Genialer Spion mit Macken

Thomas Gaber
24. November 201213:49
Marco Reus wechselte im Sommer für 17 Millionen Euro von Mönchengladbach nach DortmundGetty
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Marco Reus hat sich zu einem der angesagtesten deutschen Fußballer entwickelt. Sein Spiel kann genial sein - aber auch uninspiriert. Um an seinem Spiel zu arbeiten, legt sich der Dortmunder gerne auf die Lauer.

Fabian Bäcker ist keine große Nummer im deutschen Fußball, zumindest noch nicht. Mit 18 durfte der ausgebildete Stürmer im Trikot von Borussia Mönchengladbach ein wenig Bundesligaluft atmen und erzielte gegen den VfL Bochum auch ein Tor.

Viel mehr als regelmäßige Einsätze in der Regionalliga hat Bäcker seitdem nicht vorzuweisen. Vor der Saison schloss er sich Kickers Offenbach an und stand am letzten Spieltag zum ersten Mal in der Startelf des Drittligisten.

Dass die Kickers gegen Hansa Rostock 2:1 gewannen, machte den vorletzten Freitag per se schon zu einem guten Tag für Bäcker. So richtig glücklich war der 22-Jährige aber erst, als er nach dem Duschen auf sein Handy schaute. Marco Reus hatte ihm via Kurznachricht zum Einsatz gratuliert.

Beide kennen und mögen sich aus gemeinsamen Gladbacher Zeiten. "Marco hat beide Augen auf dem, was ich so mache", sagt Bäcker. Deshalb wunderte er sich auch nicht, dass Reus offenbar zeitnah Kenntnis genommen hatte von Bäckers Startelfeinsatz.

Anerkennung von höchster Stelle

Borussia Dortmund, Nationalmannschaft, Champions League - all das kennt Bäcker nicht mal im Ansatz. Die Werdegänge zweier dicker Kumpels, die einst in Mönchengladbach ihre Karrieren parallel begannen, könnten unterschiedlicher kaum sein.

Marco Reus hat sich binnen eines Jahres zu einem der angesagtesten Fußballer in Deutschland entwickelt. Der BVB ließ sich seine Dienste im Sommer über 17 Millionen Euro kosten, auch die Bayern und mehrere Spitzenvereine aus dem europäischen Ausland waren hinter dem Ausnahmetalent her.

Mit 23 Jahren hat Reus zwar noch keine Titel, dafür aber jede Menge Anerkennung von höchster Stelle gewonnen. Als Xabi Alonso, immerhin Doppeleuropa- und Weltmeister sowie Champions-League-Sieger vor dem ersten Duell zwischen Real Madrid und Dortmund nach dem seiner Meinung nach gefährlichsten BVB-Spieler gefragt wurde, antwortete er: "Marco Reus. Er spielt dynamisch, läuft vertikal. Er hat, wie sehr viele Deutsche, einen strammen Schuss. Wir müssen hellwach sein, dass er uns nicht davonzieht."

Sämtliche von Alonso genannten Attribute vereinte Reus im Rückspiel im Santiago Bernabeu in einer einzigen Aktion - bei Dortmunds Führungstreffer zum 0:1.

Chef in Dortmund bei Standards

Reus hat für den BVB und die Nationalmannschaft in den letzten Monaten einige fantastische Tore geschossen, wie den Freistoß-Treffer in Augsburg. Reus versteht es, mit gestreuten Genialitäten nachhaltig aufzufallen.

Dank Reus' Schusstechnik hat Dortmund eine Waffe wiederentdeckt, der seit dem Abgang von Nuri Sahin ein wenig die passende Munition fehlte.

Seine Fähigkeiten bei ruhenden Bällen haben Reus inzwischen eine Chefrolle in Dortmund eingebracht. "Er hat die Bälle letztes Jahr in Gladbach regelmäßig auf den Kopf von Dante gefeuert. Deshalb dachte ich, dass es Sinn machen würde, wenn er die Ecken und Freistöße auch bei uns schießt", sagte BVB-Trainer Jürgen Klopp nach dem Augsburg-Spiel.

Uninspiriert, unsichtbar

Dies alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Reus' Spiel noch erheblichen Schwankungen und Launen unterworfen ist. Starken Vorstellungen wie gegen seinen Ex-Klub Mönchengladbach, als Reus seinen ersten Doppelpack für Dortmund schnürte, folgten gleich mehrere uninspirierte Leistungen.

Potentiell gefährlich ist Reus immer, mitunter aber auch unsichtbar. Er hat oft nicht die Präsenz seines Mitspielers Mario Götze. Hinzu kommt seine Schwäche in der Defensivarbeit. Um den Spielstil des BVB und auch den des DFB-Teams erfolgreich umzusetzen, ist hohe Lauf- und Abwehrarbeit aller Spieler erforderlich; hier hat Reus am meisten Nachholbedarf.

Reus kann richtig einschätzen, wie sich seine Welt in den letzten ein, zwei Jahren verändert hat. Er weiß, dass er alles mitbringt, um eine große Karriere hinzulegen. Er kann aber auch richtig einschätzen, dass ihm zu einem kompletten Spieler noch das eine oder andere fehlt.

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"Ich bin selten voll zufrieden mit dem, was ich auf dem Platz abliefere. Ich schaue mir alle unsere Spiele an und schreibe mir vor allem die Szenen raus, die nicht so gut waren", sagt er selbstkritisch.

"Ich muss noch einiges verbessern: Den Körper im Zweikampf besser einsetzen, die Technik verfeinern, sodass die Ballmitnahme noch schneller und besser klappt. Und das Gespür für Spielsituationen weiterentwickeln, die entscheidend sein können."

Intensiver Beobachter

Für die Weiterentwicklung seines Instinkts spioniert Reus intensiv.

"Ich lerne die Gegenspieler in der Partie ja kennen und beobachte sie einfach genau: In welchen Situationen spielt der Verteidiger quer? Wann spielt er zurück zum Torwart? Ich spekuliere dann und hoffe auf die Chance", sagte er der Zeitung "Die Welt".

Gut spekulierte Reus am Mittwoch in der Champions League, als er genau im richtigen Moment in die Tiefe startete, um Götzes Pass zu bekommen und dann als Krönung auch noch den Torhüter tunnelte. Dortmund gewann 4:1 in Amsterdam und zog ins Achtelfinale ein. Auch dank Marco Reus...

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