Beim Triple-Sieger FC Barcelona türmen sich die Probleme vor dem Ligastart auf. Die Defensive schwächelt historisch, der Abwehrchef dreht angeblich durch. Und unter gewissen Umständen ist Barca auch nur eine ganz normale Fußballmannschaft. SPOX zeigt Barcas ersten Liga-Auftritt der Saison 2015/16 bei Athletic Bilbao am kommenden Samstag, 23.08., ab 18.30 Uhr im LIVESTREAM FOR FREE.
Gerard Pique klammert sich mit beiden Armen links und rechts an zwei Querstangen eines Waggons der Metro Barcelona. Der Hintern sinkt immer weiter ab, die Arme werden in etwa so lang wie die von Inspektor Gadget. Umlagert von seinen Barca-Kollegen räkelt sich Pique hin und her, der Waschbrettbauch schaut unter dem Jeans-Hemd hervor.
Seine Gesangseinlage ist für jeden Nicht-Katalanen schwer zu entziffern, am Ende aber kommt ein inbrünstiges "Fooooootbol Club Baaaaarceeeloooonaaaaa" heraus. Dabei schwingt Pique seine Beine auf die Stangen und hängt wie ein Schimpanse knapp unterhalb des Wagendachs.
Das etwa 20-sekündige Video hat Pique auf Instagram gestellt. Es dokumentiert einen kurzen Ausschnitt der Meisterfeier des FC Barcelona im Mai.
Pique gehört zu den Promi-Pionieren der Social-Media-Nerds und präsentiert auf verschiedenen Plattformen eine gehörige Portion Selbstironie. Da werden auch mal Videos publik, die ihn und Gattin Shakira betrunken auf einer Party zeigen. Pique macht keinen Hehl aus seiner Vorliebe für die schönen Dinge des Lebens.
Zwölf Spiele Sperre?
Nach dem Rückspiel um den spanischen Supercup gegen Athletic Bilbao (1:1) sah sich Pique allerdings gezwungen, eine für ihn sehr unschöne Angelegenheit geradezurücken. Einer der beiden Schiedsrichter-Assistenten hatte dem Barca-Verteidiger unterstellt, ihn während des Spiels aufs Übelste beleidigt zu haben. "Ich scheiß auf deine Hurenmutter", soll Pique gesagt haben, worauf er mit der Roten Karte vom Platz flog.
"Ich möchte mich für mein aggressives Verhalten gegenüber dem Linienrichter entschuldigen. Das war nicht korrekt. Aber ich habe zu keinem Zeitpunkt irgendjemanden beleidigt", schrieb Pique auf Twitter.
Die Sache hat für Pique ein Nachspiel. Während die AS auf bis zu zwölf Spiele Sperre im Falle einer Verurteilung durch den spanischen Verband spekulierte, zeigte sich dieser gnädig und beließ es bei lediglich vier Partien.
So löchrig wie vor 14 Jahren
Die Zwangspause für den gesetzten Pique trifft den FC Barcelona dennoch zur absoluten Unzeit. Der Traum vom Sextuple ist vorbei und insbesondere die Gegentorflut in den ersten Pflichtspielen der Saison bemerkenswert. Dem Viererpack im UEFA-Supercup gegen Sevilla folgte ein weiterer im Hinspiel des spanischen Supercups in Bilbao.
Acht Gegentore in zwei Spielen kassierte die Blaugrana zuletzt vor 14 Jahren, im April 2001 schenkten Villarreal und Real Saragossa den Katalanen jeweils vier Stück ein.
"In der vergangenen Saison waren wir die Mannschaft, gegen die das Tore schießen am schwersten war", sagte Barca-Trainer Luis Enrique. "Mittlerweile sind Tore gegen uns ganz einfach. Das müssen wir dringend wieder ändern."
An seiner Spielidee muss Enrique dabei nicht schrauben. Es war nicht die fehlende Balance zwischen Defensive und Offensive, aus der die Gegentreffer resultierten. Barca wurde nicht ausgekontert, vielmehr waren bisweilen haarsträubende individuelle Fehler und extreme Passivität die Ursache.
Keine Körperspannung
Beim Scheibenschießen gegen Sevilla wurden zwei Gegentore über Barcas rechte Abwehrseite eingeleitet. Die Mannschaft stand vernünftig gestaffelt, allerdings ohne jegliche Körperspannung und Aggressivität in den Zweikämpfen.
Zweimal flog der Ball nach vielen Stationen in den Strafraum, beide Male war Barca nicht in der Lage, die Flanke zu verhindern und in der Mitte den erforderlichen letzten Schritt zu machen. Sevillas vierter Treffer war das Produkt eines katastrophalen Stockfehlers von Marc Batra nach einem Einwurf der Andalusier.
Drei der vier Gegentore beim 0:4 in Bilbao fielen nach einfachen Fehlpässen und erneut naivem Zweikampfverhalten. Beim dritten Treffer waren gleich vier Barca-Spieler nicht im Stande, den Ball einfach mal aus der Gefahrenzone zu dreschen.
"Die Art und Weise, wie wir die Tore gefressen haben, geht gar nicht. Das hat in erster Linie mit fehlender Konzentration zu tun", sagte Javier Mascherano.
Dani Alves erklärte, dass sich Barca jeden Titel nach wie vor hart erarbeiten müsse. "Wir müssen wieder raus aus der Komfortzone, vielleicht haben wir uns alle gerade ein bisschen zu lieb."
Bartra unter Beschuss
Zudem musste sich Trainer Enrique den Vorwurf gefallen lassen, sich im ersten Spiel gegen Bilbao mit der Aufstellung ordentlich verzockt zu haben. Pique, Mascherano, Busquets, Iniesta und Rakitic saßen auf der Bank, die zweite Garde irrte führungslos umher. Vor allem Bartra, der seit langem als großes Verteidigertalent in Barcelona gilt, erlebte gleich zwei Abende zum Vergessen.
"Es hat sich eindeutig gezeigt, dass Barca auch nur eine ganz normale Mannschaft ist, wenn ein paar Spieler fehlen", schrieb El Mundo Deportivo.
Den Ausfall von Linksverteidiger Jordi Alba, der sich im Testspiel gegen den AS Rom Anfang August eine Oberschenkelverletzung zuzog, konnte nicht kompensiert werden. Jeremy Mathieu und Adriano bekamen ihre Chance - sie haben sie nicht genutzt.
"Auf diesem Niveau muss man anders verteidigen. Auch Sevilla und Bilbao sind in der Lage, Fehler auszunutzen. Nicht nur Real Madrid oder der FC Bayern", sagte Mascherano.
"Ter Stegen, benutze deine Hände"
Geht es nach den spanischen Medien, muss man auch anders halten. Nach seinen Leistungen in den entscheidenden Champions-League-Spielen der vergangenen Saison wurde Marc-Andre ter Stegen in den Himmel gelobt. Doch der Wind hat sich diesmal sehr schnell gedreht.
"Ter Stegen vergisst, dass er die Hände benutzen darf. Er ist kein Feldspieler, er ist Torwart. Irgendjemand muss ihm das mal sagen", schrieb die Zeitung Sport und orakelte, dass sich Konkurrent Claudio Bravo die Hände gerieben haben dürfte angesichts ter Stegens fehlender Ausstrahlung und Sicherheit.
Ganze 21 Liga-Gegentore musste Barcelona in der letzten Saison hinnehmen. Neben einer standhaften Defensive besaß Barca den jetzt schon legendären MSN-Sturm, der von den gegnerischen Abwehrreihen selten mehr übrig ließ als undefinierbare Fetzen. Vor dem Start der neuen Saison, pikanterweise erneut im San Mames bei Athletic, ist die eigene Defensive ausgefranst.
"Wir haben nicht viel Zeit, das Problem in den Griff zu bekommen. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir nicht noch einmal so viele Fehler in einem Spiel machen werden", sagte Enrique.
Den größten hat wohl Pique begangen. Da Barca wie alle anderen Erstligisten erst im Dezember in den Copa del Rey-Wettbewerb einsteigt, beschränken sich die vier Spiele nur auf den Liga-Alltag. Beim ersten Kracher der Saison, dem Duell gegen Atletico Madrid, wird der Abwehrspieler jedenfalls nur auf der Tribüne sitzen.
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