gelb an einem der besten Champions-League-Finals aller Zeiten beteiligt. Das hat Dortmund nicht geschafft, weil Klopp motivieren kann. Und auch nicht, weil er so kumpelhaft daherkommt. Sondern weil Klopp auch fachlich enorm viel drauf hat.
Klopp wird mit Liverpool Erfolg haben. Die Reds mögen in seinen Karriereplan derzeit auch gut reinpassen und sind auch kein Rückschritt nach der Demission in Dortmund. Aber Klopp ist zu Höherem berufen. Real Madrid, FC Barcelona, FC Bayern - da gehört er hin. Die Stellen sind derzeit besetzt und daran wird sich womöglich so schnell auch nichts ändern. Für mich stellt Liverpool aber nur eine Zwischenstation auf Klopps Trainerweg dar.
Die Behauptungen so mancher Experten, Klopp passe aufgrund seiner Art nicht zu den Glamour-Klubs wie Real oder Bayern, halte ich für ziemlich kurzsichtig. Was qualifiziert einen Trainer in erster Linie für einen Job bei den besten Klubs der Welt? Fachliche Kompetenz und die Gabe, die besten Spieler der Welt bei Laune zu halten. Warum sollte das Jürgen Klopp nicht gelingen?
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Jürgen Klopp im Steckbrief
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