Ter Stegen, Süle, Gündogan und Draxler: DFB-Stars in der zweiten Reihe und ihre Perspektive

Stefan Petri
09. September 201812:19
Auf der Suche nach dem Stammplatz (v.l.): Marc-Andre ter Stegen, Ilkay Gündogan, Niklas Süle, Julian Draxler.getty
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Am Sonntag testet die deutsche Nationalmannschaft gegen Peru (20.45 Uhr im LIVETICKER). Bundestrainer Joachim Löw wird rotieren lassen. Das ergibt Chancen für vier Spieler, die Ansprüche auf einen Stammplatz hegen - und in vielen anderen Teams wohl auch erste Wahl wären: Marc-Andre ter Stegen, Niklas Süle, Ilkay Gündogan und Julian Draxler.

Insgesamt 22 Spieler hat Löw für die Länderspiele gegen Frankreich und Peru nominiert. Gegen den Weltmeister kamen bereits 13 Akteure zum Einsatz, im Test gegen Südamerikaner werden wohl auch die übrigen neun Spieler ihre Einsatzminuten bekommen.

Darunter sind auch die Neulinge im Kader: Nico Schulz hat von Bundestrainer Joachim Löw schon eine Einsatzgarantie "in seinem Wohnzimmer" erhalten, Thilo Kehrer und Kai Havertz dürften von der Bank aus in die Partie kommen.

Während sich dieses Trio aber erst noch für weitere Aufgaben im DFB-Dress empfehlen muss, würden mit Marc-Andre ter Stegen, Niklas Süle, Ilkay Gündogan und Julian Draxler vier gestandene Nationalspieler gegen Peru in die erste Elf rücken, die den Anspruch haben - und haben müssen -, in der Nationalmannschaft Stamm zu spielen. Derzeit ist das Quartett jedoch aus unterschiedlichen Gründen außen vor.

DFB-Team: Deutschlands Kader im Überblick

SpielerPosition

Manuel Neuer

Torwart

Marc-Andre ter Stegen

Torwart

Jerome Boateng

Abwehr
Matthias GinterAbwehr

Mats Hummels

Abwehr

Thilo Kehrer

Abwehr

Joshua Kimmich

Abwehr

Antonio Rüdiger

Abwehr

Nico Schulz

Abwehr

Niklas Süle

Abwehr

Jonathan Tah

Abwehr

Julian Brandt

Mittelfeld/Angriff

Julian Draxler

Mittelfeld/Angriff

Leon Goretzka

Mittelfeld/Angriff

Ilkay Gündogan

Mittelfeld/Angriff

Kai Havertz

Mittelfeld/Angriff

Toni Kroos

Mittelfeld/Angriff

Thomas Müller

Mittelfeld/Angriff

Nils Petersen

Mittelfeld/Angriff

Marco Reus

Mittelfeld/Angriff

Leroy Sane*

Mittelfeld/Angriff

Timo Werner

Mittelfeld/Angriff

*aus privaten Gründen nach dem Frankreich-Spiel abgereist

Marc-Andre ter Stegen: Warten im Schatten des Jahrhunderttorwarts

Wenn man es drastisch ausdrücken wollte, würde man sagen: Ter Stegen ist die ärmste Sau im DFB-Team. Wo andere immerhin die Möglichkeit haben, eingewechselt zu werden, bleibt ihm bei einem gesunden Neuer nur, ihn bei den weniger wichtigen Spielen zu vertreten.

Auf 20 Länderspiele hat er es bisher gebracht, nach Neuers schwerer Fußverletzung war er die klare Nummer eins, stand im Confed Cup zwischen den Pfosten und bestritt 2017 sieben Spiele in Folge über die volle Distanz. Bei der WM blieb dann doch wieder nur die Bank, weil Neuer rechtzeitig fit wurde. Ter Stegen fügte sich klaglos in seine Rolle, doch die Botschaft von Löw war klar: Selbst an einem Neuer ohne Matchpraxis kommst du nicht vorbei.

Da sitzt er nun, der Stammtorhüter vom FC Barcelona, der in fast jeder anderen Nation gesetzt wäre. Auf jeder anderen Position könnten die beiden zusammen spielen, das System könnte angepasst werden, um Platz für doppelte Weltklasse zu bieten. So wünscht sich ter Stegen vielleicht manchmal, in einer anderen DFB-Ära geboren worden zu sein.

Verständnis für seinen Frust ist allerorts vorhanden. Das ändert allerdings nichts daran, dass Neuer auf absehbare Zeit die Nase vorn hat. Könnte Löw eine Art Rotation einführen, um den etwas älteren Neuer zu schonen und MAtS das Leben etwas leichter zu machen?

Unwahrscheinlich, jetzt wo der Fokus wieder so sehr auf einer sicheren Defensive liegt, wäre ein ständiger Wechsel kontraproduktiv. Ter Stegen wird hier und da spielen - und bei der EM 2020 wieder zuschauen, wenn es ernst wird.

Der einzige "Lichtblick": Neuer ist sechs Jahre älter. Wenn der vierfache Welttorhüter nach der WM 2022 aufhören sollte, wäre ter Stegen mit 30 immer noch im besten Torwartalter. Ter Stegen wird gegen Peru auflaufen und versuchen, sich wieder bestmöglich zu positionieren.

Niklas Süle: Die gleiche Konkurrenz wie beim FC Bayern München

"Ich finde, alle drei sind auf einem Niveau, da gibt es keine Unterschiede", erklärte Bayern-Trainer Niko Kovac über seine drei Innenverteidiger. Auch auf sein Drängen hin wurde Jerome Boateng nicht zu PSG abgegeben, stattdessen will er zwischen Boateng, Mats Hummels und Süle - "drei Weltklasse-Spieler" - rotieren lassen. Was er bisher auch konsequent tat.

In der Nationalmannschaft treffen die drei Innenverteidiger erneut aufeinander - aber der DFB-Kalender bietet nun einmal sehr viel weniger Möglichkeit zur Rotation. Was es schwer macht für den 23-Jährigen, den die Bild im August schon als neuen Abwehrchef bei den Bayern proklamiert hatte.

Bei der WM spielte Süle nur gegen Südkorea, als Boateng gesperrt fehlte. Jetzt, zum viel gerühmten Neuanfang, hätte Löw ein Zeichen setzen und Süle das Vertrauen schenken können. Dass er trotzdem auf Boateng (30) und Hummels (29) setzte, könnte ein kleiner Fingerzeig für Süle sein: Er muss sich bei Löw weiterhin gedulden. Der setzt lieber auf geballte Erfahrung.

Würde Süle bei den Bayern einen der beiden Kontrahenten dauerhaft auf die Bank verdrängen, hätte er auch gegenüber Löw bessere Karten. Bei einer durchgezogenen Rotation ist das kaum möglich.

Immerhin: Boateng und Hummels sind nicht immer verletzungsfrei, also wird Süle seine Einsätze bekommen - erst recht, wenn Antonio Rüdiger und Matthias Ginter außen verteidigen. Ein wirklicher Stammplatz winkt allerdings erst in zwei Jahren. Nach der EM könnte zumindest einer aus dem Duo Boateng/Hummels aufhören.

Ilkay Gündogan: Passt es zwischen ihm und Toni Kroos?

Zumindest ein großes Problem scheint gelöst: Der freundliche Applaus überwog in München gegenüber den einzelnen Pfiffen gegen Gündogan. Die Zuschauer scheinen ihm die Erdogan-Affäre mittlerweile fast alle verziehen zu haben. Dementsprechend erleichtert und mit mehr Selbstvertrauen ausgestattet kann sich der 27-Jährige daran machen, auch mit dem Adler auf der Brust das abzurufen, was ihn bei Manchester City so unverzichtbar macht.

Warum hat es bisher in der Nationalelf nicht geklappt? Zuerst warfen ihn zahlreiche Verletzungen zurück, dann die Tatsache, dass Löw auf der Doppelsechs neben Toni Kroos lieber auf einen Abräumer wie Sami Khedira setzte. Schließlich das Erdogan-Foto, die Pfiffe und eine angeknackste Psyche.

Wie könnte Gündogan in den nächsten Monaten in die Stammelf rücken? Gegen Frankreich saß er trotz der Abwesenheiten von Mesut Özil und Khedira erneut nur auf der Bank. Offenbar hat nun Leon Goretzka die Nase vorn. Der konnte allerdings einmal mehr nicht viel zeigen, Gündogan mit einer starken Partie gegen Peru Boden gutmachen.

Die Systemumstellung mit Kimmich vor der Abwehr im 4-1-4-1 bietet ebenfalls eine Chance für Gündogan: Mit der Absicherung für ihn und Kroos wären sie nun keine zu offensive Doppel-Sechs mehr, sondern eine Doppel-Acht.

Gündogan wäre eine spielstärkere Lösung als Goretzka, er könnte auch etwas vorgeschoben den verkappten Spielmacher mimen, den es in diesem System nicht mehr gibt. Es wäre eine Rolle, in der er sein gutes Auge und seine Torgefahr vielleicht noch besser einbringen könnte. Setzt Löw weiter auf eine defensive Ausrichtung, wird es für ihn jedoch weiter schwer mit der Stammelf.

Julian Draxler: Gleich doppelt aus der Startelf verdrängt

Seit der EM 2016 hatte Draxler bis zum Turnier in Russland immer gespielt, wenn er fit war. Meistens von Beginn an, oft über 90 Minuten, beim Confed Cup sogar als Kapitän. Bei der WM stolperte er jedoch nach durchwachsenen Leistungen aus dem Team: Gegen Mexiko noch 90 Minuten, gegen Schweden eine Halbzeit, gegen Südkorea nur auf der Bank. Verdrängt hatte ihn der wiedererstarkte Marco Reus.

Der 24-Jährige ist nicht weit weg von der ersten Elf, aber die 90 Minuten auf der Bank gegen Frankreich waren kein gutes Zeichen für ihn. Die neuen Rollen von Reus und Timo Werner, so sie denn bleiben, würden es ihm noch schwerer machen, sich wieder ins Team zu kämpfen: Sieht Löw Werner nun eher auf dem offensiven linken Flügel, ist Draxler außen vor - und zentral in der Spitze ist nicht wirklich sein Spiel, auch hier passt Reus etwas besser. Müller ist auf rechts weiter gesetzt. Einen Spielmacher gibt es nicht.

Draxler muss sich also vor allem über den Verein anbieten. Nur: In der Startruppe von PSG ist er wie schon letztes Jahr eher zweite Wahl. Bisher wurde er in der Liga von Thomas Tuchel dreimal eingewechselt, jeweils für den Argentinier Angel di Maria. Ihn zu verdrängen wird eine richtige Herkulesaufgabe.

Einen Wechsel - auch der FC Bayern wurde gehandelt - lehnte er ab. "Ich habe keinen Grund dafür gesehen, die Flucht zu ergreifen", sagte er zu Sport1.

Sich selbst sieht er als "eine Mischung aus linkem Flügel und Zehner". Im 4-1-4-1 wie gegen Frankreich müsste er an Werner vorbei, bei einem 3-5-2 wäre er für den Flügel wohl zu offensiv. Mit dem genesenen Reus oder Julian Brandt ist die Konkurrenz größer geworden. Eine Möglichkeit könnte der Platz neben Kroos sein: "Ich habe letzte Saison in Paris auch oft auf der Acht gespielt."