Marcel Reif hat Europas Königsklasse immer im Blick. Der Grimme-Preis-Träger sagt Ihnen, was er sieht, und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund. Dieses Mal nimmt der Premiere-Kommentator die Achtelfinalpartie des FC Bayern München bei Sporting Lissabon (Mi., ab 20.30 Uhr im LIVE-TICKER und im Internet-TV) unter die Lupe, spricht dabei über die gefährlichen Schattenseiten eines Wunschloses und die hohe Kunst, punktgenau den Schalter umzulegen.
Die Bayern treten im Achtelfinale der UEFA Champions League gegen Sporting Lissabon an. Als sie die Portugiesen im Dezember zugelost bekamen, sah man in München nur entspannte Gesichter. Ein Wunschlos! Aber macht so ein Wunschlos auch wunschlos glücklich?
Die Geschichte hat zwei Seiten. Wunschlos bedeutet in diesem Falle ja: Du bist besser und musst dich durchsetzen, basta. Wenn du dich aber nicht durchsetzt, bist du der Depp. Und davor, in genau diese Rolle zu rutschen, sehe ich die Bayern mitnichten gefeit.
Das hat zwei Gründe. Zunächst lädt der Gegner Sporting Lissabon geradezu dazu ein, ihn zu unterschätzen. Sporting gehört nicht zu den Kontrahenten, gegen die alle automatisch hoch motiviert auflaufen. Bei Manchester United müssten wir nicht diskutieren, aber die Elf aus Lissabon zählt zur Kategorie "Wer ist das bitte?".
Ein riskantes Unterfangen
Das Duell gegen die Portugiesen wird kein Kampf der Giganten. Lissabon wird sagen: Wir sind der Außenseiter, wir haben einen der ganz Großen in Europa erwischt. Wir machen uns einen schönen Abend, für die Musik, liebe Bayern, habt ihr zu sorgen.
Mit der Frage, ob die Bayern das können, sind wir beim zweiten Grund, warum die große Freude über den leichten Gegner eine äußerst kurze werden könnte. Der Deutsche Meister hat bislang in der Rückrunde keineswegs überzeugt.
Bei den Niederlagen in Hamburg und Berlin und erst recht bei der Heimpleite gegen Köln schienen mir die Münchner nicht wirklich bei der Sache zu sein. Das sah nicht seriös aus und deswegen ist Jürgen Klinsmann auch fuchsteufelswild. Jetzt allerdings ist endlich wieder Champions League.
Das, so muss ich zumindest dringend hoffen, ist genau das Alibi für die fahrigen Leistungen, nach dem die Bayernspieler die ganze Zeit gesucht haben. Wir runzeln zwar alle artig die Stirn darüber, dass sie sich offenbar so sehr auf die Königsklasse konzentrieren und die Liga nach dem Motto "Das kriegen wir schon irgendwie hin" abwickeln.
Die Kunst den Schalter umzulegen
Aber wir wissen, dass es nun mal so ist. Es ist ja auch nachvollziehbar. Für den Erfolg in Europa ist schließlich der neue Trainer gekommen und hat einiges auf den Kopf gestellt. Nur ist das alles ein höchst riskantes Unterfangen. Große Mannschaften wie der AC Mailand konnten den Schalter umlegen, exakt für die Champions League Top-Leistungen abrufen.
Das ist jedoch sehr schwer. Ob die Bayern das ebenfalls fertigbringen? Sie müssen jetzt auf den Punkt genau umsetzen, was sie können. Gelingt ihnen das, dann gnade Lissabon Gott. Doch wenn nicht, dann müssen die Münchner damit fertig werden, dass wohl insgesamt Sand im Getriebe ist.
Bearbeiten die Bayern ihr Achtelfinale nicht ernsthaft genug und liefern Larifari-Vorstellungen wie in den letzten Partien in der Bundesliga ab, gibt das ein schlimmes Erwachen und mächtig Ärger. Denn natürlich erwartet jeder völlig zu Recht, dass der ruhmreiche Sporting Clube de Portugal gegen den FC Bayern freundlicherweise dran glauben muss.
Alle Begegnungen des Achtelfinales im Überblick