Nach seiner ersten vollen Saison für Werder Bremen in der Bundesliga schreibt Marco Friedl aktuell mit der österreichischen Nationalmannschaft Geschichte. Der Defensivspezialist ist Teil der U21, die zum ersten Mal überhaupt bei einer Europameisterschaft vertreten ist.
SPOX und Goal trafen den 21-Jährigen vor dem Duell gegen Deutschland (21 Uhr im LIVETICKER) im italienischen Corno Di Rosazzo zum Interview und sprachen mit ihm über das Turnier und Sticheleien unter Teamkollegen.
Außerdem gab Friedl einen Einblick in Würfel-Poker-Runden mit Max Kruse und erinnerte sich an die Zeiten, in denen er bei seinem Freund und Vorbild David Alaba übernachten durfte.
Herr Friedl, das ÖFB-Team ist zum ersten Mal bei einer U21-Europameisterschaft dabei. Welche Zielsetzung haben Sie für das Turnier?
Marco Friedl: Wir wollen nicht am 23. Juni schon nach Hause fahren, sondern ins Halbfinale. Natürlich sind wir Außenseiter und die meisten sagen, nach drei Spielen ist es vorbei, aber wir wollen es unseren Kritikern beweisen.
Die Vorbereitung eingeschlossen, sind Sie als Team nun schon mehrere Wochen zusammen. Wie vertreiben Sie sich die Zeit zwischen den Spielen und Einheiten?
Friedl: Das Hotel ist in einer sehr schönen und ruhigen Umgebung, sodass wir versuchen so viel wie möglich raus zu kommen. Häufig setzen wir uns zusammen und spielen etwas, anstatt den ganzen Tag im Hotelzimmer zu sitzen und zu warten, bis der Tag endlich vorbei ist. Es ist wichtig, dass man in solchen Momenten vom Fußball abschalten kann, Spaß hat und den Kopf ein bisschen freibekommt.
Marco Friedl: "PlayStation spielen kann man wann anders"
Es heißt, im deutschen Quartier gibt es einige Spieler, die täglich bis zu vier Stunden PlayStation spielen. Ist es bei den Österreichern ähnlich?
Friedl: (lacht) Wir spielen eigentlich kaum PlayStation. Wir sitzen lieber zusammen und spielen Karten oder Würfeln. Natürlich zocken viele von uns während der Saison in der Freizeit manchmal an der Konsole - da nehme ich mich nicht aus. Als Nationalmannschaft kommen wir in dieser Konstellation allerdings nicht so oft zusammen und schätzen die gemeinsame Zeit. PlayStation spielen kann man wann anders.
Im letzten Gruppenspiel steht nun ein echtes Endspiel gegen den Erzrivalen Deutschland an.
Friedl: Ich freue mich natürlich sehr auf das Spiel. Es wäre großartig, gegen meine beiden Teamkollegen zu gewinnen und so mit noch besserer Laune zurück nach Bremen zu kommen. Das Spiel gegen Deutschland ist die Krönung der Gruppenphase.
Sie sprechen Ihre Teamkollegen Maximilian und Johannes Eggestein an. Wurden schon Wetten für das Spiel abgeschlossen?
Friedl: (lacht) Noch nicht, aber ich bin offen für Angebote. Die eine oder andere Stichelei gibt es schon. Maxi, Jojo und ich teilen gern aus und haben im Vorfeld natürlich alle eine große Klappe. Doch wichtig ist das Spiel und wir freuen uns sehr auf das Duell.
gettyMarco Friedl bedauert Werder-Abschied von Max Kruse
Bei Werder haben Sie eine Würfel-Poker-Runde etabliert, der auch Max Kruse angehörte. Wie sehr wird er Ihnen dort fehlen?
Friedl: Max hat leider relativ häufig gewonnen - das muss ich zugeben. Er war ein super Kollege und sehr guter Kapitän, der immer seine Leistung gebracht hat und vorangegangen ist. Gerade in der Rückrunde hat er exzellent gespielt. Es ist schade, dass er uns verlassen hat, aber das ist sein gutes Recht. Niemand aus der Mannschaft macht ihm einen Vorwurf, weil er sich in jedem Spiel für den Klub aufgeopfert hat. Ich kam sehr gut mit ihm zurecht und wünsche ihm nur das Beste.
Er ist ein Profi, der seinen ganz eigenen Weg geht. Was für einen Menschen verliert Bremen mit ihm?
Friedl: Er war nicht nur innerhalb der Mannschaft, sondern in der ganzen Stadt geschätzt, weil er alles für Bremen gegeben hat. Einen wie Max Kruse zu verlieren, tut weh.
Trotz starker Saison haben Sie mit Werder die Europa League knapp verpasst. Wie lautet die Zielsetzung für die kommende Spielzeit?
Friedl: In den entscheidenden Momenten haben wir gegen vermeintlich schwächere Gegner viele Punkte liegen lassen. Gegen die Absteiger Nürnberg, Hannover und Stuttgart haben wir gepatzt - das darf nicht passieren, wenn man international dabei sein will. Die Qualifikation für die Europa League ist auf jeden Fall unser Ziel für die kommende Saison. Noch heute hadere ich auch mit dem Halbfinal-Aus im DFB-Pokal gegen den FC Bayern. Wir waren lange Zeit die bessere Mannschaft und verloren nur durch einen sehr fragwürdigen Elfmeter.
gettyIhre Beziehung zum FC Bayern ist ohnehin etwas Besonderes. Nach zehn Jahren haben Sie den Klub im vergangenen Jahr verlassen. Wurmt es Sie, dass Sie sich in München nicht durchsetzen konnten?
Friedl: Ich hatte das große Glück, meine ersten zweieinhalb Jahre als Profi beim FC Bayern zu spielen und dort unglaublich viele tolle Erfahrungen sammeln zu dürfen. Gerade als Jugendspieler ist es aber brutal schwer, sich in dieser Mannschaft durchzusetzen. Trotzdem habe ich mein Debüt in der Champions League und Bundesliga gefeiert und einiges erreicht. Der Wechsel zu einer vermeintlich kleineren Mannschaft wie Werder war für mich trotzdem kein Schritt zurück, sondern nach vorne, da mir die Verantwortlichen dort eine deutlich bessere Perspektive aufzeigen konnten. Es macht großen Spaß, in diesem Team Fußball zu spielen und ich freue mich auf die kommenden Jahre.
Marco Friedl über David Alaba: Ein "Freund fürs Leben"
Gerade wenn man jemanden wie David Alaba vor sich hat, ist es nicht gerade leicht, auf Spielzeit zu kommen. Wie war Ihre Beziehung zu ihm?
Friedl: Auf jeden Fall, David Alaba ist eine Klasse für sich. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis und schon zu meinen Jugendzeiten waren wir gute Freunde. Gerade in meinen letzten zwei Jahren in München habe ich so oft wie möglich bei ihm übernachtet. Da ich zu dieser Zeit noch zur Schule ging, klappte es leider nicht immer.
imagoAls Jugendspieler plötzlich regelmäßig Zeit mit seinem großen Vorbild zu verbringen, war sicher spannend.
Friedl: Alaba war schon früh mein Vorbild und es war eine glückliche Fügung, schon als Jugendspieler in ihm einen Freund fürs Leben zu finden. Er zählt auf der Welt zu den allerbesten auf seiner Position - so jemanden in seinem Team und Freundeskreis zu haben, zu dem ich aufschauen kann, war großartig für meine Entwicklung. Zu sehen, wie sich jemand, der schon alles gewonnen hat, auf und neben dem Platz verhält, hat mir sehr geholfen.
Wie eng ist der Kontakt heute noch?
Friedl: Wir stehen bis heute in Kontakt. Erst vor der U21-EM haben wir uns getroffen. Wir versuchen, uns so häufig wie möglich zu sehen und schreiben sehr viel. Dabei geht es in den Gesprächen weit über den Fußball hinaus. Für das Turnier hat er mir geraten, die Zeit zu genießen, da wir die ersten Österreicher sein dürfen, die unser Land bei der Europameisterschaft vertreten. Ich bin froh, auch mal was erleben zu können, was er noch nicht erlebt hat