Laszlo Benes von Borussia Mönchengladbach im Interview: "Er hat mir erklärt, was ein Fußballgott ist"

Jonas Rütten
19. Dezember 201913:47
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Als es im Sommer um die Stammplätze im Mittelfeld von Borussia Mönchengladbach ging, hatten nur wenige Laszlo Benes auf dem Zettel. Doch der Rückkehrer aus Kiel setzte sich durch und gilt als Top-Neuzugang, obwohl er in Gladbach schon seit 2016 unter Vertrag steht.

Im Interview mit SPOX und Goal spricht Benes über seine Anfänge in der Slowakei, den Wechsel mit 13 Jahren ins Ausland, seine schwere Verletzung und die Bedeutung von "Fußballgott" Igor Demo für ihn.

Außerdem erklärt der 22-Jährige, warum er 2016 nach Gladbach und nicht zu zahlreichen anderen interessierten Klubs gewechselt ist, er überhaupt nicht an einen möglichen Meistertitel mit Gladbach denkt und Marco Rose genau der richtige Trainer für ihn ist.

Laszlo, wie oft hatten Sie in Ihrer Karriere schon Heimweh?

Laszlo Benes: Sehr oft. Ich habe schon mit 13 Jahren nicht mehr zuhause gewohnt.

Weil Sie mit 13 Jahren bereits ins Ausland gewechselt sind - von Dunajska Streda aus der Slowakei zu Györi ETO nach Ungarn.

Benes: Györ war nur eine Autostunde von meinem Zuhause entfernt, dennoch war der Wechsel ein großer Schritt für mich. Es war allerdings schon bei Dunjaska sehr kompliziert für meine Familie mit den weiten Wegen.

Wie ging es in Ungarn für Sie weiter?

Benes: Ich war in der Györi-Akademie, die zu dieser Zeit eine der fünf besten Europas war. Es gab eine Schule für uns Fußballer, die Struktur war super, aber ohne meine Familie war es am Anfang schwierig für mich.

Nach vier Jahren in Ungarn kehrten Sie in die Slowakei zurück. Warum?

Benes: Györi hat mir im Profibereich keine Chance gegeben, obwohl ich alles dafür getan habe. Dann kam das Angebot von Zilina. Ich kannte die Philosophie des Vereins, der traditionell auf junge Spieler setzt. Ich war mir sicher, dass ich dort die Gelegenheit bekommen würde, im Seniorenbereich Fuß zu fassen.

Es gibt zahlreiche Klubs, die junge Spieler sehr gut integrieren, aber nicht zwangsläufig auf den eigenen Nachwuchs setzen. Was machte Sie so sicher, dass Sie sich bei Zilina durchsetzen würden?

Benes: Der Trainer der ersten Mannschaft ist drei Stunden lang mit dem Auto nach Györi gefahren, um eines meiner Spiele zu sehen. Letztlich war er nur 30 oder 40 Minuten vor Ort und ich habe auch noch schlecht gespielt. Einen Monat später haben wir uns dann in Zilina getroffen und ich habe ihm gesagt, dass es kein gutes Spiel von mir war. Er antwortete nur: "Laci, schon nach zwei Minuten und deinem ersten Ballkontakt habe ich gesagt, dass ich dich haben will." Das hat mir ein sehr gutes Gefühl gegeben und dementsprechend habe ich meine Entscheidung getroffen.

Sie wurden auf Anhieb Stammspieler bei den Profis, spielten mit Zilina in der Europa-League-Qualifikation. Gibt es ein Spiel, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Benes: Das Playoff-Hinspiel gegen Athletic Bilbao. Wir spielten zuhause, lagen 0:2 zurück und haben noch 3:2 gewonnen. Das war ein unbeschreibliches Gefühl, einfach nur geil.

Letztlich haben Sie die Qualifikation nach einer 0:1-Niederlage im Rückspiel nicht geschafft. Was überwog bei Ihnen: der Stolz auf die eigene Leistung oder der Ärger über die verpasste Chance?

Benes: Der Stolz. Wir wussten im Vorfeld, dass es sehr schwer werden würde gegen so eine große Mannschaft. Es war für uns ein ganz besonderes Spiel, das mir persönlich gezeigt hat, wofür ich all die Jahre so hart gearbeitet habe. Durch dieses Spiel habe ich auch realisiert, dass ich es in einem noch besseren Verein packen kann.

Ein solcher Verein trat nach nur einer Saison in der ersten Mannschaft von Zilina an Sie heran. Wie kam der Kontakt zu Borussia Mönchengladbach 2016 zustande?

Benes: Gladbachs Scouts haben sich ein paar Spiele von mir bei Zilina und in der slowakischen U-Nationalmannschaft angeschaut. Mein Berater hat mir irgendwann gesagt, dass es ein gutes Angebot von Gladbach gebe. Eines von vielen in diesem Sommer.

Welche Klubs waren außerdem interessiert?

Benes: Das weiß ich ehrlich gesagt gar nicht. Ich habe meinen Berater gefragt, welcher Verein am besten für meine Entwicklung ist. Er riet mir zu Gladbach. Danach wollte ich gar nicht wissen, welche anderen Klubs mich haben wollten.

Warum nicht?

Benes: Weil man Gefahr läuft, zu viel nachzudenken. Nach dem Motto: Vielleicht passt dieser Verein doch besser zu mir oder hat einen größeren Namen. Das wollte ich nicht.

Wie ging es nach der Kontaktaufnahme weiter?

Benes: Ich bin mit meinem Berater nach Gladbach geflogen und konnte mir dort das Stadion und die Trainingsplätze ansehen. Ich war direkt überzeugt und habe am nächsten Tag meinen Vertrag unterschrieben.

Gab es gar kein Gespräch mit Max Eberl?

Benes: Doch, aber die Verständigung war nicht so einfach. Ich habe kein Wort Deutsch und auch nur schlecht Englisch gesprochen. Mein Berater hat für mich übersetzt. So haben wir uns dann über die Vereinsphilosophie unterhalten, über die Arbeit mit jungen Spielern, über die Ziele des Vereins, die Spielweise und den Trainer. All das hat mir zugesagt.

Gladbachs Mittelfeld war damals mit Christoph Kramer, Tobias Strobl, Mahmoud Dahoud und Lars Stindl gut besetzt. Hatten Sie keine Sorge, dass der Schritt zu groß sein könnte?

Benes: Überhaupt nicht. Ich war noch sehr jung und deshalb geduldig. In meinem ersten Jahr war es das Wichtigste, dass ich Deutsch lerne, damit ich die Spielidee, das System und das ganze Drumherum besser verstehe. Wenn ein 25-Jähriger zu einem neuen Verein wechselt, muss er direkt liefern. Bei mir war das nicht so. Das soll nicht heißen, dass ich nicht spielen wollte. Aber es hat mich nicht runtergezogen oder überrascht, wenn ich auf der Bank saß oder nicht im Kader stand. Der Verein hat damals in der Champions League gespielt. Ich war einfach glücklich, mit diesen großen Spielern trainieren und von ihnen lernen zu können.

Ihr erster Trainer bei der Borussia war Andre Schubert, unter dem Sie zwar teilweise im Kader standen, aber nicht gespielt haben. Wie war Ihr Verhältnis zu ihm?

Benes: Ich habe nicht so viel mit ihm geredet, was auch an der Sprachbarriere lag. Igor Demo hat mir zu dieser Zeit in vielen Bereichen extrem geholfen. Ich weiß noch, wie er mir die Stadt gezeigt hat und von Fans auf der Straße erkannt wurde. Ein paar Gladbacher haben gerufen: "Igor Demo Fußballgott!" Ich habe das natürlich nicht verstanden und ihn gefragt. Er hat mir dann erklärt, was ein Fußballgott ist und mir erzählt, was er alles in Mönchengladbach erlebt hat. Das war überragend.

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zueinander beschreiben?

Benes: Er war eine ganz wichtige Bezugsperson für mich. Anfangs habe ich ihn mit Herr Igor angeredet oder ihn mit "Guten Tag, Herr Igor" begrüßt. Wir haben uns dann schnell angefreundet, hatten eine Menge Spaß zusammen, haben aber auch konzentriert gearbeitet. Wir waren jeden Tag zusammen. Auch jetzt, wo er nicht mehr hier ist, schreiben oder telefonieren wir noch sehr regelmäßig.

Laszlo Benes: Spielerstatistiken bei Kiel, Gladbach und Zilina

VereinSpieleToreTorvorlagen
Borussia Mönchengladbach3214
Borussia Mönchengladbach II1614
Holstein Kiel1626
MSK Zilina4225

Während Ihrer Eingewöhnungsphase kam es zu einem Trainerwechsel: Auf Schubert folgte Dieter Hecking, unter dem Sie nur kurze Zeit später in der Bundesliga debütierten. Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Tag?

Benes: Das war gegen Bayern, ich habe 15 Minuten gespielt. Eine Woche später stand ich dann gegen Hertha BSC in der Startelf und habe sofort getroffen. Ich hatte das Gefühl, dass meine Zeit endlich gekommen war. Nachdem ich im nächsten Spiel zunächst wieder auf der Bank saß, wusste ich, dass ich noch mehr geben muss.

Sie entwickelten sich zum Stammspieler und agierten meistens mit Mahmoud Dahoud auf der Doppelsechs. Wie haben Sie ihn erlebt?

Benes: Ich habe die gemeinsame Zeit mit Mo genossen und viel von ihm gelernt. Er ist in meinen Augen ein sehr, sehr guter Spieler.

Beim BVB durchlebt er aktuell eine schwierige Phase und bekommt nur wenig Einsatzzeit.

Benes: Dortmund ist eine starke Mannschaft, trotzdem überrascht es mich, dass Mo so wenig spielt. Ich glaube aber, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis er wieder häufiger zum Einsatz kommt. Er ist ein Top-Spieler.

Nach Ihrer ersten Saison verließ Dahoud den Verein und wechselte zum BVB, Gladbach holte Denis Zakaria. Der Konkurrenzkampf blieb gleich, aber dann kam der 13. September 2017 und mit ihm ein für Sie verhängnisvolles Testspiel gegen VVV Venlo. Sie brachen sich den Mittelfuß.

Benes: Das war eine sehr schwierige Zeit. Ich wusste aber, dass mir diese Verletzung nicht meine Träume zunichtemachen würde. Es war ja auch keine schwere Verletzung. Der Fuß war zwar gebrochen, aber es war nicht so kompliziert. Ich wusste, dass ich zurückkommen werde.

In der Folge waren Sie allerdings häufiger verletzt. Hatten Sie Angst, dass Ihr Körper den Strapazen des Profidaseins nicht gewachsen ist?

Benes: Es war nicht einfach, damit umzugehen. Immer wenn ich gerade wieder fit geworden bin und bei 100 Prozent war, kam etwas Neues. Ich habe während meiner Reha häufig mit Tobias Strobl gesprochen, der in dieser Zeit einen Meniskus- und Kreuzbandriss hatte. Diese Gespräche und sein Optimismus haben mir sehr geholfen.

Zwischen dem 13. September 2017 und dem 26. Januar 2019 standen Sie nur zweimal für Gladbach in der Bundesliga auf dem Platz. Anschließend wechselten Sie zu Holstein Kiel in die 2. Bundesliga. Wie kam das zustande?

Benes: Die Entscheidung fiel am letzten Tag des Wintertransferfensters. Ich habe erst gezögert und wusste nicht genau, ob ich wirklich in die 2. Liga gehen möchte. Dann habe ich mehr über die Philosophie und den Trainer in Kiel erfahren und mich für diesen Schritt entschieden. Ich wollte aber nur für ein halbes Jahr ausgeliehen und nicht verkauft werden. Ich wollte alles dafür tun, um mich für die Bundesliga und Gladbach zu empfehlen. Die Zeit in Kiel war eine der wichtigsten Phasen meiner Karriere, weil ich das erste Mal seit meiner ersten Saison in Zilina so viele Spiele am Stück gemacht habe.

Im vergangenen Sommer kehrten Sie nach Gladbach zurück. Unter Trainer Marco Rose steht Gladbach in der Bundesliga so gut da wie lange nicht mehr. Was macht er anders als Schubert oder Hecking?

Benes: Er hat eine ganz andere Spielidee. Es war nicht so einfach, sich daran zu gewöhnen und seine Anweisungen umzusetzen. Wir haben ein paar Spiele gebraucht und es dann immer besser gemacht. Mir persönlich liegt diese Art von Fußball, das hohe Pressing nach dem Ballverlust. Wenn man es richtig macht, gewinnt man früh den Ball und erspielt sich viele Chancen.

Haben sich auf und neben dem Platz bei Borussia Mönchengladbach gut verstanden: Laszlo Benes und Mahmoud Dahoud.getty

Gladbach steht derzeit punktgleich mit Tabellenführer RB Leipzig ganz oben. Glauben Sie an den Meistertitel?

Benes: Ich denke nie daran, wie unsere Situation im Mai aussehen könnte. Da kann noch so viel passieren. Wenn du zweimal verlierst, bist du schon Sechster oder Siebter. Es macht keinen Sinn, an die Meisterschaft zu denken.

Sie sind 22 Jahre jung, hatten von Kindesbeinen an nur Fußball im Kopf. Gibt es einen Spieler, der schon immer ein fußballerisches Vorbild für Sie war?

Benes: Cristiano Ronaldo. Nicht nur, weil er so viele Tore geschossen oder für meinen Lieblingsverein Manchester United gespielt hat, sondern weil er so professionell ist und so hart an sich arbeitet. Das ist einfach krass.