Twitter ist seine Leidenschaft und lila Schuhe sind sein Laster: Der 19-jährige Lewis Holtby wurde im Winter nach einem halben Jahr vom FC Schalke 04 zum VfL Bochum ausgeliehen und soll dort zum Profi reifen. Seine Frist: 18 Monate. Sein Ziel: Spaß haben, Felix Magath im zweiten Anlauf überzeugen - und den Abstieg verhindern.
SPOX: Sie tragen seit diesem Monat lila Fußball-Schuhe. Eine ungewöhnlich extravagante Farbe, weswegen Trainer Heiko Herrlich sauer auf Sie sein soll. Was ist los?
Lewis Holtby: Ich war wie der Trainer über die Berichte verwundert, denn er hatte sich überhaupt nicht negativ geäußert. Heiko Herrlichs Botschaft war: Wenn die Leistung stimmt, ist die Farbe der Schuhe völlig egal. Indem er aber nicht richtig wiedergegeben wurde, kam ein falscher Eindruck auf.
SPOX: Warum bieten Sie mit der Farbwahl freiwillig eine Angriffsfläche für die Medien?
Holtby: Ich weiß natürlich, dass schwarz-weiß die klassische Variante ist. Aber ich bin ein offener und lustiger Typ und möchte das so den Fans rüberbringen. Deswegen gefallen mir derzeit eben mehr lila Schuhe. Zumal sie wirklich bequem sind und ich mich sehr wohl in den Schuhen fühle. SPOX
SPOX: Ihr zweites Markenzeichen ist Ihr Twitter-Account. Sie twitterrn wie kaum ein Zweiter im deutschen Profi-Fußball. Warum?
Holtby: Auch hier geht es um die Fans. Schon als Kind war ich riesig Fußball begeistert und sehr neugierig, wie ein Profi privat seine Zeit verbringt. Daher bin ich zum Entschluss gekommen, dass ich mal etwas anderes mache, damit die Fans reinschnuppern können, wie mein Leben als Fußballer aussieht. Twitter ist dafür perfekt, weil ich die Infos auswählen kann und der Austausch auf einer interessanten, aber oberflächlichen Ebene bleibt. Mich hätte es super gefreut, wenn es so etwas früher schon gegeben hätte.
SPOX: Ihre Tweets werden ohne Kontrolle des VfL veröffentlicht. Hat der Verein keine Probleme damit?
Holtby: Es ist ja nicht so, als ob ich die Aufstellung oder die Ansprache des Trainers twittere. Ich versuche, auf einer netten und nicht zu tief schürfenden Art und Weise, meinen Spaß am Fußball zu vermitteln und die Fans mit Informationen zu versorgen. Auf jeden Fall haben mich bisher weder die Presseabteilung noch Heiko Herrlich wegen meines Twitter-Accounts kritisiert.
SPOX: Ist Herrlich lockerer, als es den Anschein macht?
Holtby: Er besitzt eine gute Mischung. Wenn wir auf dem Trainingsplatz stehen, spürt er, wann ein bisschen Spaß angebracht ist oder ob er uns klipp und klar deutlich machen muss, dass knüppelhart gearbeitet wird. Er beherrscht beide Ansprachen.
SPOX: Im SPOX-Interview erklärte Herrlich, wie er während seiner Hospitanz vom FC Barcelona geprägt wurde. Ist auch für Sie Barca der Inbegriff des perfekten Fußballs?
Holtby: Besser kann man nicht spielen. Ich habe das Champions-League-Achtelfinale gegen Stuttgart gesehen und bekam meinen Mund nicht mehr zu, so überwältigt war ich. Es ist die pure Freude, wenn sie jeweils mit ein, zwei Kontakten Chancen herausspielen. Und dann noch Messi. Bei ihm ist es, als ob ein Heiliger Fußball spielt und alle Menschen verzaubert.
SPOX: Messi ist den klassischen Weg eines Barca-Jugendspielers gegangen, die systematisch und von Kindesbeinen an ausgebildet werden. Ihre Karriere hingegen verlief weniger geradlinig...
Holtby: Sie spielen darauf an, dass ich bei Borussia Mönchengladbach als Jugendspieler aussortiert wurde. Damals bin ich niedergeschlagen nach Hause gegangen, als ich davon unterrichtet wurde. Es stimmt, dass nicht alles glatt gelaufen ist, andererseits bin ich froh darüber. Denn so ein Rückschlag hat mich abgehärtet und erst zu dem gemacht, wer ich bin. Wer weiß, wie ich es ohne diese Erfahrung verkraftet hätte, bei Schalke erstmal nur Ergänzungsspieler zu sein.
SPOX: Ihr 14-jähriger Bruder Joshua spielt hingegen noch in Mönchengladbach und gilt als ähnlich talentiert wie Sie. Schafft er es bei der Borussia?
Holtby: Er ist ein ähnlicher Spielertyp: ein passsicherer Techniker im offensiven Mittelfeld. Auch er muss sich durchkämpfen, weil er für sein Alter noch sehr klein ist. Er kommt damit dennoch gut klar - und dafür bewundere ich ihn. Er ist für sein Alter ungeheuer zielstrebig und selbstbewusst. Aber ob das reicht für den Profi-Fußball? Es sind so viele Talente gescheitert... Ich unterstütze ihn auf jeden Fall in allen Lebenslagen und versuche, bei so vielen Spielen wie möglich dabei zu sein.
SPOX: Stimmt es, dass Ihr Bruder eine entscheidende Rolle bei Ihrem Wechsel nach Schalke gespielt hat?
Holtby: Nicht die entscheidende, aber eine wichtige Rolle. Er ist ein großer Schalke-Fan und hat mich darum gebeten, dahin zugehen, weil es das Größte für ihn wäre, seinen großen Bruder in der Veltins-Arena zu sehen. Ausschlaggebend war jedoch die Aussicht, die Härte eines Felix Magath kennen zu lernen und mit dem aus meiner Sicht besten Trainer Deutschlands arbeiten zu dürfen.
SPOX: Wie unterschiedlich sind Magath und Herrlich?
Holtby: In erster Linie haben beide unterschiedliche Jobprofile. Heiko Herrlich ist mein Trainer. In Bezug auf die Mannschaft ist er mein Ansprechpartner, für alle anderen Dinge gibt es Sportdirektor Thomas Ernst. Auf Schalke gibt es ausschließlich Felix Magath, der Trainer, Manager und Vorstandsmitglied in Personalunion ist. Ansonsten bin ich begeistert von beiden Trainern. Von ihnen kann man als Spieler eine Menge lernen.
SPOX: Halten Sie Kontakt mit Magath?
Holtby: Er hat mit der Meisterschaft ein klares Ziel, wir haben mit dem Klassenerhalt ein klares Ziel. Daher konzentriert sich jeder von uns auf seine aktuellen Aufgaben. Der einzige Trainer, der mich anruft, ist Heiko Herrlich.
SPOX: Unter dem Sie unumstrittene Stammkraft sind. Wie zufrieden sind Sie mit den ersten Wochen in Bochum?
Holtby: So, wie die Sonne scheint, fühle ich mich. Ich bin wegen der Spielpraxis zum VfL gewechselt und habe jetzt jedes Spiel 90 Minuten auf dem Platz gestanden. Bei der sportlichen und menschlichen Integration passt alles - auch wenn wir zuletzt viermal in Folge nicht gepunktet haben, was mich sehr ärgert.
SPOX: Die Integration ist ein wichtiger Faktor, immerhin wurden Sie im Winter nicht wie marktüblich für sechs Monate ausgeliehen, sondern wie Toni Kroos letztes Jahr gleich für 18 Monate. Haben Sie sich am Leverkusener orientiert?
Holtby: Tonis Weg ist schon das Vorbild. Ich kenne ihn ja vom DFB und wir hatten öfters darüber gesprochen, wie positiv es war, dass die Bayern ihn gleich für eineinhalb Jahre nach Leverkusen geschickt haben. Und dass es vor allem wichtig ist, wenn nötig, zunächst einen Schritt in der Entwicklung zurückzugehen, um drei Schritte nach vorne machen zu können.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Holtby: Die vergangene Rückrunde in Leverkusen hat Toni quasi als Schnupperkurs genutzt. Er bekam einige Kurzeinsätze und lernte langsam den Verein und die Bundesliga kennen. Jetzt hat er die Erfahrung - und ist richtig durchgestartet. Bei den Bayern hätte er wahrscheinlich nicht die Möglichkeit bekommen, mit Bedacht und Nachhaltigkeit als Fußballer und Mensch so zu reifen. Genau den gleichen Weg will ich auch gehen.
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