Die Maschine und "The Firewall"

Stefan Rommel
18. November 200922:23
Kolo (l.) und Yaya Toure bilden das dynamischste Brüderpaar des Welt-FußballsGetty
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Die deutsche Nationalmannschaft bestritt gegen die Elfenbeinküste das letzte Länderspiel des Jahres. Wichtige Stützen der ivorischen Mannschaft sind die Brüder Kolo (28) und Yaya (26) Toure. Auch dank ihnen sind Les Elephants heißester Anwärter auf den Titel beim African Cup of Nations im kommenden Jahr.

Die Geschichte der Toures aus Abidjan ist auch die Geschichte eines schicksalhaften Zufalls. Im Sommer 1994 kickte eine C-Schüler-Gruppe der eben gegründeten Fußballschule Mimosifcom Academy gegen ein namenloses Team aus Bouake.

Jean-Marc Guillou, Erfinder und treibende Kraft des Internats, sitzt auf der Tribüne. Guillou hat sich das Spähen nach Talenten als oberste Pflicht quasi selbst verschrieben. Und was er da auf dem holprigen Rasen im Adjame-Stadion zu sehen bekommt, gefällt ihm sehr.

Fußballschule in Abidjan: Geburt einer Legende

Ein etwas untersetzter Junge weckt das Interesse von Guillou. Ein paar Tage später steht der Franzose bei den Toures auf der Matte und bettelt bei Vater Mory darum, dessen Sohn Kolo in seine Akademie aufnehmen zu dürfen. "Als ich davon hörte, dass mein Ältester auf dieses neue Internat und da Fußballspieler werden wollte, war ich komplett dagegen. Ich habe Kolo schließlich zur Schule geschickt, damit aus ihm ein solider Beamter wird - und kein Fußballprofi", erinnert sich Mory Toure.

Aus dem Toure-Duo wird ein Trio

"Ich hatte immer furchtbare Angst, dass er es nicht schaffen würde gegen all die anderen Jugendlichen. Aber dann habe ich gemerkt, dass er ehrgeizig und hartnäckig nur dieses eine Ziel verfolgt. Da war mir klar: Ich muss ihn seinen eigenen Weg gehen lassen." Mory Toure war selbst vom Schicksal nicht eben mit Glück überhäuft worden. Der gelernte Feuerwehrmann jobbte für ein paar Franc als Servicekraft an einer Tankstelle, ging später zum Militär. Zu Hause galt es, sieben Kinder zu ernähren und eigentlich sollte Kolo seinen Vater irgendwann darin unterstützen.

Aber der Sprössling versuchte sich an der Fußballschule - und hatte durchschlagenden Erfolg. Heute könnte sich Mory Toure vom Geld seiner Kinder ohne Probleme seine eigene Tankstelle leisten. Heute sind Kolo und Yaya das dynamischste Brüderpaar des Welt-Fußballs. Und Nachzügler Ibrahim steht bei ASEC Abidjan auf dem Sprung nach Europa. Aus dem Duo wird dann ein Trio. Das Toure-Trio.

Als Kolo kam, musste Campbell gehen

Aber das hat noch Zeit, meint Papa Mory. Sein Sohn Kolo hat ihm und den restlichen Geschwistern und Cousins und Cousinen ein Haus bauen lassen im Viertel Yopougon. Heute sind die Toures eine wohlhabende Familie. "Manchmal klopfen wildfremde Leute an meine Tür und wollen Geld von mir", sagt Mory. Seine Söhne haben es in die Spitze des Welt-Fußballs geschafft und mit Les Elephants sind sie heißester Anwärter auf den Titel beim African Cup of Nations im nächsten Jahr. Kolo als Herz, Yaya als Kopf der Mannschaft.

Kolo Toure hat nach nur eineinhalb Jahren im Seniorenbereich den Sprung nach Norden gepackt, in die stärkste Liga der Welt, zu einem der größten Klubs der Welt. Beim FC Arsenal, wo Scouting und Integration hoffnungsvoller Talente quasi als Klub-Dogma gelten, schaffte er den Durchbruch.

Als Kolo kam, musste der gestandene Sol Campbell gehen. Toure war einfach schneller, bissiger, aggressiver. Youssouf Fofana, einer von Toures Trainern in der Akademie, formulierte es so: "Er ist einfach ein Top-Verteidiger. Er verliert nie eine Eins-zu-eins-Situation. Dabei hat er noch viel Spielraum, um sich weiter zu verbessern. Aber das wichtigste ist, dass er mit beiden Beinen auf dem Boden geblieben ist."

"Kolo ist eine Maschine"

Fast zumindest. Denn im Sommer konnte Kolo den süßen Verlockungen des ganz großen Geldes nicht widerstehen und wechselte von den Gunners zum ziemlich ambitionierten, aber noch reicheren Manchester City. Dort klappte der Neuanfang auf Anhieb. "Er ist ein vorbildhafter Profi. Er benimmt sich nicht wie ein Star, obwohl er weiß, dass Scheich Mansour ihn als einen der besten sieht. Kolo ist eine Maschine", sagt City-Co-Trainer Mark Bowen. Mit den Citizens will Kolo nun gewinnen, was ihm mit Arsenal verwehrt blieb: Einen wichtigen Titel.

Der kleine Bruder Yaya ist da schon einige Schritte weiter. In der besten Barca-Mannschaft aller Zeiten holte er fünf Titel in einer Saison, unter anderem den spanischen Pokal, die Meisterschaft und die Champions League. Mehr geht nicht. Der Weg des zweiten Toure ganz nach oben war nicht so geradlinig verlaufen wie der seines Bruders. Über die Umwege SK Beveren, Metalurgh Donezk, Olympiakos Piräus und AS Monaco landete er im Sommer 2007 in Barcelona.

Schnell erkämpfte sich Yaya einen Stammplatz im Mittelfeld. Unter all den Künstlern hatte er den entscheidenden Vorteil, effizient und sauber aufzuräumen. Wie seine großen Vorbilder Patrick Vieira, oder Claude Makelele, von denen sich der junge Yaya unheimlich viel abgeschaut hat.

Yaya Toure - The Firewall

Ein englisches Magazin taufte ihn "The Firewall" - und genau so spielte Toure auch. Das famose Jahr 2009 krönte er mit der Auszeichnung zum "Ivorischen Fußballer des Jahres". Doch derzeit erlebt Yaya Toure, der sich bei seiner Ankunft in Barcelona aus überbordendem Stolz über seinen Familiennamen Toure Yaya nennen ließ, auch die ersten Schattenseiten des Geschäfts. Nach einer Verletzung hat er seinen Stammplatz verloren.

Die Mannschaft spielt unvermindert erfolgreich, nur diesmal ist es nicht Yaya, der im defensiven Mittelfeld die Zaubermäuse der Offensive absichert, sondern ein anderer. Barca-Eigengewächs Sergi Busquets und Seydou Keita, der in zehn Ligaspielen schon sagenhafte sechs Treffer markiert hat, haben ihm den Rang abgelaufen. Bei Pep Guardiola spielt Toure derzeit nur eine untergeordnete Rolle.

"Fußball ist die Droge dieser Familie"

Im fernen Manchester ging deshalb auch Kolo an die Presse. Nassforsch und unverhohlen. "Er macht in Barcelona eine sehr harte Zeit durch. Er liebt den Fußball, aber er darf einfach nicht spielen. Ich wäre sehr glücklich, wenn er in die Premier League wechseln könnte. Das ist eine fantastische Liga. Und ich würde mich noch mehr freuen, wenn er sich meinem Klub anschließen würde", sagte er der "Manchester Evening News".

Zu Hause in Abidjan vernimmt der Papa solche Statements mit gemischten Gefühlen. "Ich erinnere mich noch, wie sie als Vier- und Zweijährige im Sand Fußball gespielt haben. Meine Mutter kam damals zu mir und sagte: "Diese Jungs werden deine Rettung sein!'"

Seit sieben Jahren sind die beiden jetzt getrennt. Die Chancen auf ein baldiges Wiedersehen im Verein stehen gar nicht so schlecht. Aber wichtiger als Geld, Titel oder die Familienzusammenführung ist etwas ganz anderes: Die Liebe zum Spiel. "Fußball ist die Droge dieser Familie", sagt Mory Toure, "und sie wird es immer bleiben."

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