Richtig von Klopp, richtig für den BVB

Jochen TittmarFatih Demireli
16. April 201510:36
Jürgen Klopp wird Borussia Dortmund zum 30. Juni 2015 verlassengetty
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Jürgen Klopp verlässt Borussia Dortmund nach sieben Jahren zum Saisonende. Diese Nachricht kommt für den BVB einem Schock gleich. Doch für Klopp ist es die richtige Entscheidung - und die Borussia sollte dafür dankbar sein. Die SPOX-Redakteure Jochen Tittmar und Fatih Demireli kommentieren den Rücktritt des Dortmunder Trainers.

Danket Klopp

von Jochen Tittmar

Wenn man am Mittwochnachmittag die mit Spannung erwartete Pressekonferenz von Borussia Dortmund über den vom Verein zur Verfügung gestellten Livestream im Internet verfolgen wollte, bekam man bisweilen eine Fehlermeldung zu sehen. Die Server wurden aufgrund des hohen Ansturms in die Knie gezwungen.

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Das ist kein Wunder, denn jeder Fußballinteressierte wollte natürlich zugucken und zuhören, wie Jürgen Klopp seinen Abgang begründete. Doch anstatt des Live-Bilds aus dem Signal Iduna Park erschien eine Grafik. Der Wortlaut: "Entschuldige, das hätte nicht passieren dürfen."

Ein Satz, der wie die Faust aufs Auge passte, wenn man sich die emotional-traurige Stimmung vergegenwärtigt, die während der Pressekonferenz herrschte und besonders an Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc abzulesen war.

Klopp überstrahlte alles

In Klopp verlieren Watzke und Zorc den Hauptgrund für den steilen Aufstieg des BVB. Seine Arbeit legte den Grundstein für mehrere Titelgewinne, aus denen ein enormes Wirtschaftswachstum und letztlich die neue Marke BVB resultierten. Watzke dürfte nicht übertrieben haben, als er sagte, jeder, der Borussia zugeneigt ist, werde Klopp auf ewig dankbar sein.

Doch auch wenn dieser 15. April ein bitterer Tag für Dortmund bleiben wird, sollte der BVB Klopp für seine unpopuläre Entscheidung auch dankbar sein. Dafür, dass Klopp in sich hinein horchte und für sich schlussfolgerte, der weiteren Entwicklung des Vereins im Wege zu stehen - und die Größe bewies, deshalb auch die Reißleine zu ziehen.

Denn wie Watzke und Zorc immer wieder betonten: Sie hätten Klopp wohl niemals entlassen. Es wäre ihnen zumindest extrem schwer gefallen. Doch vielleicht wäre ihnen dafür auch nie ein Grund augenscheinlich geworden, weil für sie die Anzeichen unsichtbar blieben, die Klopp nun für sich feststellte.

Der Name Klopp wurde im Laufe seiner langen Amtszeit immer größer, er überstrahlte Verein wie Mannschaft seit Jahren. Auch wenn die sportliche Entwicklung davon zunächst nicht beeinträchtigt schien, birgt dies immer auch die Gefahr, den Blick auf die Realitäten zumindest zu vernebeln.

Art des Fußballs muss erneuert werden

Diese Problematik stand Klopp jetzt offenbar zu sehr im Weg. Er sprach in seiner Stellungnahme vom Fluch der guten Tat und meinte damit die erfolgreiche Vergangenheit, die sich auf den Schultern des Vereins zu einer Zentnerlast aufgetürmt und ihn daran gehindert hat, sportlich weiter voranzukommen.

Klopps Initiative hilft dem Verein vor allem beim angedachten Umbruch im Sommer. Dessen personelles Ausmaß hängt zwar noch von der möglichen Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb ab, doch schon jetzt steht fest: Die Mannschaft des BVB braucht nach den Misserfolgen in dieser Saison dringend einen neuen Geist, neue Reize und Impulse. Mit dem bloßen Austausch von Spielern ist es nicht getan, Dortmund muss auch die Art seines Fußballs erneuern.

Das kann ein neuer Mann an der Seitenlinie unbefangener tun als Klopp. Viel wichtiger jedoch: Sowohl der Mannschaft, als auch dem Verein nimmt der Klopp-Nachfolger die Last der vergangenen Triumphe. Ein neutraler Neustart ist nun möglich. Dieser hätte unter Klopp nicht funktioniert.

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Klopp: Rational und nicht emotional

von Fatih Demireli

Hans-Joachim Watzke hatte Tränen in den Augen. Michael Zorc hatte Tränen in den Augen. Kurze Zeit ging es auch Jürgen Klopp so. Aber: Seine Körpersprache unterschied sich grundlegend von der seiner beiden Nebenleute. Watzke und Zorc, sie symbolisierten den BVB, den sie über die Jahre aufgebaut haben: emotional, gefühlvoll, unverhohlen echt.

Klopp war Klopp, wie man ihn kennt. Doch legte er neben seinem Markenzeichen, der Emotionalität, auch eine große Portion Überzeugung sowie eine klare Handlungsweise an den Tag.

So verhält es sich auch mit seiner Entscheidung, Borussia Dortmund nach sieben Jahren aus freien Stücken zu verlassen. Klopp hat erstmals in seiner BVB-Ära die Emotionen beiseitegelegt und rational gehandelt.

Für Klopp der beste Zeitpunkt

Klopp ist ein Fußball-Romantiker, er gab unschlüssigen Fußball-Fans schon den Tipp, zum Bejubeln von Titeln den FC Bayern zu wählen. Er ist gerne beim BVB, er liebt den Verein und das, was der Klub darstellt. Doch Klopp ist auch ein Profi, der viel zu ambitioniert ist, um es jahrelang nur "cool" zu finden, einen Klub zu trainieren, der trotz aller Erfolge Rückschläge einkalkulieren muss: sei es durch eigenes Verschulden oder durch das Handeln der Konkurrenz.

Klopp weiß, dass es nicht einfach wird, wieder den Status zu erreichen, den er mit dem BVB 2013 inne hatte, als man im Champions-League-Finale stand und gefühlt die halbe Welt hinter sich hatte. Damals stand Borussia Dortmund so sehr im Rampenlicht, dass Klopp es sich leisten konnte, interessierten Klubs die kalte Schulter zu zeigen und - vielleicht auch in der Emotion - seinen Vertrag bis 2018 zu verlängern.

Doch inzwischen hat der Glanz Kratzer abbekommen. Der BVB beendete das Jahr 2014 auf Platz 17, wird 2015/2016 nicht in der Champions League spielen und hat selbst die Teilnahme an der Europa League noch nicht sicher. So hart es für den BVB klingen mag: Es ist für Klopp der beste Zeitpunkt, um den Klub seinem eigenen Schicksal zu überlassen und persönlich weiter zu wachsen.

Der Karriere einen Gefallen getan

Der Zeitpunkt kommt auch nicht von ungefähr: 2015 und 2016 werden in Europas Topklubs ziemlich sicher einige lukrative Trainerstühle frei. In Madrid, Manchester oder London könnten die Zeichen auf Abschied von den bisherigen Übungsleitern stehen. Posten, die auch für Klopp sicherlich interessant sein dürften.

Klopp kann ab Juli - das hat er nicht ausgeschlossen - sofort einen Top-Klub im Ausland übernehmen. Oder er kann bis 2016 warten und den Markt im In- oder Ausland sondieren. Er hat sich durch diesen Schritt in eine gute Position gebracht. Klopp hat rational und nicht emotional gehandelt und seiner Karriere damit einen Gefallen getan.

Für den BVB mag die Entscheidung im Moment sehr bitter daherkommen. Während Klopp auf der Pressekonferenz schon wieder zu Späßen aufgelegt war, wollten Watzke und Zorc am liebsten sofort runter vom Podium. Für den BVB ist es an der Zeit, sich von Klopp zu emanzipieren.

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