DFB-Team - Kevin Volland im Interview: "Der Trainer wollte einen offensiven Linksverteidiger"

Kerry Hau
18. Juni 202109:00
Kevin Volland kam bei der bisherigen EM nur auf einen Kurzeinsatz unter Joachim Löw.imago
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Kevin Volland spielt sein erstes großes Turnier mit der deutschen Nationalmannschaft. Gerechnet hatte der 28 Jahre alte Angreifer der AS Monaco vor wenigen Monaten damit nicht, sein Familienurlaub am Gardasee war bereits geplant. Im Interview mit SPOX und Goal verrät er, warum seine Großmutter nach dem Anruf von Joachim Löw "ein bisschen traurig" war und er selbst verwundert auf die Nominierung reagierte.

Außerdem spricht der frühere Bundesliga-Stürmer von Bayer Leverkusen und der TSG Hoffenheim über die Idee des Bundestrainers, ihn beim Auftaktspiel gegen Frankreich als Linksverteidiger einzuwechseln, und die Lage vor dem richtungsweisenden Duell mit Portugal (Samstag, 18 Uhr, im LIVETICKER).

Herr Volland, die deutsche Mannschaft ist mit einer Niederlage in die EM gestartet. Wie bewerten Sie den Auftritt gegen Frankreich?

Kevin Volland: Es ist ärgerlich, dass wir das Spiel verloren haben, weil wir insgesamt einen ordentlichen Auftritt hingelegt haben. Wir hätten sicherlich die eine oder andere Situation besser ausspielen können, daran müssen wir arbeiten. Aber: Die Stimmung ist gut und wir sind jetzt heiß aufs nächste Spiel.

Können Sie erklären, warum Joachim Löw Sie in den Schlussminuten als Linksverteidiger aufbot?

Volland: Das war ja nur für ein paar Minuten, das Spiel war ohnehin fast zu Ende. Der Trainer wollte einen offensiven Linksverteidiger bringen. Als Spieler nimmst du das selbstverständlich an und versuchst, dein Bestes zu geben, auch wenn es nicht deine Hauptposition ist. Ich ärgere mich, dass ich die eine oder andere Flanke am Ende noch verholzt habe. Aber auch das gehört zum Fußball dazu.

Ärgert es Sie, dass Sie erst nach 87 Minuten eingewechselt wurden?

Volland: Nein, es war ein Einsatz bei einer EM und darüber freue ich mich. Lieber spiele ich ein bisschen als gar nicht. Es ist mein Job, mich anzubieten und alles reinzuwerfen, wenn ich die Chance kriege.

DFB-Team: Volland von EM-Nominierung überrascht

Sie wurden fast fünf Jahre nicht zur Nationalmannschaft eingeladen, obwohl Sie auch in Leverkusen regelmäßig Ihre Leistung gebracht haben. Zweifelt man in so einer Zeit auch an sich selbst?

Volland: Hätte ich Selbstzweifel gehabt, hätte ich nicht Jahr für Jahr meine Tore geschossen. Für mich war es unabhängig von der Nationalmannschaft immer wichtig, meine Leistung zu bringen.

Wie haben Sie auf Ihre EM-Nominierung reagiert?

Volland: Ich war ehrlich gesagt schon ein bisschen überrascht, weil ich so lange nicht dabei war, und auch ein bisschen aufgeregt, als der Bundestrainer mich um einen Rückruf gebeten hat.

Sie sind bei Löws erstem Anruf gar nicht drangegangen?

Volland: Mein Handy war im Flugmodus, ich saß im Flieger nach Paris. Nach der Landung habe ich erst die Nachricht des Bundestrainers gesehen und mich dann zurückgemeldet. Ich war extrem glücklich, als er mich informiert hat, dass ich dabei bin.

Ihre Oma aus dem Allgäu hat sich nach Ihrer Nominierung Sorgen gemacht, weil Sie den geplanten Familienurlaub am Gardasee wieder absagen mussten und stattdessen nun bei der EM spielen. Sie hätte den Urlaub vorgezogen, meinte sie ...

Volland: Sie hat es gar nicht so gemeint. (lacht) Ich war noch kurz daheim, bevor es zur Nationalmannschaft ging. Sie war ein bisschen traurig, dass ich jetzt möglicherweise wegen der EM nicht mehr nach Hause komme. Aber meine Oma ist natürlich sehr glücklich und auch stolz, dass ich für Deutschland spiele. Und den Urlaub kriegen wir danach trotzdem noch hin.

DFB-Team: Havertz "auf dem Boden geblieben"

Wie sind Sie von Ihren Kollegen in der Nationalmannschaft aufgenommen worden?

Volland: Sehr gut, ich kannte die meisten ja schon von der U21 und durch meine Zeit in der Bundesliga. Die Atmosphäre im Team ist sehr angenehm, es gibt keine Grüppchenbildung, wir machen auch abseits des Platzes viel miteinander. Das ist ein gutes Zeichen, zumal im Training immer Zug drin ist und jeder von uns Bock hat, erfolgreich zu sein. All das stimmt mich optimistisch, dass wir weit kommen.

Mit wem verstehen Sie sich am besten?

Volland: Wenn ich jemanden herausnehmen müsste, dann sicher Kai Havertz, Jonas Hofmann und Christian Günter. Wir kennen uns schon lange, haben einen sehr guten Draht zueinander und einen ähnlichen Humor. Ich muss aber sagen, dass ich mich durch die Bank mit jedem super verstehe.

Was zeichnet Havertz aus?

Volland: Kai ist ein super Junge, der sich nie verändert hat und immer auf dem Boden geblieben ist. Unser Kontakt ist auch nach seinem Wechsel zu Chelsea und meinem Wechsel zu Monaco nicht abgerissen. Über seine fußballerischen Fähigkeiten brauchen wir nicht zu reden.

Kevin Volland im Steckbrief

Geburtstag30. Juli 1992
GeburtsortMarktoberdorf
PositionSturm
Starker FußLinks
ProfistationenTSV 1860 München, TSG Hoffenheim, Bayer Leverkusen, AS Monaco

Stichwort Monaco. Gab es vergangenen Sommer eigentlich noch andere Interessenten?

Volland: Ich habe mich relativ früh auf Monaco festgelegt, weil das Gesamtpaket für mich einfach gestimmt hat. Da wäre bestimmt noch das eine oder andere Angebot reingeflattert, weil ich nur noch ein Jahr Vertrag in Leverkusen hatte. Aber es war aus sportlicher Sicht definitiv genau der richtige Schritt für mich. Außerdem lässt es sich in Monaco sehr gut leben. Meine Familie fühlt sich dort ebenfalls sehr wohl.

Eine Bundesliga-Rückkehr kommt für Sie also erstmal nicht in Frage?

Volland: Nein, daran verschwende ich aktuell keine Gedanken, ich bin bei der Nationalmannschaft und die Europameisterschaft läuft. Ich habe ja auch noch drei Jahre Vertrag in Monaco.

Wie kommen Sie mit Niko Kovac klar?

Volland: Niko Kovac ist ein Top-Trainer. Wir haben sehr viel Detailarbeit betrieben und im physischen Bereich hart geackert. Auch abseits des Platzes ist er ein super Typ, der immer ein offenes Ohr hat. Wir hatten neben dem sportlichen Erfolg auch eine sehr gute Zeit mit dem ganzen Trainerteam.

DFB-Team: Volland spricht über seine Kindheitshelden

In der französischen Liga geht es ähnlich robust zu wie in der Bundesliga. Welcher Verteidiger hat es Ihnen in Ihrer ersten Saison am schwersten gemacht?

Volland: Da gab es einige unangenehme Gegenspieler, zum Beispiel Marcelo von Olympique Lyon.

Gibt es auch einen Mitspieler, der Sie bei Monaco oder einer Ihrer anderen Karriere-Stationen besonders beeindruckt hat?

Volland: Ja, Roberto Firmino in meinem letzten Jahr in Hoffenheim. Aber auch hier bei der Nationalmannschaft kann man durch die Bank jeden nennen. Das sind alles so krasse Spieler. Es macht echt Spaß, man kann sich im Training tatsächlich noch Sachen abschauen.

Von welchem Stürmer haben Sie sich in Ihrer Jugend etwas abgeschaut?

Volland: Michael Ballack war das Idol meiner Kindheit. Zu Ronaldinho, als er noch bei Barca gespielt hat, habe ich auch aufgeschaut. Ein klassischer Stürmer? Ronaldo und Thierry Henry - das waren schon Spielertypen, die ich krass fand. Aber so richtig abgeschaut habe ich mir nichts. Man muss ja seinen eigenen Stil finden.

Mit Portugal wartet am Samstag der nächste schwierige Gegner. Rechnen Sie sich denn aus, ein bisschen mehr Spielzeit zu bekommen, nachdem es zuletzt sehr viel Kritik am System gab, vor allem an der Art und Weise, wie offensiv gespielt wurde?

Volland: Es ist wie vor dem Frankreich-Spiel: Bereit sein, wenn man gebraucht wird. Ganz einfach. Da wird sich auch nichts dran ändern das ganze Turnier über. Egal, wie viel Einsatzzeit ich bekomme. Wenn man gar nicht reinkommt, muss man versuchen, von außen zu pushen und positiv einzuwirken. Und wenn man eingewechselt wird, muss man versuchen, zu helfen. Ob für 20, fünf oder nur eine Minute, das darf keine Rolle spielen.

DFB-Team: Keine Nervosität vor dem Portugal-Spiel

Sie haben mit Portugal persönlich ja noch eine Rechnung offen. 2015 waren Sie Kapitän der U21, als es im Halbfinale der EM eine derbe 0:5-Klatsche gab ...

Volland: Ja, das stimmt. Das Spiel war damals sehr bitter für uns, da haben wir nicht gut ausgesehen. Jetzt haben wir mit der A-Nationalmannschaft ein sehr wichtiges Spiel vor der Brust, noch dazu zuhause in München. Das wollen wir unbedingt gewinnen. Und wenn man die Eindrücke aus dem Training hernimmt, bin ich sehr zuversichtlich.

Trainingseindrücke hin oder her: Nur die vier besten Gruppendritten kommen weiter. Herrscht intern keine Nervosität, dass es im Falle einer Niederlage gegen Portugal eng werden könnte?

Volland: Nein, wir sind alle gut drauf und optimistisch, dass wir ein gutes Spiel gegen Portugal machen und die Gruppenphase überstehen werden.

Kevin Volland: Seine Statistiken bei seinen Profistationen

VereinSpieleToreTorvorlagen
AS Monaco40188
Bayer Leverkusen1485032
TSG Hoffenheim1443639
TSV 1860 München602016