Sechs Jahre spielte Kevin Großkreutz für Borussia Dortmund, wurde zum Helden und Sprachrohr der BVB-Ahänger. Im Sommer wechselte er zu Galatasaray - und das nicht ohne Nebengeräusche. SPOX traf Großkreutz in seiner neuen Heimat Istanbul. Im Interview spricht er über seinen schwierigen Abschied, seine unfreiwillige Pause und türkischen Tee mit Lukas Podolski.
SPOX: Herr Großkreutz, Ihr Instagram-Profil verzeichnet seit Ihrem Wechsel zu Galatasaray einen Rekordzuwachs. Wie können Sie da noch den Durchblick behalten?
Kevin Großkreutz: Die Galatasaray-Fans machen ganz schön Alarm. Ich möchte mich dafür bedanken, wie sie mich in dieser Phase unterstützen und mir Halt geben, weil ich nicht spielen kann. Gerade bei Instagram ist die Unterstützung sehr groß, das stimmt.
SPOX: Galatasaray gehört bei Twitter, Facebook und Instagram jeweils weltweit zu den Top-Klubs. Wie nehmen Sie generell die Unterstützung der Anhänger wahr?
Großkreutz: Das ist der reinste Wahnsinn! Galatasaray-Fans gibt es einfach überall auf der Welt. Wir hatten neulich ein Freundschaftsspiel während der Woche. Was da für eine Stimmung herrschte, war einfach unglaublich. Das habe ich noch nie erlebt. Ich freue mich, wenn ich endlich auf dem Platz stehen darf, um diese Stimmung dann auch selbst zu genießen.
SPOX: Große Fangemeinde, sehr innige Bindung zum Klub, viele Emotionen - erkennen Sie Parallelen zu Borussia Dortmund?
Großkreutz: Das kann man auf jeden Fall vergleichen. Es sind vor allem die Emotionen beider Fangemeinden, die den Unterschied zu vielen anderen Klubs auf der Welt machen. Ich würde behaupten, dass das auf der Welt eine Seltenheit ist, auch wenn es viele Klubs mit toller Unterstützung gibt. Aber in Dortmund und hier bei Galatasaray explodiert es jedes Mal.
SPOX: Spielte dieser Fakt beim Vereinswechsel eine Rolle? Ist es Ihnen wichtig, bei einem Klub mit derartiger Unterstützung zu spielen?
Großkreutz: Ich bin schon immer sehr offen zu den Fans gewesen. Diese direkte Bindung ist mir sehr wichtig und ich lebe sie. Es ist vielleicht nicht der Hauptgrund, einen Verein zu wechseln. Die Fankultur ist mir jedenfalls nicht unwichtig. Von daher bin ich froh, dass ich bei Galatasaray bin und diese Bindung wie in Dortmund herstellen kann.
SPOX: Noch sitzen Sie hinter der Trainerbank im Stadion. Wissen Sie schon, welche Rolle Sie bei Galatasaray künftig einnehmen werden?
Großkreutz: Natürlich gab es schon Gespräche mit dem Trainer. Meine Rolle wird sich ergeben, wenn ich dann auch spielen darf. In den ersten Testspielen bin ich auf verschiedenen Positionen zum Einsatz gekommen. Es wird für mich sehr wichtig sein, meine Dankbarkeit an die Fans auf dem Platz mit Leistung zurückzugeben.
SPOX: Wie groß ist die Sehnsucht nach Dortmund?
Großkreutz: Ich werde immer Dortmunder sein. Das ist kein Geheimnis. Ich bin Fan von diesem Verein! Ich freue mich jedes Mal, wenn der BVB gewinnt. Aber jetzt bin ich Spieler von Galatasaray und konzentriere mich auf das Hier und Jetzt.
SPOX: Es gibt bei Galatasaray ja eine kleine BVB-Clique bestehend aus Koray Günter, Yasin Öztekin und Ihnen. Das türkische Fernsehen zeigt jedes Spiel der Borussia. Die TV-Abende stehen also schon?
Großkreutz: Das ergibt sich bestimmt noch. (lacht) Die ganze Mannschaft hat mich super aufgenommen, wir verstehen uns untereinander sehr gut. In der Mannschaft sprechen viele Spieler sehr gutes Deutsch, das hat mir vieles erleichtert. Es ist aber nicht so, dass ich hier nur mit Lukas Podolski und den Spielern aus Deutschland Kontakt habe. Auch zu allen anderen habe ich einen sehr guten Draht. Gerade in der Situation, in der ich mich befinde, ist das natürlich hilfreich.
spoxSPOX: Ihr Wechsel zog sich enorm in die Länge. Sie dürfen sechs Monate nicht für Gala spielen, weil es zu Unregelmäßigkeiten beim Transfervorgang kam. Wie haben Sie diese Stunden damals erlebt?
Großkreutz: Es war zunächst eine große Enttäuschung. Ich war einfach nur traurig, zumal ich auch nicht sofort mitbekam, dass es Probleme gab. Doch was bleibt mir anderes übrig, als den Kopf oben zu halten, hart zu trainieren und auf den Tag zu warten, an dem ich wieder spielen darf?
SPOX: Sie hätten die Möglichkeit gehabt, aus dem Vertrag auszusteigen. Das zogen Sie aber nicht in Erwägung. Wieso nicht?
Großkreutz: Ich habe sofort gesagt, dass ich hier bleibe. Ich will die Zeit nutzen, die Menschen und die Mannschaft kennenzulernen und zu helfen, auch wenn ich nicht spielen kann. Ich will topfit sein, wenn es wieder losgeht. Ich trainiere jeden Tag mit der Mannschaft. Ab und zu fliege ich noch zur Familie nach Dortmund, weil auch der Verein der Meinung ist, dass mir das gut tut.
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SPOX: Die Entscheidung, Borussia Dortmund zu verlassen, war sicherlich auch keine einfache. Wann ist sie gereift?
Großkreutz: Als ich vom Verein Zeichen bekam - und ich meine Zeichen, keine Worte. Mir wurde nicht explizit gesagt, dass ich den Verein verlassen soll. Es sind einige Dinge schief gelaufen und deswegen bin ich auch von mir aus gegangen.
SPOX: Man hört Enttäuschung heraus.
Großkreutz: Ich habe für den BVB jahrelang alles gegeben. Mit einem verdienten Spieler so umzugehen, ist nicht schön. Ich werde den Verein immer in meinem Herzen tragen, aber ich musste diese Entscheidung so treffen.
SPOX: Dabei gab es kurz nach der Verpflichtung von Thomas Tuchel ein Gespräch zwischen Ihnen beiden. Gab es damals schon diese Zeichen, von denen Sie gerade gesprochen haben?
Großkreutz: Ich hatte eigentlich immer das Gefühl, dass es ein gutes Gespräch war. Daher war ich ehrlich gesagt auch überrascht, wie das letztlich lief. Es war nicht schön, wie mit mir hinterher umgegangen wurde.
Großkreutz: Man sprach nicht mehr mit mir. Ich bin zum Training gekommen und hatte das Gefühl, hier gar nicht gebraucht zu werden.
SPOX: Sie haben sich via Instagram kritisch über manche Entwicklungen beim BVB geäußert und dann eine heftige Reaktion aus Dortmund erfahren. Wie haben Sie das aufgenommen?
Großkreutz: Es war enttäuschend, dass man persönlich wurde. Ich hatte als Fan gesprochen und nicht mehr als Spieler. Ich habe ausgedrückt, was die Fans und ich denken. Damit habe ich keine Person im Verein kritisiert. Das habe ich noch nie getan und werde ich auch nie tun.
SPOX: Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke meinte, Sie wären nie zu ihm gekommen und hätten diese Bedenken geäußert.
Großkreutz: Dann hätte ich auch sofort einen Anschiss oder gar eine Strafe bekommen. Ich habe nicht Herrn Watzke oder Herrn Zorc kritisiert. Jeder Fan sollte seine Meinung äußern dürfen und genau das habe ich getan. Ich bin nicht mehr Spieler des Vereins, aber als Fan bin ich geblieben.
SPOX: Von den Anhängern bekamen Sie große Unterstützung für Ihre Aussagen. Dort ist Ihre Message angekommen.
Großkreutz: Ich kenne viele Leute auf der Südtribüne, die genauso denken. Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass der BVB so bleiben soll, wie er ist und nicht wie andere Vereine werden sollte.
SPOX: Auch Jürgen Klopp hat Dortmund verlassen. Haben Sie Ihm zu seinem Wechsel nach Liverpool schon gratuliert?
Großkreutz: Klar, sofort. Er hat mich nach meinem Wechsel beglückwünscht und gesagt, dass ich hierher passe und mit dem emotionalen Umfeld die richtige Wahl getroffen habe. Er hat mir auch mit auf den Weg gegeben, die Geduld zu bewahren und hart an mir zu arbeiten. Das tat natürlich gut. Liverpool steht für Emotionen und Leidenschaft - genau wie er. Jürgen Klopp ist ein Freund geworden. Unsere beiden Familien sind freundschaftlich zusammengewachsen. Wir haben gemeinsam große Erfolge gefeiert, viele Höhen und Tiefen erlebt. Wir stehen in ständigem Kontakt.
SPOX: Dasselbe gilt wohl auch für Lukas Podolski und Sie. Poldi trinkt Cay, den türkischen Tee, bis zum Abwinken. Hat er Sie damit schon infiziert?
Großkreutz: Absolut. So viel Tee wie hier habe ich in meinem Leben noch nicht getrunken. (lacht)
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