Die deutschen Nationalspieler Jamal Musiala, Niklas Süle und Serge Gnabry haben aktuell einen schweren Stand beim FC Bayern München, beim Topspiel gegen Borussia Dortmund (3:2) saßen sie zunächst allesamt nur auf der Bank. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.
Als einer von nur 15.000 zugelassenen Menschen genoss Bundestrainer Hansi Flick das Privileg, das Topspiel der Bundesliga am Samstagabend live im Signal-Iduna-Park verfolgen zu dürfen. Blickt man auf die Aufstellung des FC Bayern München, hätte Flicks französisches Pendant Didier Deschamps durchaus ebenfalls Anrecht auf eines der begehrten Tickets gehabt.
Dort tummelten sich nämlich mehr Spieler, die für seine Mannschaft einsatzberechtigt wären, als für Flicks. 5:4 lautete das Endergebnis. Auf drei zumindest etwas umkämpften Positionen entschied sich Flicks Nachfolger Julian Nagelsmann in direkten Duellen jeweils gegen aktive DFB-Kicker und für Vertreter der Equipe Tricolore.
Auf der Doppelsechs ersetzte neben Leon Goretzka erneut nicht das deutsche Wunderkind Jamal Musiala den seit einer gefühlten Ewigkeit in Quarantäne ausharrenden Joshua Kimmich, sondern Corentin Tolisso. Rechts hinten bekam erneut Benjamin Pavard den Vorzug vor Niklas Süle, davor vertraute Nagelsmann erneut Kingsely Coman statt Serge Gnabry. Vive la France! Überraschend kamen diese Entscheidungen jeweils nicht, tatsächlich unterstrichen sie Trends.
Corentin Tolisso statt Jamal Musiala
Corentin Tolisso (27) ist beim FC Bayern die positive Überraschung der vergangenen Wochen. Seit seiner Ankunft 2017 fehlte der zentrale Mittelfeldspieler bekanntlich mehr, als dass er spielte. Anfang dieser Saison waren es Wadenprobleme, unter denen hatte er in München zuvor überraschenderweise noch nie gelitten. Nach seinem Comeback Ende Oktober gab es für den Unglücksraben aber zwei glückliche Fügungen: Neuzugang Marcel Sabitzer enttäuschte nachhaltig, Kimmich ließ sich nicht impfen. So bekam Tolisso relativ aus dem Nichts relativ viel Spielzeit, die er relativ gut nutze.
"Er ist eine Maschine im Zweikampf und will viele Bälle haben. Er hat herausragende Qualitäten, die ich auch gegen Dortmund sehen will", verriet Nagelsmann schon bei der Pressekonferenz vor dem Topspiel. Jamal Musiala (18) wäre für einen Platz in der Startelf nach Auskunft des Trainers unterdessen nur dann in Frage gekommen, wenn im zentralen Mittelfeld neben Kimmich auch noch der ebenfalls leicht angeschlagene Goretzka ausgefallen wäre.
Musialas Paradeposition ist aber eigentlich eh die eines anderen deutschen Nationalspielers - und zwar Thomas Müllers Spielmacherrolle. Ärgerlich für ihn, dass dieser Müller nie ausfällt und immer spielt. Seit Mitte Oktober stand Musiala nicht mehr in der Startelf. Nagelsmann verwies zuletzt auf Musialas nicht ganz so üble Einsatzzeit von im Schnitt 35 Prozent pro Spiel. Er sagte aber auch, dass es "scheiße von mir ist", wenn sich dieser Wert bis zum Saisonende nicht erhöht: "Dann würden wir ihn am Ende zu wenig fördern."
Tatsächlich hat sich der Wert seit diesen Aussagen sogar etwas verringert, gegen Dortmund spielte Musiala nur 25 Minuten. In der Nachspielzeit sah er dann aus nächster Nähe, wie Tolisso die Krönung seines nächsten guten Auftritts verpasste, bei einem Konter schoss er den Ball aus etwa 40 Metern am leeren Tor vorbei. Nach Abpfiff war Tolisso der erste Spieler, den Nagelsmann herzte. Ob es solche Bilder auch in der kommenden Saison zu sehen gibt? Tolissos Vertrag läuft im Sommer aus, Nagelsmann betonte: "Es ist nie gut, wenn ein Spieler ablösefrei geht."
Benjamin Pavard statt Niklas Süle
Geht es nach der (am plakativsten geäußerten) Stimme des bayerischen Volkes, dann müsste rechts hinten Niklas Süle (26) den Vorzug vor Benjamin Pavard (25) erhalten. Aus der Anfangsphase der Saison sind diesbezüglich zwei Episoden in bester Erinnerung: Die wiederkehrenden Süle-Rufe von den Rängen der Allianz Arena, vorzugsweise nach wilden Dribbeleinlagen des Hünen. Sowie ein Banner mit der Aufschrift "Pavard = Kreisliga".
Süle spielte bei Nagelsmann zunächst immer und galt als großer Gewinner unter dem neuen Trainer, den er bestens aus gemeinsamen Zeiten bei der TSG Hoffenheim kennt. Pavard dagegen setzte seinen Abwärtstrend seit der überragenden Triple-Saison 2019/20 fort, erschwerend hinzu kamen eine Sprunggelenksverletzung und eine Rotsperre. Zwischenzeitlich sah er sich sogar genötigt, Kritik an seiner Spielweise öffentlich zu kontern. Pavard spiele nach eigener Auskunft "vielleicht weniger sexy" als andere berühmte Außenverteidiger, sei dafür aber "defensiv kompletter".
Bei den vergangenen vier Pflichtspielen reichte dieses Portfolio jeweils für Startelfeinsätze. So oft hatte Pavard in der laufenden Saison noch nie hintereinander begonnen. Zunächst profitierte er zweimal von Süles Corona-Infektion, dann saß sein Rivale zweimal nur auf der Bank. Nachhaltig empfohlen hat sich Pavard bei all den Einsatzminuten aber nicht, in Dortmund setzte er erneut kaum offensive Akzente und sah außerdem beim zwischenzeitlichen 2:2 von Erling Haaland nicht gut aus.
Die rechte Abwehrseite ist Nagelsmanns größte Problemzone. Süle und Pavard sind gelernte Innenverteidiger, wo aktuell aber die beiden Franzosen Dayot Upamecano und Lucas Hernandez gesetzt sind. Auf rechts fehlt ein offensivstarker Vertreter, wie es ihn auf der anderen Seite mit Alphonso Davies gibt. Womöglich kommt deshalb bald neue Konkurrenz, die Süle womöglich nicht mehr miterleben wird. Der Vorstandsvorsitzende Oliver Kahn ließ eine Verlängerung dessen im kommenden Sommer auslaufenden Vertrages am Sonntag bei Sky offen.
Kingsley Coman statt Serge Gnabry
Die beiden Flügelpositionen galten schon vor der Saison als die umkämpftesten beim FC Bayern. In Topform verkörpern die drei Kandidaten Leroy Sane (25), Serge Gnabry (26) und Kingsley Coman (25) schließlich allesamt absolute Weltklasse. Zunächst kam Nagelsmann um die schwierige Aufstellungsfrage herum, die Beantwortung übernahm Comans Herzoperation.
Als Coman zurückkehrte, befand sich Sane in absoluter Topform. Er strahlte von der linken Seite permanente Torgefahr aus und gab dem Spiel des FC Bayern mit seinem Einrücken ins Zentrum bei gleichzeitigen Vorstößen des Linksverteidigers Davies außerdem eine neue Dimension.
Um dem wiedergenesenen Coman Spielpraxis zu geben, musste also fast schon zwangsläufig der etwas unauffälligere und ineffektivere Gnabry weichen. Coman glänzte direkt bei seinem allerersten Startelfeinsatz gegen Union Berlin Ende Oktober (5:2). Einmal mehr bewies der Schütze des entscheidenden Treffers im Champions-League-Finale von 2020: Keiner beim FC Bayern dribbelt so quirlig wie er. Seitdem ist Coman auf dem rechten Flügel gesetzt. Selbstverständlich startete er auch in Dortmund, wo er erneut zu den Besten beim FC Bayern zählte und das zwischenzeitliche 2:1 markierte. Gnabrys Einsatzzeiten gingen logischerweise markant zurück.
Die Verträge beider Spieler laufen 2023 aus: Während es bei Coman schon seit Monaten öffentlichen Wirbel über eine mögliche Verlängerung gibt, könnte eine ähnliche Entwicklung nun auch bei Gnabry drohen. Der FC Bayern will schnellstmöglich verlängern, zuletzt kursierten aber Gerüchte über ein angebliches Interesse von Real Madrid.
Gegen einen anderen spanischen Klub könnte Gnabry am Mittwoch genau wie Musiala und Süle aber wieder eine Chance in der Startelf erhalten. Das unbedeutende abschließende Spiel der Champions-League-Gruppenphase gegen den FC Barcelona lädt förmlich zur Rotation ein. Der FC Bayern steht schließlich längst als Gruppensieger fest.