Nach einer hürdenreichen Debütsaison ist Omar Mascarell bei Schalke 04 angekommen. Unter dem neuen Trainer der Königsblauen, David Wagner, nimmt der 26 Jahre alte Spanier nicht nur die Chefrolle im defensiven Mittelfeld ein, er zählt ab sofort auch zu den Kapitänen der Mannschaft.
Vor der Heimpremiere der neuen Bundesliga-Saison gegen den Rekordmeister FC Bayern (Samstag, 18.30 Uhr im LIVETICKER) trafen SPOX und Goal Mascarell zum Interview in Düsseldorf.
Der gut gelaunte S04-Profi schilderte in dem einstündigen Gespräch die Gründe für seine überwiegend enttäuschende erste Spielzeit in Gelsenkirchen und seinen Formanstieg in den vergangenen Monaten. Außerdem sprach er über seine Ex-Klubs Real Madrid und Eintracht Frankfurt und verriet, warum er Jose Mourinho auf ewig dankbar sein wird.
Herr Mascarell, Sie haben bei Schalke 04 eine Premierensaison zum Vergessen hinter sich. Warum wird die neue Saison besser?
Omar Mascarell: Die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Wir haben uns gut vorbereitet, gut verstärkt und eine neue sportliche Führung. Wir haben unsere Lehren aus der Vergangenheit gezogen und wollen nicht nochmal so eine Saison erleben wie die vergangene. Nach dem schwachen Start damals sind wir in ein Loch gefallen und dort für viele Monate geblieben.
Mascarell: "Bekam nicht die Einsätze, die ich benötigt hätte"
Sie kamen speziell unter Domenico Tedesco sehr selten zum Einsatz. Was waren die Gründe dafür?
Mascarell: Ich habe mich während der Vorbereitung verletzt und anschließend nicht die Einsätze bekommen, die ich benötigt hätte, um Selbstvertrauen zu sammeln. Es war ein hartes Jahr für mich.
Zumal Sie nach zwei starken Jahren bei Eintracht Frankfurt auch andere Optionen hatten.
Mascarell: Das stimmt, ich hatte mehrere Angebote aus der Bundesliga, aber für mich war immer klar, dass ich zu Schalke möchte, einem Klub mit langer Historie, beeindruckender Fanszene und großen Ambitionen. Ich habe mich sehr auf diese Aufgabe gefreut.
Wie haben Sie reagiert, als der Verein kurz vor dem Ablauf der Transferperiode Sebastian Rudy für 16 Millionen Euro vom FC Bayern verpflichtet hat?
Mascarell: Ich schätze Sebastian, und natürlich lässt einen das aufhorchen, aber ich sehe so eine Entscheidung sportlich, Konkurrenz spornt mich nur noch weiter an.
Hatten Sie Schwierigkeiten, sich in der Mannschaft zu integrieren?
Mascarell: Nein, überhaupt nicht, meine Kollegen haben mich gut aufgenommen und integriert. Naldo hat mir zum Beispiel sehr geholfen - bevor er im Winter leider gewechselt ist.
SPOXMascarell: "Nach dem Derby habe ich realisiert, wofür Schalke steht"
Dachten Sie im Januar auch über einen Wechsel nach?
Mascarell: Sicher war das eine schwierige Zeit für mich, aber für mich war von Anfang an klar, dass ich mich bei Schalke durchsetzen möchte. Ich wollte nicht weglaufen, weil ich wusste, dass ich gut genug bin, um hier zu spielen und meine Chance schon noch kommen würde.
Die kam schließlich im März, als Tedesco entlassen wurde. Wie ging sein Nachfolger Huub Stevens mit Ihnen um?
Mascarell: Ich bin Stevens sehr dankbar. Er hat vom ersten Tag an auf mich gesetzt und viele Gespräche mit mir geführt. Er hat uns wieder mental gestärkt in dieser schwierigen Zeit. Er ist zwar ein sehr strenger Trainer, aber das haben wir in dieser Phase gebraucht.
Der größte Erfolg war der 4:2-Sieg im Derby gegen Borussia Dortmund. Wie erinnern Sie sich an die Party in der Kultkneipe Bosch?
Mascarell: Es war unglaublich. In diesem Moment habe ich wirklich realisiert, wofür Schalke 04 eigentlich steht: Arbeit, Zusammenhalt und Leidenschaft für den Fußball. Der Derbysieg war für viele Fans eine kleine Entschädigung für unsere katastrophale Saison. Einen solchen Besuch würden wir gerne einmal wiederholen. Sowas ist man den Fans schuldig. Sie nehmen so viele Anstrengungen für uns auf sich, unterstützen uns immer und verdienen noch viel mehr solcher Momente.
Omar Mascarell: Die Bundesliga-Leistungsdaten 2018/19
Minuten | Tore | Vorlagen | Passquote | Zweikampfquote |
993 | 0 | 2 | 84,1 % | 46,7 % |
Wo sehen Sie Schalke in den nächsten drei Jahren?
Mascarell: Wichtig ist erstmal, dass wir uns besser präsentieren als in der vergangenen Saison. Aber wir sind Schalke 04 und ehrgeizig genug, um zu sagen, dass wir mittel- bis langfristig zurück in die Champions League wollen. Da gehört der Klub hin und deshalb bin ich auch hierher gekommen.
Was ist Ihr neuer Trainer David Wagner für ein Typ und welche Spielidee verfolgt er?
Mascarell: Er ist nah dran an der Mannschaft. Generell ist der Trainerstab sehr gesprächig und herzlich im Umgang mit uns Spielern. Das ist wichtig für das Mannschaftsklima. Auch Wagners Spielidee gefällt uns, weil er von uns verlangt, schnell ins Gegenpressing zu gehen, wenn wir den Ball verlieren. Er will sich nicht hinten reinstellen. Das kommt uns entgegen. Wir haben viele Spieler, die hervorragend mit dem Ball umgehen können und davon profitieren. Ich bin mir sicher, dass einige Jungs wie Amine Harit oder Weston McKennie in dieser Saison einen Schritt nach vorne machen werden.
Wagner hat Sie nach der Vorbereitung zu einem der Kapitäne ernannt. Was hat er zu Ihnen gesagt?
Mascarell: Er hat gesagt, dass ihm meine Leistungen in den Trainingseinheiten und in den Vorbereitungsspielen gefallen haben und er mir zutraut, ein Anführer zu werden. Ich bin sehr froh, stolz und dankbar, dass er an mich glaubt.
imago imagesMascarell: "Mein Traum ist die Nationalmannschaft"
Sie treten damit sozusagen in die Fußstapfen ihres spanischen Landsmannes Raul.
Mascarell: Raul ist hier auf Schalke eine Legende, die Fans lieben ihn. Ich will alles dafür tun, dass sie mich eines Tages ebenfalls als tollen Spieler und angenehmen Menschen wie ihn in Erinnerung behalten.
Sehen Sie sich langfristig bei Schalke?
Mascarell: Definitiv. Ich bin mittlerweile sehr glücklich und möchte viele Jahre bleiben. Generell gefällt es mir sehr gut in Deutschland. Ich habe hier mein zweites Zuhause und viele Freunde gefunden. In Frankfurt, aber jetzt auch hier im Ruhrgebiet. Die Menschen gehen sehr respektvoll und höflich mit mir um.
Welche persönlichen Ziele haben Sie sonst noch?
Mascarell: Mein großer Traum ist nach wie vor, eines Tages für die spanische Nationalmannschaft zu spielen. Dafür muss ich aber noch viel arbeiten.
Mascarell: "Real Madrid ist wie ein Zug, der nur einmal hält"
Welchen Spieler nehmen Sie sich zum Vorbild?
Mascarell: Als ich als kleiner Junge auf der Straße gekickt habe, war Ronaldinho mein großes Vorbild. Ich schaue mir noch heute Videos auf YouTube von ihm an. Ich habe mich wegen meiner Position aber auch an anderen Spielern orientiert. Als ich bei Real Madrid in der zweiten Mannschaft war, vor allem an Xabi Alonso. Er war der perfekte Sechser, spiel- und zweikampfstark. Aber ich schaue mir auch Videos von Sergio Busquets, Thiago und Arturo Vidal an. Ich will niemanden kopieren, aber mir gewisse Spielelemente von ihnen aneignen und so zu einem besseren Spieler werden.
Sie kommen ursprünglich von Teneriffa, wechselten als 16-Jähriger zu Real. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
Mascarell: Nur positive. Am Anfang war es natürlich nicht einfach, die Kanaren zu verlassen, weil ich dort meine Familie und meine Freunde hatte. Meine Mutter, die sich nicht so für Fußball begeistern konnte, hatte im ersten Moment wenig Verständnis dafür. (lacht) Aber ich musste diesen Schritt wagen, um meinen Traum vom Profifußball zu verwirklichen. Abgesehen davon ist Real Madrid wie ein Zug, der nur einmal in deinem Leben hält. Du darfst ihn nicht davonfahren lassen.
Die Profistationen von Omar Mascarell
Verein | Zeitraum |
Real Madrid | 2013 bis 2014 |
Derby County | 2014 bis 2015 |
Sporting Gijon | 2015 bis 2016 |
Eintracht Frankfurt | 2016 bis 2018 |
Schalke 04 | 2018 bis heute |
Sie bestritten nur ein Profispiel für die Königlichen. Warum haben es junge Spieler so schwer, sich dort zu behaupten?
Mascarell: Real Madrid ist der größte Klub der Welt. Nach all dem, was ich bei diesem Klub gesehen habe, beeindruckt mich so schnell nichts mehr. In meinem ersten Training bei den Profis habe ich mit Mesut Özil, Cristiano Ronaldo, Xabi Alonso und Sergio Ramos in einem Team gespielt. Das war der absolute Wahnsinn. Als junger Spieler aus der eigenen Jugend hast du fast keine Chance. Ich durfte zwar oft mit den Profis trainieren und auch einmal mit zur Saisonvorbereitung in die USA, aber mir war klar, dass ich dort zwar viel lernen, aber kein gestandener Profi werden kann.
Welcher Real-Profi hat Sie besonders fasziniert?
Mascarell: Es ist schwierig, einen herauszupicken. Vielleicht Karim Benzema. Für mich ist er der weltbeste Mittelstürmer der vergangenen zehn Jahre, aber auch ein unglaublich feiner und bodenständiger Kerl, der jungen Spielern zur Seite springt und ihnen Tipps gibt. Deshalb liebt ihn bei Real Madrid auch jeder. Es hat seinen Grund, wenn jeder von einem schwärmt.
Also dürfte es Ihr früherer Frankfurter Mannschaftskollege Luka Jovic wohl eher schwer haben, an Benzema vorbeizukommen?
Mascarell: Luka wird sehr viel von Karim lernen, da bin ich mir sicher. Er ist noch sehr jung, deshalb muss man geduldig mit ihm sein. Er kommt gerade in ein neues Land mit einer neuen Sprache und neuen Kultur. Nicht jeder kann mit dem Druck bei Real Madrid umgehen. Ich wünsche ihm, dass er sich durchsetzt. Die Fähigkeiten dazu hat er allemal, ich habe in seinem Alter selten einen so abschlussstarken Stürmer gesehen. Ich bin mir sicher, dass er die 60 Millionen Euro wert sein wird, die der Klub für ihn bezahlt hat.
Mascarell: "Mourinho war sehr herzlich zu mir"
Generell tendieren viele Talente bei Real dazu, den Fokus auf den Fußball zu verlieren. Ist das der Tatsche geschuldet, dass man denkt, man habe schon alles erreicht, wenn man ein Teil dieses Klubs ist?
Mascarell: Ein Grund ist vielleicht, dass Madrid eine gigantische Stadt ist, die dir unglaublich viele Möglichkeiten eröffnet. Auch manche ältere Spieler kommen damit nicht zurecht. In Madrid musst du nicht auf den Samstag warten, um feiern zu gehen. Das kannst du auch montags oder dienstags machen. Man darf sich nicht verleiten lassen, zu denken, man habe es geschafft, wenn man dieses Wappen auf der Brust trägt. Das ist gefährlich, zumal du auch als junger Spieler schon sehr bekannt bist und zwielichtige Leute auf dich zukommen, die dich negativ beeinflussen wollen. Man muss vorsichtig sein und darf keine falschen Freundschaften schließen. Ich habe das dank der Erziehung meiner Eltern immer gut hinbekommen.
Jose Mourinho ließ Sie 2013 bei einem Liga-Spiel gegen CA Osasuna debütieren. Was sagte er Ihnen vor Ihrer Einwechslung?
Mascarell: Dass ich jede Sekunde genießen soll. Er war sehr herzlich zu mir und den anderen jungen Spielern, hat sich sehr für die eigene Jugend interessiert und viele Talente vorspielen lassen. Ich werde ihm auf ewig dankbar sein. Es war aber vorhersehbar, dass wir keine Zukunft bei den Profis hatten. Damals stand ja auch eine WM vor der Tür. Also war es das Beste für mich, zu gehen und woanders Spielpraxis zu sammeln.
Mascarell: "Wir waren bei der Eintracht wie eine Familie"
Über Derby County landeten Sie 2016 in Frankfurt, zwei Jahre später holten Sie gegen den FC Bayern den DFB-Pokal. Wie oft denken Sie noch an dieses Spiel zurück?
Mascarell: Ich schaue mir den Film "Die Rückkehr des Pokals" immer noch an, wenn ich Zeit habe. Dieses Spiel war der perfekte Höhepunkt einer unvergesslichen Zeit, mein bisher größter und schönster Erfolg. Schon eine Woche vor dem Anpfiff hatte jeder im Klub das Gefühl, dass wir das Ding holen werden. Die Atmosphäre war elektrisierend. Wir sprachen nicht mehr wie eine Mannschaft zueinander, sondern wie eine Familie. Es war wirklich so, als wären wir alle Brüder. Das hat man auch in dem Spiel gemerkt. Die spielerische Überlegenheit der Bayern hat uns nicht beeindruckt, jeder hat sich die Seele aus dem Leib gerannt. Der Wille war an diesem Abend entscheidend, aber auch die Unterstützung der Fans. Ich habe in meiner Karriere noch nie so etwas gesehen. Erst recht nach dem Spiel. Wie sie uns erst am Flughafen und später am Römer empfangen haben, war atemberaubend.
Ihr Trainer war damals ausgerechnet Niko Kovac. Wie würden Sie ihn beschreiben?
Mascarell: Niko hat mich nicht nur zu einem besseren Fußballer gemacht, sondern hat mich auch menschlich weitergebracht. Ich verstehe diejenigen nicht, die ihn und seine Fußballexpertise in Frage stellen. Man hat ja bei uns gesehen, dass er eine klare Spielphilosophie verfolgt, viele taktische Systeme spielen lassen kann und mit seinen Spielern zurechtkommt. Er ist nun einmal der Typ Trainer, der dich kritisiert, wenn du nicht alles gegeben hast. Dann heißt es: Ärmel hochkrempeln und zwar schnell. Niko kann sehr laut in der Kabine werden, aber er ist auch sehr fair und lobt dich, wenn du deine Leistung gebracht hast.
imago imagesMascarell: "Bayern darf sich keinen Ausrutscher erlauben"
Jetzt treffen Sie mit Schalke wieder auf die Bayern und wieder auf Kovac. Welches Spiel erwarten Sie am Samstag?
Mascarell: Gegen die Bayern ist es immer schwierig, gerade nach dem 2:2 gegen die Hertha dürfen sie sich keinen weiteren Ausrutscher erlauben. Der Druck in München ist ähnlich groß wie in Madrid. Wir gehen aber ohne Angst in dieses Spiel. Warum auch? Wir spielen zu Hause, vor unseren Fans, und ich bin mir sicher, dass wir ein positives Ergebnis erzielen können, wenn wir kämpfen.
Die Bayern haben Philippe Coutinho vom FC Barcelona ausgeliehen. Er könnte auf Schalke zu seinem Debüt kommen. Was halten Sie von ihm?
Mascarell: Es ist eine tolle Nachricht, dass Coutinho in der Bundesliga spielt. Er war sicherlich der Spieler, den die Bayern gebraucht haben. Einer, der zwischen den Linien für Gefahr sorgt mit seiner Schuss- und Kombinationsstärke. Er wird garantiert hervorragend mit Thiago und Robert Lewandowski harmonieren. Hoffentlich noch nicht gegen uns.
Schalke 04: Die nächsten fünf Spiele im Überblick
Datum | Uhrzeit | Wettbewerb | Gegner |
24. August | 18.30 Uhr | Bundesliga | FC Bayern (H) |
31. August | 15.30 Uhr | Bundesliga | Hertha BSC (H) |
15. September | 18.00 Uhr | Bundesliga | SC Paderborn (A) |
20. September | 20.30 Uhr | Bundesliga | Mainz 05 (H) |
28. September | 15.30 Uhr | Bundesliga | RB Leipzig (A) |