FC Bayern - Erkenntnisse zum Sieg gegen Inter Mailand: Dauerreservist nutzt seine Chance nicht - Verteidigung macht Nagelsmann Probleme

Tim Ursinus
02. November 202208:25
Liefern sich ein enges Duell um den Platz auf der rechten Abwehrseite: Benjamin Pavard und Noussair Mazraoui.imago images
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Auch im sechsten Spiel der Gruppenphase ist der FC Bayern als Sieger vom Platz gegangen. In der sportlich unwichtigen Partie gab Julian Nagelsmann einigen Reservisten die Chance, sich zu beweisen - das nutzten jedoch nicht alle. Außerdem wird die Situation in der Verteidigung immer komplizierter für den FCB-Trainer.

FC Bayern: Dauerreservist nutzt seine Chance nicht

Fünfmal tauschte Julian Nagelsmann im Vergleich zum Schützenfest gegen Mainz 05 am Samstag und gab einigen in der Vergangenheit weniger beachteten Spielern auf der größten Fußballbühne Europas die Chance, sich für weitere Aufgaben zu empfehlen. Unter anderem durften Josip Stanisic ( links, nach der Pause innen) in der Verteidigung und Ryan Gravenberch auf der Zehn ran.

"Es waren sehr viele junge Spieler auf dem Feld. Es ist immer gut, wenn du weißt, dass du wechseln kannst und keinen Qualitätsverlust hast", lobte Nagelsmann die Spieler, die sonst meist nicht über Kurzeinsätze hinauskommen, nach dem 2:0-Sieg über Inter Mailand. Auf die einzelnen Profis ging er jedoch nicht ein und machte es sich somit freilich einfacher. Nach dem ersten Heimsieg gegen die Nerazzurri im vierten Anlauf gibt es schließlich auch nicht so viel zu kritisieren.

Allerdings hatten nicht alle gleichwertig überzeugt. Einer, der sich zuletzt sogar öffentlich über seine Rolle in der Mannschaft beschwerte, gehörte zu den schwächsten FCB-Spielern auf dem Platz: Ryan Gravenberch (SPOX-Note: 4). Der Neuzugang von Ajax Amsterdam spielte auf ungewohnter Position hinter den Spitzen, nennenswerte Impulse setzte er aber nicht. 52 Ballaktionen und ein ungefährlicher Abschluss, dazu eine nicht mehr als solide Passquote von 83 Prozent: Bäume riss der 20-Jährige nicht aus.

Vergleicht man das mit Jamal Musiala, Leroy Sané oder Thomas Müller, war also sehr wohl ein Qualitätsverlust zu erkennen. Zumal der erst zur 65. Minute eingewechselte Musiala der nach dem Seitenwechsel eingeschlafenen Offensive in kürzester Zeit deutlich mehr Leben einhauchte. Trotz der deutlich geringeren Spielzeit hatte er nur rund 20 Ballaktionen weniger als Gravenberch.

Zu seiner Verteidigung muss hervorgehoben werden, dass Gravenberch lieber eine Reihe weiter hinten spielt. Dennoch wurde er als offensiv denkender Zentrumspieler verpflichtet. Zumal der Niederländer in einer weiteren für diese Position nicht ganz unwichtigen Statistik enttäuschte - er gewann lediglich drei seiner elf Zweikämpfe. Mit 14 Ballverlusten (nur Kinsgley Coman hatte mehr) war er gegen die auf Konter bedachten Mailänder zudem ein Unsicherheitsfaktor.

Es sind Werte, die Gravenberchs Ansprüche nicht rechtfertigen. Mit diesem Status im Team gilt es, die wenigen Chancen - egal auf welcher Position - zu nutzen, um sich für weitere Startelfeinsätze zu empfehlen. Die Spanne zu seiner direkten Konkurrenz wird sonst immer noch größer. Schon jetzt hat Marcel Sabitzer, der ebenfalls in der Startelf stand, hinter dem gesetzten Duo um Joshua Kimmich und Leon Goretzka, gegenüber Gravenberch klar die Nase vorn. Vorerst wird er die Nummer vier im internen Mittelfeld-Ranking bleiben.

FC Bayern: Transfers im Sommer 2022

SpielerAblösesumme (ohne Boni)Abgebender Klub
Matthijs de Ligt67 Millionen EuroJuventus Turn
Sadio Mané32 Millionen EuroFC Liverpool
Mathys Tel20 Millionen EuroStade Rennes
Ryan Gravenberch18,5 Millionen EuroAjax Amsterdam
Noussair MazraouiablösefreiAjax Amsterdam

FC Bayern: Mazraoui nicht mehr aus der Startelf wegzudenken

Für Neuzugang Noussair Mazraoui war auf der rechten Abwehrseite eigentlich kein Vorbeikommen an Benjamin Pavard, inklusive des 5:0-Siegs gegen den SC Freiburg Mitte Oktober begann er allerdings viermal in fünf Partien - und überzeugte in jeder. Seit dem 3:0 gegen den FC Barcelona ist der marokkanische Nationalspieler nicht mehr aus der Startelf wegzudenken.

Der Marokkaner habe im Camp Nou "gut gespielt", erklärte Nagelsmann nach dem Spiel gegen Mainz seine erneute Entscheidung pro Mazraoui und wies auf die Verletzung von Lucas Hernández hin, weshalb Pavard auch als "Option für die Innenverteidigung" eingeplant sei. Warum der Franzose bei Bedarf nicht von rechts auf innen ziehen könne und Mazraoui dann eingewechselt werde, ließ er offen.

Eine Erklärung lieferte er allerdings trotzdem, wenn auch nur beiläufig. Mazraoui mache seine Sache besonders "gegen aggressive Teams gut", sagte Nagelsmann und spielte damit auch auf eine der größten Münchner Schwächen während der Ergebniskrise im frühen Herbst an. Insbesondere Mannschaften, die auf ein hohes Pressing setzten, stellten den FCB vor große Probleme in der Defensive. Der 24-Jährige ist dafür eine Art Gegengift.

Liefern sich ein enges Duell um den Platz auf der rechten Abwehrseite: Benjamin Pavard und Noussair Mazraoui.imago images

Mazraoui verfügt über eine enorme Ruhe am Ball. Außerdem sorgt er im Zentrum bei eigenem Ballbesitz durch geschicktes Verlagern seiner Position immer wieder für Übergewicht, was es dem Gegner schwerer macht, den Ball zu erobern. Neben Kimmich und Goretzka oder Sabitzer agiert er quasi als dritter Mittelfeldspieler im Spielaufbau.

Gegen Inter stellte er zudem seine Qualitäten in der Offensive unter Beweis, allerdings nicht mit dem Schlagen von Flanken, was ihn in Amsterdam so begehrt gemacht hatte, sondern durch hervorragendes Raumdeuten. Beinahe in jeder gefährlichen Aktion hatte er seine Finger im Spiel. Nur Kimmich spielte mehr Pässe im Angriffsdrittel. Es ist also nur schwer vorstellbar, dass Nagelsmann in den verbliebenen zwei Spielen gegen Hertha BSC und Werder Bremen auf Mazraoui verzichtet.

FC Bayern: Pavard überzeugt in seiner Lieblingsrolle

Und Pavard? Der überzeugte nach zuletzt eher turbulenten Wochen in seiner geliebten Rolle als Innenverteidiger. Schon mehrfach hatte er in der Vergangenheit betont, dass er lieber innen anstatt hinten rechts spielen würde. Das Problem: Die Konkurrenz war schlichtweg zu groß, die Alternativen auf der rechten Abwehrseite begrenzt. Das hat sich aktuell beides geändert.

Neben Hernández fiel gegen Inter auch Matthijs de Ligt aus. Letzterer steht voraussichtlich am Samstag gegen Hertha BSC wieder im Kader, in Pavard hat Nagelsmann aber einen Ersatz in bestechender Form. Bevor ihm Mazraoui den Rang abgelaufen hatte, überzeugte er als Rechtsverteidiger. Beim Sieg über die Mailänder bestätigte er seine Verfassung im Zentrum.

Pavard führte zehn Zweikämpfe, wovon er acht gewann. Dazu kommen acht Ballgewinne, vier klärende Aktionen und eine Passquote von 94 Prozent. Mit seinem bereits vierten Saisontor - vor dem Sommer erzielte er in über 100 Spielen insgesamt fünf - sorgte er sogar für die Führung.

Sein kurioser Torjubel - der etwas aus der Zeit gefallene "Dab" - wirkte durchaus wie ein Symbol für den Frust, der sich zuletzt bei Pavard angestaut hatte und durch den Treffer schlagartig abgebaut wurde. "Ich freue mich dann, dass er an so einem Tag ein wichtiges Tor macht", sagte Nagelsmann und bezog sich dabei auf einen Bericht der Bild-Zeitung, die am Dienstag aufgedeckt hatte, dass Pavard vor einigen Wochen seinen Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer abgeben musste.

In der Folge gab es auch eine Strafe vom FC Bayern, wie Nagelsmann bestätigte: "Ich glaube, der Verein hat richtig reagiert. Er hat den Fehler eingesehen." Schon in der vergangenen Woche hatte Pavard für Aufsehen gesorgt, weil er sich Berichten zufolge über seine wiederholte Nicht-Berücksichtigung für die Startelf echauffiert haben soll.

"Benji war sicher sauer auf mich", sagte Nagelsmann hinterher und sprach "nicht zwingend" von einem dauerhaften Tausch zu Mazraoui. "Das ist für den Spieler nicht angenehm, aber er deckt gerade einfach zwei Positionen ab." Ebenfalls nicht angenehm wird die Moderation für den Bayern-Coach nach Pavards Leistung gegen Inter. Schließlich liefert dieser nun für einen Startplatz auf beiden Positionen Argumente.

FC Bayern: Die Spiele bis zur WM-Pause

TerminGegnerWettbewerbOrt
5. November, 15.30 UhrHertha BSCBundesligaAuswärts
8. November, 20.30 UhrWerder BremenBundesligaHeim